Flüchtlinge machen in der Thouretstraße vor dem Integrationsministerium mit verhüllten Figuren auf ihre Situation aufmerksam: Sie fühlen sich wie Tote Foto: Peter Petsch

Seit einem Monat harren die Flüchtlinge aus dem Main-Tauber-Kreis nun schon vor dem Integrationsministerium in der Stuttgarter Innenstadt aus. Noch ist kein Ende ihres Protestes in Sicht.

Stuttgart - Seit einem Monat harren die Flüchtlinge aus dem Main-Tauber-Kreis nun schon vor dem Integrationsministerium in der Stuttgarter Innenstadt aus. Noch ist kein Ende ihres Protestes in Sicht. „Wir gehen erst, wenn man uns die Zusage gibt, dass wir das Lager wechseln dürfen“, sagt Faysal Mushtaq. Er und seine Mitstreiter fordern, dass sie aus dem Main-Tauber-Kreis in eine Unterkunft in Stuttgart wechseln dürfen.

Doch diese Forderung kann das Integrationsministerium nicht erfüllen. „Mit einer generellen Zusage würden wir einen Präzedenzfall schaffen“, sagt Christoph Häring, Sprecher des Integrationsministeriums. Die meisten Asylbewerber wollten in die Großstädte wechseln. „Das ist zwar verständlich, aber damit wären einige Kommunen völlig überlastet“, so Häring.

Zwar kann jeder Flüchtling einen Antrag auf Verlegung in einen anderen Landkreis stellen. Dafür müssen aber gravierende Gründe vorliegen, wie etwa ein Arbeitsangebot aus dem bevorzugten Landkreis. Doch erst nach einem Jahr Aufenthalt wird das Arbeitsverbot für Flüchtlinge gelockert. Asylbewerber können dann mit Erlaubnis der Behörde eine Arbeit annehmen – allerdings nur, wenn kein Deutscher oder EU-Bürger den Job machen würde. Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) hat bereits einen Brief an das Bundesamt für Migration in Nürnberg geschrieben. Darin bittet sie darum, dass die Verfahren derer, die schon über ein Jahr in Deutschland sind, zeitnah geprüft werden.

„Ich möchte nicht wie ein Bettler oder wie ein Illegaler leben“

Von ursprünglich 18 demonstrierenden Asylbewerbern kampieren derzeit 15 in der Thouretstraße vor dem Ministerium. Neben ihrem Info-Stand haben sie zwei menschengroße Figuren gelegt, die an verhüllte Leichen erinnern. Sie sind mit weißen Laken umwickelt, die mit roten Spritzern übersät sind. „Die Leichen stehen für uns Flüchtlinge“, sagt Mushtaq. In seinem Heimatland Pakistan sei er verfolgt worden, doch auch hier habe er keine Rechte. Der 22-Jährige fühlt sich „wie ein Toter“. Er schämt sich dafür, auf der Straße „wie ein Obdachloser“ zu leben. „Das ist aber immer noch besser als das Lager im Main-Tauber-Kreis.“ Die Wohnsituation dort sei miserabel.

Faysal Mushtaq hat in Pakistan Business- Management studiert, bevor er das Land wegen der politischen Unruhen verlassen musste. Seit sechs Monaten lebt er in Deutschland. „Ich möchte nicht wie ein Bettler oder wie ein Illegaler leben, sondern eine Schule besuchen und arbeiten dürfen“, sagt er. In ihrem provisorischen Lager nahe der Königstraße schlafen die Flüchtlinge auf Isomatten, die sie auf der Straße ausgebreitet haben. Duschen können sie bei Freunden, die in der Nähe wohnen. In der vergangenen Woche schickte die Stadt mit Einverständnis der Asylbewerber einen Putztrupp vorbei, der die Straße säuberte.

Einige der Forderungen – wie zum Beispiel bessere Unterkünfte oder Geld statt Sachleistungen – sind bereits in dem Entwurf des neuen Flüchtlingsaufnahmegesetzes enthalten. Den Asylbewerbern genügt der Kompromiss jedoch nicht. Die Stadt Stuttgart beobachtet die Situation weiter und bleibt in Kontakt mit den Flüchtlingen. „Wir warten die Gespräche zwischen Ministerium und Asylbewerbern ab“, sagt Andreas Scharf, Sprecher der Stadt Stuttgart. Momentan werde man nicht eingreifen.

Die Flüchtlinge und ihre Unterstützer wollen heute um 19.30 Uhr vom Stuttgarter Marktplatz aus eine Demonstration starten.