Der Hölderlin-Turm in Tübingen wird am 15. Februar wiedereröffnet. Foto: i/mago stock&people

Im Südwesten finden viele hundert Veranstaltungen statt, darunter auch ein Musical und eine Oper. In Lauffen am Neckar eröffnet ein neues Museum, der Turm in Tübingen erhält eine völlig neue Ausstellung.

Stuttgart - In diesem Jahr gibt es keine Ausreden mehr: Wer Friedrich Hölderlins Dichtung bisher gemieden hat, weil sie zu schwer, zu rätselhaft oder zu pathetisch sei, der kann nun zum 250. Geburtstag in mehr als 600 Veranstaltungen herausfinden, dass Hölderlins Dichtung sehr leicht, unglaublich vielfältig und fast immer wunderschön sein kann. Thomas Schmidt vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach ist der große Koordinator in Sachen Hölderlinjubiläum; er hat es geschafft, alle Lesungen, Konzerte und Ausstellungen in ein Konzept zu gießen und unter ein Logo zu stellen: „Ich bin geradezu geflasht“, sagt Schmidt ganz hölderlinuntypisch, „welche Flut an Terminen zwischen Barcelona und Wien zustande gekommen ist.“ Mittendrin liegen, geografisch wie emotional: die drei Hölderlin- und Neckarstädte Lauffen, Tübingen und Nürtingen.

Jede Generation entdeckt ihren Hölderlin neu. Im Nationalsozialismus wurde er als billiger Patriot missbraucht. Seine Ode „Tod fürs Vaterland“ wurde bewusst falsch interpretiert; für die Soldaten gab man eine Feldausgabe mit den „vaterländischen Gesängen“ heraus. Beim 200. Geburtstag 1970, so zeigt ein Blick ins Archiv, stand der revolutionäre Geist Hölderlins im Vordergrund – kein Wunder zwei Jahre nach den 68er-Unruhen. Peter Weiss schrieb damals ein linkes Lehrstück über Hölderlin und rückte ihn, was bei näherer Betrachtung gar nicht so weit hergeholt ist, in die Nähe von Karl Marx. Stichwort: Utopie einer neuen Gesellschaft.

Jubiläum stellt die Frage nach dem Sinn der Literatur

Und 2020? Zumindest teilweise findet diese Sichtweise eine Fortsetzung, auch wenn sie ganz andere Schattierungen birgt. In Lauffen am Neckar, der Geburtsstadt Hölderlins, arbeiten Götz Schwarzkopf und weit über 100 weitere Akteure seit drei Jahren an dem Musical „Hölder“, das auch in Jena, Bad Homburg und anderen Städten, die zu Hölderlin einen Bezug haben, aufgeführt wird. Darin werden Gegenwart und Hölderlins Zeit vermischt, und die zentrale Frage lautet: Was würde Hölderlin heute tun? Derzeit rebellieren junge Menschen bei Fridays-for-Future-Demos gegen das Establishment, wir leben in einer Zeit der Umbrüche – und auch Aufbrüche?. „Wir wenden uns bewusst an junge Menschen, weil wir überzeugt sind, dass Hölderlin uns auch heute noch viel zu sagen hat“, so Schwarzkopf.

Auch das Theater Lindenhof in Melchingen, für das Hölderlin immer ein Leitautor war, wird mit einer neuen Inszenierung durchs Land touren – mit Sicherheit wird dabei das Aufbegehren, die Revolte eine Rolle spielen. Und die Ausstellung der Württembergischen Landesbibliothek, wo der Nachlass liegt und das für jeden Hölderlinforscher der Nabel der Welt ist, heißt programmatisch „Aufbrüche – Abbrüche“. Thomas Schmidt zieht die Perspektive von 2020 aber viel weiter – in den Veranstaltungen werde insgesamt diskutiert, was Literatur für uns noch bedeutet: „Wie wichtig wird die Kulturtechnik Literatur in Zukunft überhaupt noch für die Kultur sein?“, so die zentrale Frage.

In Lauffen eröffnet ein ganz neues Hölderlin-Museum

Ein überragender Programmpunkt im Hölderlinjahr ist die Eröffnung des neuen Museums im sanierten mutmaßlichen Geburtshaus Hölderlins in Lauffen, standesgemäß zum Geburtstag am 20. März. Es hat lange gedauert, bis die Stadt das Haus in ihren Besitz bringen und zum authentischen Gedenkort umbauen konnte. In Tübingen ist die Ausstellung im Turm, wo Hölderlin, wohl geistig umnachtet, 36 Jahre seines Lebens zubrachte, neu konzipiert worden – die Wiedereröffnung am 15. Februar ist zugleich der offizielle Auftakt des Veranstaltungsreigens. Daneben wird in Tübingen extra eine Oper mit dem Titel „Der Thurm“ entstehen; Komponist ist Markus Höring.

Gegenüber Lauffen und Tübingen fällt das Programm in Nürtingen, das Hölderlin selbst als seine Heimatstadt bezeichnet hat und wohin er nach all seinen gescheiterten Versuchen eines selbstbestimmten Lebens stets zurückkehrte, doch ab. Aufgrund von Querelen und Geldnot beginnt die Sanierung des mütterlichen Hauses erst; es bleibt im Jubiläumsjahr Baustelle. Mit Ausnahme einer Geburtstagsrevue fehlen dort auch sonst die ganz großen Glanzlichter. Insgesamt aber bietet dieses Jubiläumsjahr alles, was das Herz begehrt. Vielleicht wäre selbst der so unglückliche Hölderlin in seinem unbedingten Idealismus ein wenig glücklich gewesen, wenn er sehen könnte, wie sich ein ganzes Land vor ihm verneigt. Und zwar ganz tief.

Einige Höhepunkte des Hölderlin-Jubiläumsjahres

13. Februar bis 20. März
: Die Fotografin Barbara Klemm zeigt im Nürtinger Rathaus ihre Ausstellung „Hölderlins Orte“; diese ist dann auch in anderen Städten zu sehen.

15. Februar
: Ministerpräsident Winfried Kretschmann leitet das Jubiläum in Tübingen ein. Dort wird die neue Ausstellung im Turm eröffnet.

20. bis 23. Februar
: Das Musical „Hölder“ wird in der Stadthalle Lauffen uraufgeführt. Es ist anschließend in vielen weiteren Städten in Deutschland zu sehen.

19. März bis 29. November:
Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach startet mit seiner Ausstellung „Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist anwesend.

20. März:
In Lauffen wird das mutmaßliche Geburtshaus Hölderlins nach einer umfangreichen Sanierung als Museum eröffnet.

20. bis 23. Februar
: Das Musical „Hölder“ wird in der Stadthalle Lauffen uraufgeführt. Es ist anschließend in vielen weiteren Städten in Deutschland zu sehen.

21. April bis 15. August:
Die Landesbibliothek in Stuttgart zeigt ihre Ausstellung „Aufbrüche – Abbrüche“.

1. bis 31. Mai
: Die Schwetzinger Festspiele widmen ihre Konzerte unter dem diesjährigen Motto „Ideale“ Friedrich Hölderlin und Ludwig van Beethoven.

Der Literatursommer stellt Hölderlin und auch Hegel in den Mittelpunkt, der auch 250 Jahre alt geworden wäre.

7. November:
Den Abschluss des Jubiläumsjahres bildet im Staatstheater Stuttgart eine Hölderlinnacht, an der alle Sparten mitmachen.