Seit sich Großbritannien und die EU nicht mehr lieb haben, ist es auch um die psychische Verfassung im Land der Austrittskandidaten nicht mehr gut bestellt. Foto: AP

Abgeordnete im britischen Parlament klagen über Angstzustände und Depressionen. Auch der Rest des Landes sieht die psychische Verfassung der Nation durch die Austrittsschlacht beeinträchtigt.

London - Was tun, um im Brexit-Chaos nicht die Nerven oder gar den Verstand zu verlieren? Immer mehr britische Abgeordnete fürchten um ihre psychische Verfassung.   Einige halten schlicht nicht mehr aus, was an Erwartung auf sie zukommt und an Verantwortung auf ihnen lastet. Ein Parlamentarier, der Tory-Hinterbänkler Andrew Percy, gestand der BBC jetzt, dass er sich im Palast von Westminster in eine kleine Kabine flüchtet, wenn er nicht mehr kann:  „Ich habe ein Versteck gefunden, gar nicht weit vom Tagungssaal. Ich mache die Tür zu, schalte das Licht aus und ziehe mir die Jacke über den Kopf.“ In den vergangenen Wochen habe er im Unterhaus „zweimal für ,No Deal‘ gestimmt, dreimal für den Deal der Premierministerin und ein paarmal für ein Norwegen-Modell beim Brexit“. Draußen vorm Parlament sei er stets als „Verräter“ beschimpft worden: „Ganz egal, was man macht, jemand schreit einen immer an.“

Hunderte Hass-Mails prasseln auf jeden einzelnen Abgeordneten ein

Hunderte Hass-Mails stürzen täglich über jeden Parlamentarier herein.   Die Abgeordneten klagen über ständige Nachtsitzungen, gestrichene Ferien. „Ich habe noch nie so viele Abgeordnete erlebt, die physisch und psychisch völlig fertig sind“, sagt Percys Parteikollege Tim Loughton. Überall stoße man „auf Tränen, Wutausbrüche und Streit“, berichtet ein anderer Konservativer, der Ex-Staatssekretär und Arzt Phillip Lee. Manche seiner Kollegen kämpften mit regelrechten Angstzuständen und Depressionen.

Neuen Forschungsergebnissen zufolge halten sogar fast zwei Drittel aller Briten die Austrittsschlacht oder die Angst vor den Folgen eines Austritts für „ganz schlecht“, was die psychische Verfassung der Nation betrifft. Anhaltende Ungewissheit, Niedergeschlagenheit und ohnmächtiger Zorn haben offenbar auch zu einem stärkeren Andrang bei Ärzten und Therapeuten geführt.   Immer mehr Parlamentarier schreiben sich für die neuen Kurse zum Erhalt des inneren Gleichgewichts in Westminster ein. Viele klagen über Schlaflosigkeit, manche räumen ein, dass sie sich „mit ein paar zusätzlichen Drinks“ zu retten suchen. „Dass diese 650 Leutchen gegenwärtig psychisch in der Lage sind, besonnene, sachkundige Beschlüsse zu fassen“, bezweifelt Phillip Lee stark: „Das kann glauben, wer will.“