Manche Gelbwesten demonstrieren für den Umweltschutz. Auf dem Plakat steht: „Man kann 500 Millionen Jahre auf der Erde leben – wir müssen sie beschützen“ Foto: AFP

Seit Monaten wird in Frankreich jedes Wochenende gegen die Regierung protestiert. Doch die Gilets Jaunes stecken in einer Sinnkrise.

Paris - Der junge Mann in seiner gelben Weste ist irritiert. „Wo sollen wir hin?“ fragt er seine Kumpels, die unschlüssig auf den Champs-Élysée in Paris stehen. Die beiden Enden der Pariser Prachtstraße hat die Polizei mit Mannschaftswagen und Wasserwerfen abgeriegelt. Es ist der 17. Protest-Samstag der sogenannten Gilets Jaunes. Doch der Aufmarsch in Paris macht deutlich: die Bewegung der Unzufriedenen hat ihre Energie verloren. Gingen anfangs in ganz Frankreich noch jedes Wochenende Hunderttausende auf die Straßen, um gegen die Politik des Präsidenten Emmanuel Macron zu demonstrieren, sind es inzwischen noch rund 40.000.

Menschen laufen ziellos auf den Champs-Élysée

Der Protest in Paris an diesem Wochenende ist ein Sinnbild für diese Krise. In kleinen Gruppen gehen die Menschen in ihren gelben Westen eher ziellos die Champs-Élysée auf und ab. Die ganze Bewegung scheint keine Richtung zu kennen. Immer wieder werden Parolen skandiert, die aber selbst bei den eigenen Anhängern auf wenig Widerhall stoßen. Zwischen den Menschen schleppt ein Mann in Jesus-Outfit ein großes Holzkreuz durch die Menge. Auch er ist für weniger Steuern, aber auch für den Frieden zwischen den Religionen. Eine andere Frau singt in ein Megaphon, sie wünscht sich mehr Gerechtigkeit in der Justiz. Ein anderer hat sich lang auf die Straße gelegt und will sich nicht mehr wegbewegen, bis Macron aus dem Präsidentenpalast gejagt worden ist. Zwischen den Demonstranten schlendern Touristen mit ihren prall gefüllten Einkaufstüten und posieren für ein Selfie.

Aus ganz Frankreich angereist

Manche der Demonstranten tragen Plakate mit sich, auf denen steht, woher sie kommen: Avignon, Reims, Bordeaux. Auch an diesem Wochenende haben sich aus ganz Frankreich Menschen auf den Weg in die Hauptstadt gemacht. Auf den gelben Westen haben manche demonstrativ ihre vielen Forderungen notiert: Niedere Steuern für die Armen, höhere Steuern für die Reichen, niedere Benzinpreise, ein Recht auf Referenden, höhere Pensionen, mehr Rechte für Geschiedene, den Schutz der Umwelt – und immer wieder: Macrons Rücktritt.

Der aber ist längst in weite Ferne gerückt. Mit seinem Dialogangebot, der Grand Débat, hat er den Gilets Jaunes den Wind aus den Segeln genommen. Anfangs noch belächelt, tingelt der Präsident seit Wochen durch die Provinzturnhalten seines Landes und sucht das Gespräch mit dem Volk. Das fühlt sich von dieser Charmeoffensive offensichtlich angesprochen, die Zustimmungswerte Macrons steigen deutlich an. Die Gelbwesten aber haben sich diesem Bürgerdialog kategorisch verweigert, den sie als Ablenkungsmanöver sehen, was immer mehr Franzosen nicht verstehen.

Randalierer in schwarz werden von der Polizei beobachtet

Gleichzeitig hat sich die Bewegung radikalisiert, was ihr in der französischen Bevölkerung sehr viel Sympathie gekostet hat. Immer wieder kommt es bei den Protesten zu gewalttätigen Ausschreitungen. Auch auf den Champs-Élysée haben sich am Samstag kleine Gruppen von jungen Männern versammelt, die offensichtlich wenig mit Politik im Sinn haben. Sie sind schnell zu erkennen: ganz in schwarz gekleidet, Helm und Gesichtsmaske. Sie werden von den Einsatzkräften der Polizei sehr genau beobachtet. Die Erfahrung der vergangenen Wochen zeigt, dass die Randale unvermittelt losbrechen kann.

Bis zum späten Nachmittag ist es allerding friedlich. Nach und nachlösen sich die Gruppen auf, viele Demonstranten setzen sich gemütlich in eines der Cafés auf den Champs-Élysée. Eine Handvoll Demonstranten ziehen sich ihre gelben Westen aus und macht sich auf den Weg in Richtung Metro. Sie wollen noch zum Eifelturm. Es bleiben noch knapp zwei Stunden Zeit, bis ihr Zug zurück in die Heimatstadt abfährt.