Mansour Niazi, Obeda Bazzi und Mohamad Sheikh (von links) packen vor ihrer Lieferrunde die Lebensmittel in Taschen. Foto: Frank Eppler

Menschen mit Fluchterfahrung brauchen Hilfe – sie können aber auch anderen helfen. Das zeigt das Projekt „Tafel to go“, bei dem junge Geflüchtete im Raum Backnang ehrenamtlich bedürftige Menschen mit Lebensmitteln beliefern.

Backnang - Als Obeda Bazzi kurz nach 19 Uhr den weißen Kastenwagen parkt, haben er und seine Mitfahrer einen geschäftigen Nachmittag hinter sich. Gut zwei Stunden lang sind sie kreuz und quer durch Backnang und umliegende Gemeinden gefahren. Und haben gemäß einer Liste große, mit Lebensmitteln gefüllte Taschen kostenlos an Menschen geliefert, bei denen das Geld durch die Corona-Pandemie ganz besonders knapp ist: Zum Beispiel, weil sie in Kurzarbeit sind, ihr Aushilfsjob gestrichen wurde, oder weil sie für einige Zeit nicht im Tafelladen einkaufen konnten, da dieser geschlossen war.

„Mutadamin – Tafel to go“ nennt der Verein Kubus, dessen Vereinssitz in Fellbach ist, dieses Projekt, das von der Aktion Mensch mit 15 000 Euro unterstützt wird und gleich mehrere Ziele hat, wie der Projektleiter Jochen Schneider erklärt. „Wir wollen geflüchtete Jugendliche mit dem Konzept der Tafelläden und ehrenamtlicher Arbeit in Verbindung bringen“, sagt der 43-Jährige, der im Raum Backnang lebt. Zudem bieten der Verein Kubus und sein Kooperationspartner Pyramidea e.V. jungen Geflüchteten so die Möglichkeit, aktiv zu werden und etwas zurückzugeben an die Gesellschaft. Doch Jochen Schneider hat noch eine weitere Zielgruppe im Kopf: Die der Belieferten. Manche dieser Menschen hätten eventuell Vorbehalte gegenüber Geflüchteten, sagt er. „Sie können diese Leute als Helfer kennen lernen.“

Ein Stamm von 15 Helferinnen und Helfern

Mohamad Sheikh, Obeda Bazzi und die Geschwister Mansour und Anila Niazi gehören zum Stamm der 15 jungen Leute im Alter von 15 bis Anfang 30, die regelmäßig einige Stunden ihrer Zeit für das Projekt opfern. An diesem Mittwoch haben sie sich bereits gegen Mittag mit Jochen Schneider zum Großeinkauf getroffen, kisten- und palettenweise Grundnahrungsmittel wie Reis, Nudeln, Salz, Konservendosen und Waschpulver geschleppt und diese gerecht auf 30 Taschen verteilt.

Anila Niazi ist an diesem Tag für die wenigen Spezialwünsche zuständig, welche die Belieferten bei Koordinator Jochen Schneider anmelden dürfen: ein Kilo frische Tomaten, eine Tüte Gummibärchen oder ein Pfund Bananen stehen zum Beispiel auf ihrer Einkaufsliste. Jochen Schneider hat unterdessen die optimale Route für die Auslieferungstour ausgetüftelt, eine Liste mit den Adressen und Telefonnummern der zu Beliefernden geschrieben und ausgedruckt und an jede Tasche die Namen der Empfänger gepinnt. „Ich komme mir manchmal wie ein Speditionskaufmann vor, nicht wie ein Sozialpädagoge“, scherzt er. Ein Mal, bisweilen auch zwei Mal pro Woche, liefert sein Team die schwarzen Taschen mit dem weißen Schriftzug „Mutadamin – Tafel to go“ im Raum Backnang an Bedürftige aus. Kundschaft der Tafeln kann mit ihrem Berechtigungsschein ihren Anspruch nachweisen, wer keinen Tafelausweis hat, benötigt die Empfehlung eines sozialen Diensts oder eines Amtes, um in den Genuss einer Lieferung zu kommen.

Möglichst viele sollen eine Tasche bekommen

Die sei als einmaliger Service gedacht, erklärt Jochen Schneider: „Ich beliefere lieber 300 verschiedene Menschen mit einer Tasche, als 50 Menschen mit sechs. Es sollen möglichst viele Leute in den Genuss einer Tasche kommen.“ Sollten die insgesamt zur Verfügung stehenden 15 000 Euro jedoch zum Projektende im Oktober nicht aufgebraucht sein, dann könnte es sein, dass die „Tafel-to-go“-Mannschaft auch noch ein zweites Mal an der ein oder anderen Wohnungstür klingelt und den Bewohnern eine Überraschung beschert.

„Das Projekt macht Spaß, die Leute freuen sich, wenn sie eine Tasche bekommen“, sagen der 16-jährige Mansour Niazi und der ein Jahr jüngere Mohamad Sheikh, der zum ersten Mal bei einer Liefertour dabei war – aber bestimmt nicht zum letzten Mal.