Das neue Hotel in Feuerbach Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die britische Hotelkette Premier Inn eröffnet in Stuttgart drei Häuser, eines davon im Hotelturm vor der Stadtbibliothek. Kurz vor Inbetriebnahme des ersten Hotels in Feuerbach berichtet die Deutschland-Chefin Inge Van Ooteghem von den Plänen, die 100 000 Betten in ganz Deutschland vorsehen.

Stuttgart - Es gibt bessere Zeitpunkte, als mitten in der Corona-Krise ein Hotel zu eröffnen, ob hier oder anderswo. 26,3 Prozent Auslastung der Schlafgelegenheiten in Stuttgarts Beherbergungsbetrieben – das ist die aktuellste Zahl des statistischen Amts, die den Monat Juli widerspiegelt. Aber bei der britischen Hotelmarke Premier Inn plant man langfristig, sehr langfristig. „Ja, wir befinden uns in einer immens großen Krise, aber wir denken eher an 2023 und 2024 als an 2021. Wir wollen hier nicht nur für kurze Zeit sein“, sagt Inge Van Ooteghem, die Geschäftsführerin von Premier Inn Deutschland. Und man denkt groß, sehr groß: „Unser Ziel ist, in Deutschland 100 000 Zimmer zu haben.“ Das wäre nichts weniger als die Marktführerschaft bei den Budgethotels, deutlich vor Mitbewerbern wie Ibis und Motel One.

53 Standorte sind schon gesichert

Mehrere Hundert Premier-Inn-Hotels sind angepeilt. „Wir haben für 53 Standorte unterschrieben. Und wir wachsen und suchen nach weiteren Möglichkeiten für Übernahmen“, so Van Ooteghem. Anfang 2021 wird Premier Inn 25 Häuser in Deutschland in Betrieb haben. In Stuttgart stehen drei Hotels auf dem Plan, ein weiteres kommt nach Sindelfingen. Das in Feuerbach an der Heilbronner Straße mit 175 Zimmern eröffnet an diesem Freitag, Ende 2021 ein Hotel im Europaviertel mit 260 Zimmern. Dann gibt es ja noch diesen Komplex an der Heilbronner Straße, der im zweiten Quartal des kommenden Jahres eröffnet werden soll. Dort ist Premier Inn mit 144 Zimmer vertreten – in einem Bau, der die Stadtbibliothek verdeckt.

Inge Van Ooteghem kann den Ärger über die Stadtplanung verstehen. Die gebürtige Belgierin berichtet aus ihrer Heimatstadt Gent, wo es heftige Kritik am Neubau der Stadthalle gab, mit dem teilweise der Blick auf die Renaissancefassaden des Rathauses und des zum Weltkulturerbe gehörenden Belfrieds verstellt wird. Aber trotz der Unternehmensstrategie von Premier Inn beziehungsweise des britischen Mutterkonzerns Whitbread, möglichst viele Häuser in Eigentum zu haben: Im Hotelturm auf dem S-21-Areal ist man kein Bauherr und Eigentümer, sondern nur Mieter zusammen mit einem Adina Apartment Hotel sowie Bereichen für Gastronomie, Boutiquen und Wellness. Insofern kann Van Ooteghem nicht viel mehr sagen zu diesem öffentlichen Ärgernis.

In jeder Stadt ab 200 000 Einwohner ein Hotel

Aber im Gespräch mit unserer Zeitung im Hotel in Feuerbach kann sie die Strategie von Premier Inn erklären: „In Deutschland gibt es zwar viele Marken, aber Ketten machen nur einen kleinen Anteil der Hotellerie aus, etwa 6 Prozent gegenüber 25 Prozent in Großbritannien. Der Hotelmarkt hier ist vergleichbar mit dem in Großbritannien vor 15 Jahren und bietet ideale Möglichkeiten für eine Expansion.“ Ziel sei, „in jeder größeren Stadt ab 200 000 Einwohnern ein Hotel zu haben, auch um die Marke schneller bekannt zu machen“, so Van Ooteghem. Und das ohne die Hilfe von Online-Agenturen wie Booking.com oder HRS, denn die Zimmer können nur direkt übers Hotel gebucht werden. Stuttgart sei natürlich wegen der Automobil- und Zuliefererindustrie und auch durch die Messe ein interessanter Standort. Aber Van Ooteghem sagt auch, dass man nicht ausschließlich Geschäftsreisende im Visier habe. „Man kann in den Zimmern noch ein Bett hinzufügen, so dass sie auch für Familien geeignet sind. Bei uns zahlt man fürs Zimmer und nicht pro Person. Kinder unter 16 Jahren schlafen und frühstücken gratis“, so die Deutschlandchefin von Premier Inn.

Betten vom königlichen Hoflieferanten

In Corona-Zeiten wirbt die Marke zwar auch mit ihrem „CleanProtect“-Konzept, grundsätzlich aber mit dem Spruch: „Alles Premium. Außer der Preis.“ Die dynamischen Raten beginnen derzeit mit einem Kampfpreis von 39 Euro fürs Zimmer ohne Frühstück. Im Gegensatz zu neuen Hipsterhotels sehen die Zimmer mit einer Standardgröße von 19 Quadratmetern alle gleich aus. Das macht laut Van Oeteghem auch „den Einkauf der Einrichtung leichter“, sprich günstiger. Wichtig sei „eine sehr gute Zimmerqualität mit guten Verdunklungsmöglichkeiten und Schallisolierung“ – besonders an Standorten wie an der Heilbronner Straße mit ihren sechs Fahrspuren plus Stadtbahnlinien vor der Nase, von denen man drinnen aber kaum etwas mitbekommt. Von „königlich Schlafen“ spricht man im Konzern gern, denn die Betten stammen vom Hoflieferanten des britischen Königshauses. Auch in der kunterbunt möblierten Lobby mit ihrem hellen Holzboden gibt es mit vereinzelten Polstermöbeln von Chesterfield britische Ikonen.

Restaurant gibt es keines

Was aber hat der Stuttgarter von den Premier-Inn-Hotels – außer vielleicht einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis für Übernachtungsgäste, die nicht zu Hause unterzubringen sind? Inge Van Ooteghem sagt: „Uns ist schon sehr wichtig, dass wir ein Teil der lokalen Community sind“ und verweist auf das Frühstück und die Bar, die auch externen Gästen zur Verfügung stehen. Und auf lokale Produkte, die angeboten werden sollen. Ein Restaurant gibt es allerdings ebenso wenig (nur hausgemachte Pizza in der Lobby) wie Veranstaltungsräume.

Einige Wochen nach der Eröffnung würden normalerweise Offizielle und Multiplikatoren der Stadt eingeladen, um das Haus bei einem kleinen Empfang vorzustellen. Aus bekannten Gründen ist dies bis auf Weiteres so nicht möglich. Aber die Inbetriebnahme des Hotelturms im kommenden Jahr dürfte die Öffentlichkeit ohnehin mehr interessieren. Dann können vielleicht auch Stuttgarts Stadtplaner von einem Zimmer aus einen Blick auf die Stadtbibliothek erheischen.

Das Unternehmen

Premier Inn gehört zum britischen Unternehmen Whitbread PLC, das 1742 aus einer Brauerei entstanden ist. Weitere Marken des milliardenschweren Konzerns, der im Londoner Börsenindex FTSE 100 gelistet ist, sind die Restaurantketten Bar + Block, Beefeater, Brewers Fayre, Cookhouse + Pub und Thyme Bar + Grill. Derzeit hat Premier Inn über 800 Hotels und 80 000 Zimmer.

Inge Van Ooteghem, 54, ist Belgierin und lebt in London. Als Geschäftsführerin von Premier Inn verantwortet sie das operative Geschäft der Hotelmarke in Deutschland sowie die Bereiche Sales, Marketing & PR und Commercial. Sie ist seit 2018 bei Premier Inn, war zuvor ein Jahr beim britischen Immobilienunternehmen Criterion Capital Limited und davor viele Jahre in leitender Position bei Accor Hotels.