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Frauen verdienen weniger als Männer und zahlen für bestimmte Dinge dennoch häufig mehr. Geschlechterdiskriminierung ist das laut Experten aber nicht.

Berlin - Ob in der Drogerie oder beim Friseur: Frauen zahlen für manche Produkte und Dienstleistungen mehr als Männer für vergleichbare Angebote. Stichproben belegen solche Preisunterschiede nach Geschlecht auch in Deutschland - doch wie verbreitet ist das überhaupt? Auf diese Fragen will die Antidiskriminierungsstelle des Bundes an diesem Mittwoch Antworten geben. Mehr als 2000 Waren und Dienstleistungen hat die Behörde untersucht.

Erste Hinweise zu möglichen Ergebnissen liefern Untersuchungen der Verbraucherzentrale Hamburg. Für rosarot verpackten Rasierschaum und -klingen etwa langt die Kundin deutlich tiefer in die Tasche als für Waren in „männlichem“ Blau. Eine Untersuchung des französischen Wirtschaftsministeriums stellte Ende 2015 zwar keine Preistendenz fest - eine zeitgleich veröffentlichte Studie der Verbraucherbehörde von New York kam hingegen auf durchschnittliche Mehrkosten von 7 Prozent für Frauen. Ob und in welchem Umfang es einen solchen Effekt in Deutschland gibt, ist bislang unklar.

Hersteller nutzen Zahlbereitschaft aus

„Hersteller und Händler nutzen offenbar aus, dass Frauen bereit sind, für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen mehr zu zahlen als Männer“, beklagt die Verbraucherzentrale Hamburg jedenfalls. Das müsse aufhören.

Was Verbraucherschützer in Rage versetzt, betrachten Ökonomen ganz nüchtern. „Um der Unterschiedlichkeit von Verbraucherbedürfnissen nachzukommen, muss ein Unternehmen verschiedene Arten von Produkten anbieten. In diesem Fall sind es geschlechterspezifische Produkte, und das macht vom Grundsatz Sinn“, sagt Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. Rentner und Studenten zahlten ja auch im Theater oder bei der Bahn Spezialtarife.

Auch Michael Schleusener von der Hochschule Niederrhein mag nicht von Diskriminierung sprechen. „Es ist logisch, beim Preis zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden, wenn die bereit sind, unterschiedliche Preise zu zahlen“, sagt der Marketing-Experte. Mit anderen Worten: Wenn Frau Müller ein Produkt mehr wert ist als Herrn Meier, aber beide das Gleiche bezahlen, könnte man das genauso gut als unfair empfinden, weil einer von beiden etwas „geschenkt“ bekommt. Eine ganz andere Frage sei allerdings, ob das Geschlecht wirklich immer eine zielführende Dimension bei der Preisgestaltung sei oder ob andere Kriterien treffender wären, meint Schleusener.

Wenig Beschwerden über höhere Preise

So oder so, Schlüsselreize nehmen uns Denkarbeit ab. „Wir haben ein, zwei Sekunden für eine Kaufentscheidung im Supermarkt“, sagt Schleusener. „Die Wirtschaft nutzt die Tatsache aus, dass wir unsere kognitive Anstrengung gerne herunterfahren und auf kleine Reize reagieren. Eine Verpackung in Rosatönen oder das Einsortieren an einer bestimmten Stelle im Regal vereinfacht und automatisiert so die Kaufentscheidung.

Unter diesen Umständen eine mögliche Benachteiligung zu erkennen, sei gar nicht so leicht, kritisiert Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Weil wir ja auch manipuliert werden im Laden. Das läuft einfach sehr subtil und es wird den Verbraucherinnen auch schwer gemacht.“

Doch was Verbraucherschützer als Problem sehen, daran stoßen sich viele Frauen offenbar kaum. Es gebe wenig Beschwerden über höhere Preise, berichten Verbraucherzentralen in mehreren Bundesländern auf Nachfrage. „Vereinzelt haben sich Frauen beschwert bei uns, gerade in der Kategorie Pflege, vor allem Rasiermittel, auch zum Teil über Preisunterschiede zwischen Kurzhaarschnitte für Frauen und Männer beim Friseur. Aber es war wirklich nur vereinzelt“, sagt Valet. Was Marketing-Experte Fassnacht nicht wundert: „Das ist wie mit der Coca-Cola-Flasche an verschiedenen Verkaufspunkten. Man ist das gewohnt und hinterfragt es nicht so stark.“

Also alles gar kein Problem? Doch, meint Sascha Verlan. Er beschäftigt sich als Autor („Die Rosa-Hellblau-Falle“) mit dem Thema und hat den „Goldenen Zaunpfahl“ mit ins Leben gerufen, einen Negativpreis, der auf Geschlechterklischees in der Werbung hinweisen soll. „Es heißt, Frauen seien bereit, für bestimmte Produkte mehr Geld auszugeben. Das mag stimmen, aber sie sind das ja nicht ab Geburt und aus sich heraus, sondern sie haben einen Sozialisationsprozess hinter sich, der von ihnen fordert, mehr in ihr Aussehen zu investieren, um möglichst schlank und glatt, ohne Körperhaare, faltenfrei etc. zu sein“, sagt er. Diskriminierung setze viel früher an. „Wir werden das in der Erwachsenenwelt nicht lösen, wenn wir es nicht in der Kindheit angehen.“