Ein Bild der Verwüstung in der Stuttgarter Innenstadt Foto: AFP/THOMAS KIENZLE

Weltweit blickte die Presse am Sonntag auf Stuttgart. Von „Irrsinn“ und „mangelndem Respekt“ war in Kommentaren die Rede, aber auch dass es Jugendgewalt immer gegeben habe.

Stuttgart - Weltweit ist auf die Krawallnacht von Stuttgart geblickt worden. Bei den BBC-World-News war am Sonntag die Nachricht unter der Schlagzeile „Gangs smash shops and attack police“ sogar auf Platz drei nach Berichten über eine Terrorattacke und Donald Trump. Auch das Medienecho ist gewaltig. Im Folgenden einige Stimmen aus der Presse.

Die „Welt“: Nichts ist hinzunehmen

Die Tageszeitung „Die Welt“ schreibt in ihrer Online-Ausgabe: „Gewalt zieht viele in ihren Bann, wenn sie einmal losgebrochen ist. Das gab es schon zu Adenauers Zeiten, man erinnert sich an verwüstete Hallen und Stadien nach Rock-’n’-Roll- und Rock-Konzerten. In kleinerem Maßstab als nun in Stuttgart, ohne Plünderungen und gezielte Angriffe auf die Polizei, sind Ausschreitungen bei vielen Kirmesveranstaltungen oder Umzügen leider nicht ungewöhnlich. Drei Monate erzwungene Passivität durch die Corona-Beschränkungen senken heute die Hemmschwelle.

Hinzunehmen ist nichts davon. Hinzunehmen ist vor allem nicht die zunehmende Beschuldigung, ja Verleumdung der Polizeikräfte, die das Recht durchsetzen und die Ordnung wiederherstellen sollen, wenn Menschen außer Rand und Band geraten.(...)

Polizisten stehen nicht außerhalb jeder Kritik. Aber weltanschaulich motivierte Verleumdungen ebenso wie die Romantisierung von Gewaltausbrüchen als politisch nachvollziehbare Emotion sind das Gegenteil dessen, was zu tun wäre, damit Szenen wie in Stuttgart möglichst ausbleiben.

Die „NZZ“: Man drückt die Augen zu vor linker Randale

Die „Neue Züricher Zeitung“ (NZZ) schreibt in ihrer Online-Ausgabe: „SPD und Grüne (und die Linkspartei sowieso) drücken bei linker Randale und Gewalt nicht nur regelmäßig beide Augen fest zu, sie bekennen sich sogar als «Antifa»-Sympathisanten. Und zusammen mit den Unionsparteien und der FDP stehen sie ratlos vor dem Problem, dass bei weitem nicht alle, aber leider mehr als eine Handvoll junger Männer mit Migrationshintergrund dem deutschen Staat und seinen Ordnungshütern ablehnend bis feindselig gegenüberstehen. Man sieht diese Verachtung in den Videos aus Stuttgart, man hört sie im migrantisch dominierten deutschsprachigen Gangsta-Rap, man kann sie regelmäßig im Auftreten der Zehntausende Mitglieder zählenden kriminellen Großfamilien im Land erleben. Man muss all das aber auch sehen, hören und erleben wollen.

Solange dieser Wille fehlt und solange die bürgerlichen und moderat linken Kräfte des Landes stattdessen zuschauen, wie linksradikale Gewalt kleingeredet und -geschrieben wird und Polizisten als potenziell rassistische Gewalttäter unter Generalverdacht gestellt werden, so lange werden sich AfD-Politiker als vermeintliche «Klartext»-Redner inszenieren können. Man spielt nicht das Spiel dieser Partei, wenn man die gesellschaftlichen Verwerfungen, von denen sie lebt, auf eine differenzierte Weise anspricht und zu lösen versucht. Im Gegenteil.

Man hilft, Vorurteile abzubauen: gegen die große Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund, die sich nichts zuschulden kommen lässt und ein Gewinn fürs Land ist, und gegen die Polizisten, die die Verachtung der Minderheit in Form von Worten, Fäusten und Pflastersteinen zu spüren bekommen.

„Badische Zeitung“: ein Angriff auf unsere Werteordnung

„Die Randale fällt wohl nicht zufällig in eine Zeit, in der Polizisten sich von manchen Politikern pauschalen Verdächtigungen ausgesetzt sehen und in einem Medium, angeblich satirisch, mit „Müll“ gleichgesetzt wurden. Es gibt eine schleichende Verschiebung des Diskurses, die mit einer scheinbaren Legitimation von Gewalt gegen Sachen und Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols daherkommt. (...) Die Taten von Stuttgart sind durch nichts zu rechtfertigen oder zu relativeren. Mit politischem Aktivismus haben die Randale nichts zu tun. Sie sind, ausgetragen auf dem Rücken von Ladenbesitzern und Polizisten, ein Angriff auf unsere Werte- und Gesellschaftsordnung. Und sie besudeln das Andenken an die wirklichen Opfer von Rassismus.“

Die „Allgemeine Zeitung“: ein Irrsinn

Die „Allgemeine Zeitung aus Mainz schreibt: „Wer oder was ist verantwortlich für diesen Irrsinn? Migranten und Linke, sagen - Überraschung! - die AfD und ihre Gefolgschaft. Ein junges, männliches Partyvolk, bei dem Gruppendynamik und zu viel Alkohol im Spiel waren und das sich mit Internet-Filmen produzieren wollte, vermutet der Stuttgarter OB. Schuld sei die zunehmende Respektlosigkeit vor Einsatzkräften, sagen Polizeigewerkschaften und Konservative. Und im Netz wird diskutiert über eine zwangsläufige Reaktion auf die Diskriminierung von Minderheiten oder Fehlverhalten von Polizisten. Erklärungsversuche sind nach einer solchen Nacht nachvollziehbar. Die Gewalt aber für politische Zwecke zu missbrauchen, wie es die AfD tut, ist angesichts der Verletzten und des zerstörten Eigentums geschmacklos.

„Reutlinger Generalanzeiger“: Respekt geht verloren

Der „Reutlinger Generalanzeiger“ schreibt: „An der grundsätzlichen Problematik werden Gefängnis, Geldbußen und soziale Dienste nur unwesentlich etwas ändern. Wir sehen gesellschaftliche Veränderungen im In- wie im Ausland. Mehr Menschen sehen Gewalt als Mittel, um ihre Unzufriedenheit ausdrücken. Dabei geht häufig jeglicher Respekt vor dem Eigentum anderer Menschen und auch vor dem Staat und seiner Vertreter verloren. Gewalt fängt im Kleinen an, oft schon in der Sprache. Dem gilt es, entgegenzutreten. Es ist ein Problem, das uns alle angeht und an dem wir alle arbeiten müssen.“