Nach dem Brand Foto: Gemeinde Hemmingen

Im Prozess gegen einen Hemminger Asylbewerber am Landgericht Stuttgart sind jetzt die Plädoyers gehalten worden. Der Angeklagte, ein 26 Jahre alter Syrer, hatte das letzte Wort.

Stuttgart/Hemmingen - Der Prozess am Landgericht Stuttgart gegen einen jungen Asylbewerber aus Syrien geht in die letzte Runde: Wenige Tage vor dem Urteil haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung jetzt ihre Plädoyers gehalten. Es geht um die Frage: Hat der 26-Jährige bewusst in Kauf genommen, mit seiner Zündelei am 3. August 2018 in der Flüchtlingsunterkunft im früheren Gasthof Schiff in Hemmingen zwei Menschen in Gefahr gebracht zu haben? Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der Angeklagte mit Verletzungs- und Tötungsvorsatz gehandelt habe. Dagegen ist er aus Sicht der Verteidigung wegen schwerer Brandstiftung zu verurteilen – nicht aber wegen versuchten Totschlags.

Zwei Mal legte der Syrer an jenem Freitag nach 14 Uhr Feuer. Erst steckte er eine Matratze in seinem Zimmer im Erdgeschoss an. Dann verließ er die Unterkunft, ehe er Stunden später im Obergeschoss erneut eine Matratze anzündete. Er war unzufrieden und hoffte so, in eine andere Unterkunft zu kommen. Nun sitzt er seit gut eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Seine Verteidigerin Saskia Hölscher sagte am Dienstagmorgen: „Er wollte weg, aber niemanden verletzen.“

Täter verübte den Brand „mitten am Tag“

Gegen einen Tötungsvorsatz sprächen die Tatzeit wie die objektiven Gegebenheiten des Gebäudes. „Die Tat wurde mitten am Tag verübt“, so Hölscher. Der Angeklagte habe gewusst, dass ein Bewohner – mit diesem hatte er sich kurz zuvor in der Küche unterhalten – andere hätte warnen können. Die Küche hatte einen eigenen Fluchtweg, der nicht am Brandzimmer vorbeigeführt habe. Ebenso schlugen die Rauchmelder Alarm.

Da jener Zeuge bereits in seiner früheren Unterkunft mit Feuer zu tun hatte, sei ihm klar gewesen, wie er handeln müsse, sagte Saskia Hölscher. „Die zwei Bewohner waren in einer guten körperlichen Verfassung. Der Syrer hatte sich in einer seelischen Ausnahmesituation befunden.“ Sie halte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren „angemessen für Tat und Schuld“.

„Erhebliche Gefahr“ für die Bewohner

Die Staatsanwältin indes bescheinigt dem Angeklagten ein „völlig überzogenes, egoistisches und rücksichtsloses Verhalten“. Für die Bewohner, die allesamt unzufrieden seien, habe eine „erhebliche Gefahr“ bestanden, nachdem der Mann Feuer gelegt hatte und stundenlang weg war, sagte Claudia Krauth. Sie plädierte für eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren.

Der Syrer habe billigend in Kauf genommen, dass zumindest eine Person zu Tode hätte kommen können. „Auch die Rauchmelder konnten die Schädigungen der Opfer durch die eingeatmeten Rauchgase nicht verhindern“, sagte Krauth. Sie hätten „reines Glück“ gehabt – wie die zwei Mädchen, die ausnahmsweise später als sonst die Unterkunft betraten. Laut der Feuerwehr hätte das Gebäude binnen einer Viertelstunde komplett in Flammen gestanden, wäre es nicht gelöscht worden.

Das letzte Wort hatte der Angeklagte. Er habe Fehler gemacht, sagte der 26-Jährige, aber niemanden töten wollen. „Ich entschuldige mich.“ Die Taten seien Folge seines Drogenkonsums gewesen. Das Urteil fällt am 21. Februar.

Bundesgerichtshof findet deutliche Worte

Beide Taten hat das Landgericht bereits verhandelt. Das Urteil vor einem Jahr lautete auf sechs Jahre Gefängnis – wegen Sachbeschädigung, schwerer Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung, versuchten Totschlags. Die Verteidigung ging in Revision und war teils erfolgreich: Das Urteil wegen der zweiten Tat wurde rechtskräftig, doch wegen der ersten musste erneut verhandelt werden. „Das Landgericht hat einen Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht ausreichend belegt“, heißt es unter anderem in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH).

Das Gasthaus Schiff, das die Gemeinde vor Jahren gekauft hatte, musste nach den beiden Bränden renoviert werden. Ein Schaden von 40 000 Euro entstand.