Eine Autoscheibe ist von mehreren Stahlrundkugeln beschädigt worden. Foto: SDMG

Ein Waffenspezialist des LKA erstattet sein Gutachten über die Luftpistole, mit der ein 45-Jähriger auf Autos und Gebäude geschossen hat. Dieser stand unter dem Eindruck einer Psychose.

Weissach im Tal - Wohl mehr als 80 Stahlrundkugeln vom Kaliber 4,5 Millimeter hat der 45-jährige Beschuldigte am 22. Oktober vergangenen Jahres in Weissach im Tal aus einer Luftpistole abgegeben. Der Mann steht zurzeit vor der 1. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts (wir berichteten). Da der Gärtner zur Tatzeit unter einer paranoiden Schizophrenie litt, hat die Staatsanwaltschaft beantragt, ihn auf weiteres in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Am zweiten Verhandlungstag erklärte am Montag ein Waffensachverständiger des Landeskriminalamtes, wie groß die Gefahr der Wirkung der Pistolenkugeln auf Leib und Leben von Menschen war.

Gefährlicher aus näherer Distanz

Der 60-jährige Spezialist mit großer Erfahrung auf seinem Gebiet beschrieb die Wucht der kleinen Stahlkugeln mit einem anschaulichen Bild. Die Energie dieser Geschosse betrage an der Mündung 2,1 Joule. Nehme man einen Gegenstand von 210 Gramm und lasse man diesen aus einem Meter Höhe fallen, entspreche das dieser Energie. „Wenn diese Wucht auf 4,5 Millimeter begrenzt ist, wollen Sie sich das nicht auf Ihren Zeh fallen lassen“, sagte der Gutachter zu der Vorsitzenden Richterin. Dann entstehe auf jeden Fall „eine blutende Verletzung der Haut“. Und noch gefährlicher sei ein Treffer aus kürzester Distanz natürlich für die Augen.

Legal erwerben könne man übrigens Luftpistolen oder solche, die wie im Fall des 45-Jährigen mit CO2-Gas Druck aufbauen, bis zu 7,5 Joule, was einem Gewicht von 750 Gramm, das aus einem Meter Höhe fallengelassen wird, entspricht. Davon war die vorliegende Pistole mit 2,1 Joule weit entfernt. Dennoch brachte ein Treffer die Heckscheibe eines Autos zum „Einsturz“, wie der 45-jährige Angeklagte es beschrieb und was ihn so beeindruckt habe, dass er aufhörte zu schießen. „Eine Stahlrundkugel verformt sich nicht. Dadurch überträgt sich die Energie punktuell auf das Glas, das nicht nachgibt“, erklärte das der Gutachter. Dadurch entstehe eine viel größere Wirkung als auf der Haut, die zu einem gewissen Grad elastisch sei und nachgebe, bevor sie aufreiße. Kleidung reiche ab einer gewissen Distanz aus, um Verletzungen wie im vorliegenden Fall zu verhindern.

Außerdem nehme die Geschwindigkeit der Kugeln auf Distanz rapide ab. Einige junge Leute an einer Bushaltestelle waren rund 30 Meter von dem Schützen entfernt. „Wenn Sie das trifft, spüren Sie das zwar, aber es gibt keine Verletzung“, erklärte der Gutachter den Richtern. Laut Gesetz handele es sich bei der Pistole, die einer russischen Makarov-Pistole täuschend echt nachgebildet ist, um eine „Pistole für Sport und Spiel“, frei erhältlich ab 18 Jahren.

Er habe sie sich vor Jahren gekauft, um damit auf einen Kugelfang im Garten des Hauses in Weissach im Tal zu schießen, wo er mit seiner Oma und einem Bruder wohnte, berichtete der 45-Jährige am ersten Verhandlungstag. „Zum Spaß“, antwortete er auf die Frage, wozu er sich diese und noch weitere CO2-Pistolen zugelegt habe, unter anderem eine Colt-Nachbildung, die samt Revolvergürtel in seiner Wohnung von der Polizei gefunden wurde.

Stimmen raten zur Gegenwehr

Diese hatte seine Wohnung am frühen Morgen des 23. Oktober gestürmt, nachdem er sich im Obergeschoss des Hauses verschanzt hatte. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) sprengte die Tür auf und überwältigte ihn. „Ich hab damals nicht mal sie ernst genommen“, sagte der 45-Jährige vor Gericht. Heute könne er sich zwar an den Zustand unter der Psychose erinnern, nachvollziehen könne er ihn jedoch nicht mehr. „Die Stimmen waren Humbug“, sagt er. Diese hätten ihn gewarnt, dass er mit Infrarotstrahlen beschossen werde und ihm auch geraten, sich dagegen zu wehren.