Noch absolviert Prinz Harry öffentliche Auftritte. Foto: AFP/BEN STANSALL

Angesichts des Medien-Tsunamis nach ihrer Rücktrittsankündigung blieben die Sussex’ seltsam still. Jetzt holt sich Prinz Harry die Deutungshoheit über seine Geschichte zurück – und offenbart die Wunden, die der Schritt schlägt.

London - Blass um die Nase ist Prinz Harry, als er ans Mikro tritt. Die Anspannung der vergangenen Tage ist dem 35-Jährigen anzusehen. Doch eines merkt man, wenn man sich das Video seiner Ansprache bei einem Dinner für seine Wohltätigkeitsorganisation „Sentebale“ in London vom Sonntag ansieht: Der Prinz will endlich seine Sicht der Dinge kundtun. „Ich kann mir vorstellen, was Sie über mich gehört und gelesen haben“, beginnt Harry. „Ich will, dass Sie die Wahrheit von mir hören. Nicht als Prinz, nicht als Herzog, sondern als Harry – den Menschen, den viele von Ihnen haben aufwachsen sehen.“

Viel wurde seit dem 8. Januar über ihn gesprochen – seit dem Tag, als Harry und seine Frau Meghan der Öffentlichkeit mitteilten, dass sie nicht länger zur ersten Riege der Royals gehören wollten. Die Bekanntgabe, von der „Sun“ auf den griffigen Namen „Megxit“ gebracht, löste einen Medien-Tsunami aus. Anschließend blieben die Sussex’ seltsam still, beinahe unbeteiligt. Meghan flüchtete nach Kanada, Harry blieb zwar, aber beide ließen lieber den Buckingham Palace und die Queen für sich sprechen. Beim Sentebale-Dinner fand Harry nun aber seine Sprache wieder.

Einmal mehr zeigte sich, dass der Prinz dann am stärksten ist, wenn er sich authentisch gibt. Er betonte, dass er immer noch der Harry sei, den die Briten seit Jahren kennen – und der an Beliebtheit lange nur von seiner Großmutter übertroffen wurde. So machte Harry seiner Heimat dann auch eine emotionale Liebeserklärung: „Das Vereinigte Königreich ist mein Zuhause, ein Ort, den ich liebe. Das wird sich nie ändern. Ich bin in dem Gefühl aufgewachsen, dass so viele von Ihnen mich unterstützen.“

Den „harten ‚Megxit’“ wollten die Sussex’ vermutlich nicht

Der Prinz machte aber auch keinen Hehl daraus, dass er enttäuscht ist von der Wendung, die das königliche Familiendrama am Wochenende nahm. Den Sussex’ hatte eine Art Hybrid zwischen royaler Rolle und Privatperson vorgeschwebt – das Statement, das der Buckingham Palace am Samstag veröffentlichte, offenbart, dass daraus nichts wird. Queen Elizabeth II. zeigte zwar Verständnis für das Paar, stellte aber auch klar, dass es royale Rosinenpickerei mit ihr nicht geben werde. Harry und Meghan müssen nicht nur den Titel HRH („His/Her Royal Highness“) ruhen lassen, sie werden auch keine offiziellen Aufgaben für die Krone mehr übernehmen. Es ist, um im Bild zu bleiben, ein „harter ‚Megxit’“, den die Sussex’ so vermutlich nicht wollten.

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Besonders hart muss es Prinz Harry treffen, dass er künftig auch keine Aufgaben für das britische Militär mehr übernehmen darf. „Wir hatten gehofft, dass wir der Queen, dem Commonwealth und meinen Militärorganisationen weiter dienen können – ohne dafür öffentliche Gelder zu bekommen“, betonte Harry in seiner Rede. Der Prinz war seit dem Ersten Weltkrieg der erste hochkarätige britische Royal, der in einen Krieg zog. Auf seine Einsätze in Afghanistan ist der 35-Jährige besonders stolz. Als Harry 2015 aus dem Militär ausschied, hatte er den Rang eines Captain erreicht. Für Kriegsversehrte rief der Prinz vor ein paar Jahren die „Invictus Games“ ins Leben. Als Schirmherr wird er dem Sportwettbewerb sicher treu bleiben – aber einen Harry in Uniform wird man vermutlich künftig nicht mehr sehen.

Harry, nicht Meghan war die treibende Kraft

Viele Medien haben Meghan als die treibende Kraft hinter dem Rückzug ausgemacht. In seinem nur wenige Minuten langen Statement versuchte Harry offensichtlich, diese Sichtweise zu revidieren: „Die Frau, die ich als meine Ehefrau gewählt habe, steht für die selben Werte wie ich.“ Meghan sei immer noch die „selbe Frau, in die ich mich verliebt habe“. Nach der Hochzeit seien Meghan und er hoffnungsvoll gewesen, sie hätten sich auf die Aufgaben gefreut, die sie im Dienste der Krone erfüllen sollten. „Es macht mich daher sehr traurig, dass es nun so kommen musste.“ Dann folgt ein Satz, den Harry vermutlich sehr bewusst gewählt hat: „Die Entscheidung zurückzutreten, die ich für uns getroffen habe, ist mir nicht leichtgefallen.“ Ich, nicht wir – Harry, nicht Meghan.

Monatelang habe man intern darüber gesprochen – nach Jahren „voller Herausforderungen“. Prinz Harry hat schon häufiger (und lange bevor Meghan auf der Bildfläche erschien) über sein angespanntes Verhältnis zu den Medien gesprochen, über die psychischen Probleme, die der frühe Tod seiner Mutter Diana in ihm auslöste. „Als ich vor 23 Jahren meine Mutter verlor, haben Sie mich unter Ihre Fittiche genommen. Sie haben auf mich aufgepasst – aber die Medien sind eine mächtige Kraft.“ Harry ist entschlossen, seine Familie, Meghan und den acht Monate alten Archie, vor der Journalistenmeute zu bewahren, die in den 1990er Jahren das Leben seiner Mutter unerträglich machte und die schließlich eine Mitschuld an ihrem Tod trug.

Interessant ist aber auch, über was Harry nicht sprach: Wie sich das Paar seine finanzielle Unabhängigkeit vorstellt nämlich, und wer künftig für die Security aufkommt, wenn die Sussex’ ihren Lebensmittelpunkt in Kanada oder sogar den USA haben sollten.

Nur noch wenige Monate, dann wird man die Sussex’ im royalen Zusammenhang vermutlich nur noch sehen, wenn bei den Windsors Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen anstehen. Sogar über ihrer Teilnahme an „Trooping the Colour“, der offiziellen Geburtstagsparade der Queen, steht ein Fragenzeichen. „Wir laufen nicht weg, und wir laufen ganz bestimmt nicht vor Ihnen weg“, betonte Prinz Harry. Er und Meghan würden ihr Leben weiterhin in den Dienst der Gesellschaft stellen, „da ändert sich nichts“. Dennoch fühlt es sich wie ein Abschied an – jetzt mehr denn je.