Ringer-Weltmeister Frank Stäbler und seine Verlobte Sandra Musch bei der Premierenparty im Weltweihnachtscircus. Foto: Lichtgut/ Oliver Willikonsky

Eine Pyramide aus halbnackten Artisten bei Eiseskälte auf dem Schlossplatz, Debatten um das Wohl von Seelöwen: Der Weltweihnachtscircus ist in der Stadt – und sorgt für viel Gesprächsstoff. Nach der stürmisch umjubelten Premiere war bei der Party der Ärger um den geschassten Clown und um Wildtiere vergessen – aber nur fast.

Stuttgart - Richy Müller, der Kommissar im Stuttgarter „Tatort“, musste nicht lange überlegen, welche Nummer in der an Höhepunkten reichen 24. Show des Weltweihnachtscircus auf dem Wasen ihm am besten gefallen hat. „Die Seelöwen!“, sagt der 61-Jährige und strahlt mit kindlicher Freude.

Schade nur, dass man keinen der watschelnden Fischliebhaber aus der Familie der Ohrenrobben persönlich befragen kann, ob es Probleme gibt. Zum Start der neuen Spielzeit hat Cornelie Jäger (Grüne), die Tierschutzbeauftragte des Landes, die Haltung der ihre Europa-Premiere feiernden Seelöwen aus Russland als „sehr, sehr problematisch“ bezeichnet. Es sei „schlichtweg nicht möglich“ den artgerechten Bewegungsdrang dieser Tiere in einem Zirkus zu ermöglichen. Arnulf Woock, der Sprecher des Weltweihnachtscircus, bedauert, dass sich die Kritiker nicht selbst ein Bild vor Ort machen. Laut Gesetz sind bei vier Seelöwen ein Pool in der Größe von 50 Quadratmetern erforderlich. „Das Becken auf dem Wasen ist etwa 180 Quadratmeter groß“, sagt er.

Die neue Spielzeit hat den Chef Nerven gekostet

Sollten Wildtiere im Zirkus generell, also auch auf dem Wasen, verboten werden? Am 16. Dezember wird sich im Wirtschaftsausschuss zeigen, ob eine Gemeinderatsmehrheit dem Willen von Grüne, SPD und SÖS/Linke folgt. Dann müsste in einer Übergangsfrist der Weltweihnachtscircus von 2020 an ganz ohne Wildtiere auskommen. Dessen Produzent Henk van der Meiyden warnt davor, alle Zirkusbetriebe über einen Kamm zu scheren. „Wenn es verheerende Zustände in einem Restaurant gibt, werden auch nicht alle Restaurants geschlossen“, sagt er nach der stürmisch bejubelten Premiere. Der 79-Jährige ist ein Zirkusmann durch und durch. „Ich bin erst glücklich, wenn alle bei uns glücklich sind- die Menschen wie die Tiere“, versichert er.

Kurz vor Mitternacht tritt van der Meiyden bei der Premierenparty ans Mikrofon, um sich bei den Mitwirkenden rund um den Globus zu bedanken, bei den Schwanensee-Akrobaten aus China ebenso wie beim neuen Moderator Martin Bukovsek aus Stuttgart. Sichtlich erleichtert ist er. Die neue Spielzeit hat den Chef Nerven gekostet. Dass er den Clown David Larible aus dem Programm nehmen musste, schmerzt ihn.

„Ich war sehr naiv“, hat der Clown inzwischen im Schweizer Fernsehen erklärt. Larible hattte ein 14-jähriges Mädchen mit auf sein Hotelzimmer genommen – angeblich, um ihm ein Buch auszuhändigen. Dass es dabei zu Zungenküssen kam, wie von dem Mädchen behauptet, streitet er heftig ab. Der neue Clown Housch ma Housch erweist sich als Volltreffer. Eine junge Frau aus dem Publikum wird mit Hüftschwung und schrillen Schreien zu seiner so guten Mitspielerin, dass er Ringer-Weltmeister Frank Stäbler in Reihe eins mit einem Tuch die Augen verdeckt. Schließlich sitzt seine wunderbare Sandra Musch neben ihm, die er im nächsten Sommer heiraten will. Für diesen Abend hat sich der Sportler aus Musberg eine Auszeit genommen. Neunmal die Woche trainiert er – vor und nach der Arbeit. Weil an diesem Tag die ganze Stadt ein Stau ist, sind Sandra und Frank wie viele anderen zu spät gekommen. Krankheitsbedingt kann Stefanie Schuster von der Olgäle-Stiftung gar nichtkommen und keine Rede halten, wie sonst bei der Premiere üblich. Der Erlös geht aber erneut an kranke Kinder.

Die Promis sind begeistert

Weltweihnachtscircus ist, wenn alle strahlen. Unter den Jublern: das Magierpaar Roxanne & Topas,der Autor Wolfgang Schorlau, Wirtin Sonja Merz, das Comedy-Trio Eure Mütter, der Musiker Sam Baisch, der Blogger Patrick Mikolaj. Comedian Michael Gaedt ärgert sich über den Antrag im Gemeinderat, einem Zirkus mit Wildtieren die Spielgenehmigung zu verweigern. Engagiert plädiert er gegen ein generelles Verbot.

Und wer kümmert sich um das Wohl von Chinesen, die im Winter halbnackt auf dem Schlossplatz eine Pyramide bauen und dabei nur Schwanenfedern tragen? Der PR-Termin auf dem Weihnachtsmarkt war nur kurz. Rasch haben sich alle angezogen. Einen Glühwein wollte keiner. Wenn wir nur wüssten, was dazu die Seelöwen sagen.