Vor zwei Jahren hat die Initiative einen Probelauf gemacht – bis heute hat sie aber keine Immobillie für ihr Café gefunden. Foto: Ayerle

Seit zwei Jahren sucht der Verein Raupe Immersatt Räume für ein Café – doch bisher hatten sie kein Glück auf dem Immobilienmarkt. Die fünfköpfige Gruppe möchte ein Lokal eröffnen, in dem sie vor der Tonne gerettete Lebensmittel verschenken.

Stuttgart - Anfangs dachten sie, wenn ihr Projekt scheitert, dann am Geld. Doch Geld hätten sie inzwischen genug zur Verfügung, sagt Maximilian Kraft (25) vom Verein Raupe Immersatt. Tatsächlich finden sie schlicht keine Räume für ihre Idee. Sie wollen ein Café – das Raupe Immersatt– eröffnen, in dem es kostenlose Lebensmittel gibt, die sonst in der Mülltonne landen. In dem Café soll alles anders sein: Essen? Kostet dort nichts. Getränke? Dafür bezahlt jeder so viel, wie er mag. Der Umsatz würde ausschließlich über Getränke erwirtschaftet.

Für ihr Geschäftsmodell haben die Vereinsmitglieder, die auch der Ortsgruppe Foodsharing Stuttgart angehören, einen Businessplan ausarbeiten lassen. Seit zwei Jahren sind sie bereits auf der Suche nach einem geeigneten Lokal, rund 30 Lokalitäten haben sie in der City bereits angeschaut – bisher ohne Erfolg. Zweimal hätten sie schon einen Vertrag unterschrieben gehabt, jedes Mal seien diese aber geplatzt.

Die Foodsharer wollen ein Café eröffnen, in dem es nur gerettete Lebensmittel gibt

Kurz vor Weihnachten seien sie nach einer erneuten Absage tatsächlich recht frustriert gewesen, sagt Kraft. Auch ans Aufgeben hätten sie schon gedacht. „Vielleicht ist das Projekt einfach nichts für Stuttgart?“ überlegte Kraft. Allerdings seien sie es den rund 600 Menschen, die sie über Crowdfunding unterstützt hätten, schuldig, weiter zu machen, glaubt Kraft, der für das geplante Café sein Masterstudium in Ingenieurwissenschaften vorerst auf Eis gelegt hat. Seit zwei Jahren arbeitet er quasi nur ehrenamtlich für die Raupe Immersatt. Das funktioniere, weil er sehr bescheiden lebe. „Für Essen gebe ich ja kaum kein Geld aus.“ Er ernährt sich fast nur von geretteten Lebensmitteln.

Inzwischen hat sich die Gruppe durchaus selbstkritisch gefragt, woran es liegen könnte, dass es nicht klappt mit der Wunschimmobilie. Von einigen Vermietern hätten sie gehört, dass es an der mangelnden Gastroerfahrung liege. Deshalb haben sie sich mit einigen größeren Gastrobetreibern in Stuttgart ausgetauscht. „Einer hat uns sogar für unser Herzblut gelobt, meinte aber, dass freie Lokale oft schon an erfahrene Gastronomen gehen“, sagt Kraft. „Aber wie sollen wir Erfahrungen sammeln, wenn wir absolut keine Chance irgendwo bekommen?“

Für junge Starter gibt es in Stuttgart kaum Orte, um sich auszuprobieren

Orte im Stil des Fluxus seien ja ideal für Starter, die sich ausprobieren wollten. Leider gebe es so eine Fläche zur Zeit in Stuttgart nicht mehr. „Wir wären ja tatsächlich das erste Foodsharing-Café Deutschlands“, ergänzt er. Das sei doch irgendwie auch ein Aushängeschild für eine Stadt.

Dabei läuft es sonst eigentlich recht gut für die Foodsharer: Rund 80 Betriebe, darunter auch namhafte wie die Cap-Märkte, oder einige Bäcker, sind in Stuttgart inzwischen bei Foodsharing aktiv. In der Regel kommen täglich zwischen fünf und 50 Kilogramm an Lebensmitteln zusammen.

Auf vielen Veranstaltungen sind sie mit einem Stand vertreten und verteilen dort ihre gesammelten Lebensmittel. Sie veranstalten Schnippel-Diskos, laden zu Vorträgen über Lebensmittelverschwendung ein. Für ihr Konzept haben sie vor zwei Jahren den Bürgerpreis der Stuttgarter Bürgerstiftung bekommen und ein Preisgeld in Höhe von 3000 Euro; im Anschluss haben sie über Crowdfunding rund 30 000 Euro gesammelt. Deshalb könne man durchaus etwa 3000 Euro an Miete monatlich aufbringen, sagt Kraft. Das klingt zwar zunächst nach einer großen Summer, ist aber für ein Lokal in guter Innenstadtlage nicht wirklich viel. Da gibt es vermutlich immer noch einen solventeren Konkurrenten, der eine ehrenamtliche Initiative aussticht.

Ist die Idee vielleicht doch zu idealistisch?

Ist die Idee doch etwas zu utopistisch? „Ich halte das Konzept für realistisch, absolut“, sagt Maike Jakoby, die bei der städtischen Wirtschaftsförderung für Leerstände zuständig und daher in Kontakt mit der Gruppe ist. Eventuell hätten sie ihr Konzept anfangs zu idealistisch verkauft, vermutet sie. Denn zunächst klinge das Food-sharing-Café nach einer rein sozialen Idee. „Aber dahinter steckt ein klassischer Barbetrieb“, so Maike Jakoby.

Dort werde dann ja nur das Essen verschenkt, der Umsatz müsse über die Getränke kommen. „Das ist natürlich eine ganz andere Genehmigungssituation“, betont sie. Die Stadt unterstütze die Foodsharer: „Es ist ein tolles Konzept. Aber es ist auch klar, dass sie sich nicht für einen Appel und ein Ei irgendwo einquartieren können.“ Die Stadt selbst habe leider keine Immobile. „Aber ich bin sicher, dass sie irgendwann fündig werden“, sagt Jakoby.