Im Rotlichtmilieu in Stuttgart stehen einige Änderungen an. Foto: dpa

Anmeldepflicht für Prostituierte, Zuverlässigkeitsprüfung für Bordellbetreiber, Kondompflicht für Freier: Anfang Juli tritt das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Sollte. In Stuttgart dürfte sich die Umsetzung um ein halbes Jahr verzögern.

Stuttgart - An einem sonnigen Nachmittag wie diesem ist im Leonhardsviertel nicht viel los. Hier geht es erst drunter und drüber, wenn der Abend seinen schützenden dunklen Mantel über das Quartier wirft und die rote Leuchtreklame das Angebot zur Geltung bringt. In den Amtsstuben, die sich mit dem Sexgewerbe befassen, geht es zurzeit um so geschäftiger zu. Dort wird die Umsetzung des Gesetzes vorbereitet, das die Verhältnisse in den rund 200 Stuttgarter Rotlichtbetrieben verbessern soll.

Auch Bordellbesitzer John Heer, der im Leonhardsviertel zwei Häuser hat, treibt das neue Gesetz um. „Das ist nicht im Ansatz durchdacht“, schimpft der Immobilienkaufmann. Sorgen, dass er als Betreiber die bald vorgeschriebene Zuverlässigkeitsprüfung nicht bestehen und seine Gebäude den neuen Anforderungen nicht entsprechen könnten, hat er nicht. Er hat seine Laufhäuser saniert. Es gebe nun eigene Toiletten für die Freier, ein Notrufsystem in den Zimmern, einen kleinen Sozialraum für die Prostituierten, Sicherheitspersonal schaue nach dem Rechten.

Anmeldepflicht für Prostituierte

Was Heer für verfehlt hält, ist die Anmeldepflicht für Huren. Und dass diese künftig zu dem Zimmer, in dem sie die Freier bedienen und wo sie bisher auch nächtigen, nun zusätzlich noch eine eigene Bleibe vorweisen müssen. Zur Trennung von Arbeit und Wohnen. Künftig würden die Frauen, von denen die allermeisten aus Osteuropa stammen, schon mit einem Minus starten, bevor sie anschaffen können, weil sie zwischen der Ankunft und dem Ausstellen der Anmeldung schon Unkosten hätten, glaubt der Bordellbetreiber. Und dass man von diesen nun verlange, in den frühen Morgenstunden „aus den geschützten Räumen rauszugehen“ und den Heimweg in ihre Wohnung anzutreten, damit setze man die Frauen „massiven Gefahren aus“, glaubt John Heer. „Das alles wird auf dem Rücken der Frauen ausgetragen. Die werden geschwächt, die Ausbeutung findet durch das Gesetz jetzt erst richtig statt.“

Nun kann man einwenden, man dürfe nicht den Bock zum Gärtner machen, der verfolge eigene Ziele. So ist es durchaus möglich, dass die Bordellbetreiber für ihre Zimmer künftig nicht mehr so viel verlangen können, wenn die Frauen noch für eine Unterkunft aufkommen müssen. Es kann aber auch sein, dass die Prostituierten bald noch weniger von ihrem Dirnenlohn bekommen. Es gibt jedenfalls einige Hinweise aus Landkreisen, dass Zuhälter das Wohnen von Dirnen schon als zusätzlichen Markt entdecken. Welche Absteigen dann für viel Geld an die Frauen vermietet werden, wird sich zeigen. Wenn nicht überhaupt Wohnadressen fingiert werden. Dies sind Fragen, die sich im Übrigen auch die Fachleute stellen.

„Im Grundsatz ist das Gesetz ein Fortschritt“, sagt Albrecht Stadler, der zuständige Abteilungsleiter des Ordnungsamts. „Es regelt einen Bereich, der dringend der Regelung bedarf.“ So unterliegen künftig alle Betriebsformen im Rotlichtgewerbe der Kontrolle. Auch Terminwohnungen, bei denen eine oder mehrere Einheiten zusammengefasst zu Sexdienstleistungen genutzt werden und die einen großen Teil des Angebots ausmachen. „Da hatten wir bisher keine Handhabe“, sagt Stadler. „Jetzt dürfen wir dort auch durchsuchen.“ Diese Neuerung findet auch Bordellbetreiber Heer gut. Damit liege der Fokus nicht mehr nur auf der überschaubaren Zahl von Laufhäusern im Leonhardsviertel, die als gewerbliche Zimmervermieter bereits kontrolliert werden.

Im Detail ist die Sache kompliziert

Im Detail ist die Sache kompliziert. Noch am einfachsten ist die künftig allen Prostituierten vorgeschriebene Gesundheitsberatung. „Schon bei der Anmeldung wird’s aber pikant“, sagt Martin Priwitzer vom städtischen Gesundheitsamt. So heißt es in dem Gesetzestext, die Anmeldung werde versagt, „wenn Anhaltespunkte vorliegen, dass die Person von Dritten durch Ausnutzung einer Zwangslage, ihrer Hilflosigkeit oder ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Prostitution veranlasst wird oder werden soll oder diese Person von Dritten ausgebeutet wird oder werden soll“. Aber wie stellen die Mitarbeiter der Stadt das fest?

Der Stuttgarter Verein „Sisters – für den Ausstieg aus der Prostitution“ hat das Gesetz in einem Positionspapier interpretiert. Dort heißt es, die Anmeldung richte sich „an den Kompetenzen einer freiwilligen, selbstständigen und eigenverantwortlich handelnden Prostituierten“ aus. Von dieser sei zu erwarten, dass sie die Anreise selbst organisiere, den Ort ihrer Tätigkeit selbst wähle und die Anmeldung sprachlich bewältigen könne.

Die zuständigen Ämter stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Das beginnt bei der Kontrolle der nun per Gesetz festgeschriebenen Kondompflicht beim käuflichen Sex. Soviel immerhin steht fest: „Der Betreiber muss dafür sorgen, dass Kondome ausliegen“, sagt Stadler. Was ihm eher Kopfzerbrechen bereitet, ist eine Ausnahmeregelung, die das Gesetz für einen heute eher raren Typus von Prostituierten vorsieht: die alleine auf eigene Rechnung in ihrer Wohnung tätige Hure. Die darf weiter wie bisher ihrem Geschäft nachgehen, ohne Trennung von Arbeit und Wohnen. Die Experten fürchten, dass das Gesetz hier ein Schlupfloch bietet. „Wenn eine Frau sagt, sie sei alleine tätig, müssen wir das nachweisen“, sagt Stadler. „Diesen Nachweis hätten wir uns gerne erspart.“ Deshalb warte man „händeringend, dass die Landesregelungen kommen“, sagt der Abteilungsleiter. „Wir bewegen uns noch im Vagen“, stellt Martin Priwitzer vom Gesundheitsamt fest.

Aber es sieht so aus, dass die Richtlinien des Landes erst im Laufe des Juni oder sogar erst im Juli vorliegen werden. Da tritt das Gesetz aber in Kraft, mit einer Übergangszeit von einem halben Jahr. Die Stadtverwaltung wird für die notwendigen Entscheidungen und Vorbereitungen noch Monate benötigen. „Wir brauchen diese Übergangsfrist“, das ist für Stadler keine Frage.