Der Angeklagte soll zwei Frauen ermordet haben. Foto: AFP/SWEN PFORTNER

Eine Frau wird auf der Straße angezündet und mit 25 Messerstichen getötet. Ihre zu Hilfe eilende Kollegin wird ebenfalls tödlich verletzt. Jetzt steht der mutmaßliche Täter vor Gericht.

Göttingen - Der Angeklagte wirkt eher klein und unauffällig. Dennoch wird der 53-Jährige in Handschellen von vier Justizbediensteten zur Anklagebank im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Göttingen geführt. Die Kammer stuft den Mann als hoch gefährlich, gewalttätig und fluchtbereit ein. Er muss sich seit Mittwoch wegen Mordes an zwei Frauen verantworten. (Az.: 6 Ks 1/20)

Die Staatsanwaltschaft wirft dem gelernten Tischler vor, am 26. September vergangenen Jahres in Göttingen aus Eifersucht seine 44 Jahre alte frühere Lebensgefährtin auf der Straße mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen, diese angezündet und die Frau dann mit insgesamt 25 Messerstichen getötet zu haben. Die Stichkanäle waren bis zu 17,5 Zentimeter tief.

Auch Helferin wird tödlich verletzt

Während der Tat rief der 53-jährige Deutsche laut Anklage: „Mich betrügt man nicht“ und „Ich habe dir doch gesagt, ich bringe dich um, wenn du mich betrügst.“ Eine zu Hilfe eilende Arbeitskollegin der Frau habe der Angeklagte mit dem Messer ebenfalls so schwer verletzt, dass die 57-Jährige später im Krankenhaus starb. Anderen Helfern drohte er: „Mischt euch nicht ein, sonst steche ich auch euch ab.“ Ein Mann und eine Frau erlitten Verletzungen, weshalb die Anklage zusätzlich auf gefährliche Körperverletzung lautet.

Der Angeklagte habe es nicht ertragen können, dass die 44-Jährige sich einige Zeit zuvor von ihm getrennt und möglicherweise eine Beziehung zu einem anderen Mann aufgenommen habe, sagte der Staatsanwalt. Die Tötung sei ein grausamer Mord aus niederen Beweggründen. Den Mord an der Kollegin habe der 53-Jährige begangen, um die erste Tat zu verdecken und unerkannt entkommen zu können.

Aussetzung wird abgelehnt

Während die Anklage verlesen wurde, war bei dem Angeklagten keine Regung zu erkennen. Das könnte aber auch an seiner Atemmaske gelegen haben: Wegen der Corona-Krise hatte das Gericht die Zahl der im Verhandlungssaal anwesenden Menschen drastisch beschränkt, damit die empfohlenen Mindestabstände eingehalten werden konnten. Einen Antrag der Verteidigung, das Verfahren angesichts der Lage auszusetzen, lehnte das Gericht ab. 

Der Staatsanwalt machte deutlich, dass er den Angeklagten für gemeingefährlich hält. Er deutete an, dass er nicht auf eine lebenslange Haftstrafe, sondern zusätzlich auf Sicherungsverwahrung plädieren werde. Der 53-Jährige hatte bereits früher Gewaltverbrechen begangen. Unter anderem hatte er nach einer Vergewaltigung 1992 in Göttingen sechs Jahre Haft erhalten. Zuvor war er als Heranwachsender schon zweimal wegen Vergewaltigung verurteilt worden.

Wilde Flucht

Nach der Tat im September konnte er zunächst entkommen. Am folgenden Tag wurde er in einem Nahverkehrszug erkannt und von Bahnbediensteten in einem Abteil eingesperrt. Er schlug mit dem Nothammer eine Scheibe ein, sprang im Bahnhof Elze (Kreis Hildesheim) aus dem Fenster und flüchtete weiter. Am späten Abend wurde er schließlich in der Göttinger Innenstadt von Polizisten erkannt und überwältigt. Er saß seither in Untersuchungshaft.

Der Mann war nicht das erste Mal auf der Flucht vor der Polizei. 1995 war er bei einem Gerichtstermin in Göttingen entkommen. Erst nach drei Wochen wurde er wieder gefasst. Dabei wurde er durch einen Schuss von der Polizei schwer verletzt.

Nach seiner jüngsten Festnahme im vergangenen Jahr hatte der 53-Jährige bei den polizeilichen Vernehmungen geschwiegen. Der Verteidiger kündigte allerdings für den nächsten Verhandlungstag eine Einlassung seines Mandanten an.