Sven Ulreich Foto: dpa

Am Sonntag muss Sven Ulreich das Tor des VfB wieder räumen. Die Frage ist nur: für wie lange?

Stuttgart - Am Sonntag muss Sven Ulreich das Tor des VfB Stuttgart wieder räumen. Die Frage ist nur: für wie lange? Noch scheut der VfB Stuttgart das Risiko, dem 21-jährigen Nachwuchsmann dauerhaft das Vertrauen zu schenken. Oder doch nicht? Die Entscheidung wird eine der wichtigsten der kommenden Monate.

Kölnern sagt man ja einen gewissen Hang zum Humor nach. Und weil auch Toni Schumacher ein Kölsche Jong ist, kommt er auf allerhand ausgefallene Ideen. Zum Beispiel diese hier: "Wie wäre es denn, wenn sich der Jens Lehmann in der kommenden Saison beim VfB auf die Bank setzt?", fragt er, als er auf die nahende Wachablösung im Tor der Roten angesprochen wird. Als erfahrener Mann könne der 40-jährige Keeper Nachwuchsmann Sven Ulreich den Rücken stärken.

Lehmann auf der Bank als Unterstützung für den Nachfolger? Eine nette Idee, sicher. Aber nie und nimmer eine realistische Variante. Das weiß auch Toni Schumacher. Was er aber auch weiß, ist, dass der VfB vor einer richtig schwierigen Entscheidung steht. Bekommt Sven Ulreich, der zuletzt den rotgesperrten Lehmann hervorragend vertreten hat, eine Chance als Nummer eins - oder setzen ihm die Roten wieder einen erfahrenen Mann vor die Nase? Zum Beispiel Jaroslav Drobny, der bei Hertha BSC Berlin hartnäckig alle Gespräche über eine mögliche Vertragsverlängerzung ablehnt. Um offen zu sein für den VfB?

Womöglich. Denn die Aussagen von VfB-Trainer Christian Gross zur Zukunft im VfB-Tor klingen nicht gerade wie ein Bekenntnis für Ulreich. Zwar erklärte der Schweizer: "Sven gehört die Zukunft." Aber er schränkte schnell ein: "Ungewiss ist noch, wann diese Ära beginnt." Der Mann, der für Erfolg und Misserfolg dieser Mannschaft geradestehen muss, scheut wohl noch das Risiko, sich auf einen 21-Jährigen verlassen zu müssen. Denn eines ist klar: Wenn sich der VfB für Sven Ulreich als Nummer eins entscheidet, dann muss er die Sache auch durchziehen - und nicht handeln wie einst Armin Veh.

"Der Druck ist natürlich hoch"

Der Ex-Coach der Roten hatte den damals 19-Jährigen statt Raphael Schäfer ins Tor gestellt, ihn aber schon wenige Wochen später öffentlich wieder demontiert - und dann doch wieder auf Raphael Schäfer gesetzt. "Das", sagt der ehemalige VfB-Torhüter Helmut Roleder, "hat Ulreich in seiner Entwicklung zurückgeworfen."

Allerdings: Die womöglich verlorene Zeit hat er längst wieder aufgeholt. Das haben die drei Spiele gezeigt, die er anstelle des gesperrten Lehmann im VfB-Tor stand. Drei Partien, drei Siege, keine Unsicherheiten. Deshalb sagt Roleder: "Ich halte ihn für geeignet, die Nummer eins beim VfB zu werden." Es wird also eine Grundsatzentscheidung, die Trainer Gross zusammen mit Manager Horst Heldt treffen muss.

Sicher: Konsequent auf Ulreich zu setzen erfordert Mut - der sich aber auszahlen könnte. Denn ein Blick in die Historie zeigt: Die meisten großen Torhüter mussten sich schon in jungen Jahren auf Topniveau beweisen - und haben sich so zu Topkeepern entwickelt. "Das ist eine Zeit, in der man als Persönlichkeit reift", sagt Ex-Nationalkeeper Toni Schumacher, "solch eine Phase kannst du später nicht mehr nachholen."

Schumacher war gerade einmal 20 Jahre alt, als er 1974 in Köln Stammtorwart wurde. Die ehemaligen VfB-Torhüter Roleder und Timo Hildebrand waren je 21 Jahre alt, als sie zur Nummer eins aufstiegen. "Der Druck ist natürlich hoch", sagt Roleder, "aber für eine lange, stabile Karriere ist es von Vorteil, schon als junger Keeper im Tor zu stehen."

Aktuell bietet auch die Bundesliga solche Beispiele. Manuel Neuer beim FC Schalke und René Adler in Leverkusen bekamen früh das Vertrauen. Beide spielten eine starke erste Saison, patzten dann aber auch häufiger. Doch die Clubs blieben standhaft. "Wenn nicht der ganze Verein hinter dem jungen Torhüter steht, ist der Druck besonders hoch", sagt Schumacher und erzählt aus seinen Anfangsjahren.

Sein damaliger Trainer Hennes Weisweiler stellte Schumacher zwar ins Tor, besonders viel hielt er zunächst aber nicht vom heute 55-Jährigen. "Den Schumacher", sagte er, "kann man verschenken." Doch der Junge biss sich durch - und hatte wenig später den Coach überzeugt. Der sagte: "Du bist meine Nummer eins und bleibst es auch."

Mal sehen, was Christian Gross im Sommer zu Sven Ulreich sagt.