Elisabeth Ngo Ndjock, Awali Oumorou und Abdalkader Abdalkader mit ihren ihrer Chefin Christina Betsch Chefs Betsch, Haisch und Funke (v.l.) Foto: Funke

Unternehmen suchen dringend Fachkräfte. Mit Flüchlingen als Auszubildende machen viele positive Erfahrungen. Doch wie es nach der Lehre weitergeht, ist ungewiss.

Stuttgart - Rund 1400 Flüchtlingen in Stuttgart droht derzeit die Abschiebung. Davon haben etwa 50 haben eine sogenannte Ausbildungsduldung: Sie können eine begonnene Lehre abschließen und danach zwei Jahre im erlernten Beruf arbeiten. Theoretisch haben sie dann die Chance, in Deutschland zu bleiben. Um Flüchtlingen im Asylverfahren diese Perspektive zu bieten, hat der Caritasverband Stuttgart das Projekt ZIFA-Jobcoaching gestartet: die zielgerichtete Integration von Flüchtlingen in Arbeit oder Lehrstellen. Sitz des Teams ist die Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Bürgerhospital in S-Nord. Bei 30 Prozent von rund 100 Teilnehmern pro Jahr klappt die Vermittlung. Drei Beispiele für den Erfolg des Projekts:

„Wir sind froh, dass wir ihn haben“

Abdalkader Abdalkader hat nicht sofort Zeit fürs Gespräch. „Ich muss noch zwölf Kisten stapeln“, sagt der 31-jährige in perfektem Deutsch. In Syrien hat er Betriebswirtschaft studiert, mit dem Bachelor abgeschlossen. Er ist vor gut drei Jahren vor dem Bürgerkrieg geflüchtet und kann sich vorstellen, in die Heimat zurückzukehren. „Dort sind meine Wurzeln“, sagt er. Auf dem Großmarkt in Wangen macht Abdalkader bei dem Obst- und Gemüsegrossisten Werner Ebert ein 18-monatiges Praktikum, erhält dann von der IHK die Anerkennung als Bürokaufmann und wird fest angestellt. „Kaum jemand ist bereit, morgens um 2 Uhr auf dem Großmarkt zu arbeiten. Abdalkader ist pünktlich und zuverlässig. Wir sind froh, dass wir ihn haben“, sagt Werner Funke, stellvertretende Betriebsleiter. Sieben Flüchtlinge arbeiten bei dem Grossisten. Da es „nichts zu verlieren gibt, wir ein soziales Unternehmen sind und ein Anreiz war, dass das Jobcenter ein halbes Jahr 50 Prozent des Gehalts übernimmt“, hat die Firma bei dem Caritas-Projekt mitgemacht. Wichtig für den Einstieg in den Job war, dass alle Flüchtlinge Deutsch konnten. Funke: „Abdalkader hat die Sprache sehr schnell gelernt.“ Nur in einem Fall ging es schief: Ein Gambier, laut Funke „ein guter Arbeiter“, hatte mit dem Lernen solche Probleme, dass es für die Berufsschule nicht reichte. Die Firma wollte ihn trotzdem halten, hat einen Sprachkurs bezahlt. Nachdem ihm Aufenthaltgenehmigung entzogen wurde, ist er aus Angst vor Abschiebung abgetaucht.

„Tüchtig und lernbegierig“

„Angst vor Abschiebung: Die hat auch Elisabeth Ngo Ndjock. Sie stammt aus Nigeria, macht in einem Pflegeheim der Caritas in Stuttgart-Rot eine vierjährige Hauswirtschaftslehre. Vier Jahre, weil im ersten Jahr vor allem Deutsch gelernt wird. Richtig los mit der Ausbildung geht es im zweiten Lehrjahr. Das Deutsch der 31-Jährigen ist gut, aber nicht so gut, dass sie fehlerfrei schreiben und in ihrem gelernten Beruf als Sekretärin arbeiten kann. Im Caritas-Projekt hat sie einen Eignungstest gemacht und erhielt den Vorschlag, eine Ausbildung zur Altenpflegerin zu machen. Wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten kam das für die Alleinerziehende nicht in Frage. Alternativ macht sie die Hauswirtschaftslehre. Ihre Chefin Christina Betsch ist hochzufrieden mit ihrer Auszubildenden. „Sie ist tüchtig und will alles lernen“, stellt sie fest. Und sie sagt: „Flüchtlinge nehmen niemandem den Job weg. Wir müssen in der Pflege so froh sein, wenn jemand wie Frau Ngo Ndjock gut und gern in dem Bereich arbeitet.“ Alle sechs Monate muss die Nigerianerin wie die anderen Flüchtlinge im Asylverfahren ihre Aufenthaltsgestattung erneuern. Während der Lehre und zwei Jahre danach klappt das in der Regel. Aber dann? Ngo Ndjock zuckt mit den Schultern. Sie ist vor der Terrormiliz Boko Haram geflüchtet und will in Deutschland bleiben.

„Ein Spitzenmann im Team“

„Wir hoffen, das wir unsere Flüchtlinge nach der Ausbildung dauerhaft weiterbeschäftigen können“, sagt Andreas Haisch, Leiter der Abteilung Instandhaltung bei der Weilimdorfer Firma Bauder, die Dachsysteme herstellt. Das Unternehmen klagt ebenfalls über Fachkräftemangel. Mit Awali Oumorou aus Togo habe er einen „Spitzenmann im Team“. Oumorou hat zunächst die Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer bei Bauder gemacht. Jetzt sattelt der 31-Jährige den Industriemechaniker drauf. Das Unternehmen mit 1100 Mitarbeitern bildet regelmäßig Flüchtlinge aus. „Wir sind ein Familienunternehmen in vierter Generation. Die Chefs sind ausgesprochen sozial “, begründet auch Haisch das Engagement. Oumorou ist seit gut drei Jahren in Deutschland, spricht ausgezeichnet Deutsch. „Sonst würde ich in der Schule nicht mitkommen“, weiß er und hat sich selbst per Internet zusätzlich zu den Sprachkursen viel beigebracht. In Togo hat er drei Jahre Betriebswirtschaft studiert, brach ab, weil er die Familie ernähren musste. Über die Gründe für seine Flucht spricht er nicht. „Awali ist genau der Richtige für uns. Er baut jede Maschine auseinander und präzise wieder zusammen“, lobt Haisch. Nach der Ausbildung ist ihm die Festanstellung sicher. Würde Oumorou abgeschoben, wäre das ein herber Verlust für das Unternehmen. Die Ausbildung des 31-Jährigen ist exakt auf die Maschinen der Firma abgestimmt.

Gefördert wird das Caritas-Pojekt vom Bischöflichen Ordinariats mindestens noch weitere drei Jahre. Das Caritas-Team arbeitet mit rund 20 Unternehmen enger zusammen. „Wichtig ist uns, individuell auf die Kompetenzen der Flüchtlinge einzugehen. Wir wollen nicht schnell, sondern dauerhaft vermitteln“, sagt Projektleiterin Anke Beiderhase. Weil laut Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) die Ausbildung häufig an den Deutschkenntnissen scheitert, plant die Stadt mit dem Jobcenter, an Wochenenden Sprachkurse für Flüchtlinge anzubieten und mit Paten zu arbeiten. Wölfle: „Im direkten Kontakt fällt es meist leichter, Deutsch zu lernen.“ Doch auch wenn es mit der Ausbildung geklappt hat, ist es ungewiss, ob die Menschen dauerhaft bleiben können. Das Dilemma laut Wölfle: „Auch Menschen mit guten Voraussetzungen, die wir hier dringend brauchen, können abgeschoben werden.“