Der Pferdesport spielt in Baden-Württemberg keine kleine Rolle, hier der mehrfache Olympiasieger Michael Jung bei einer Veranstaltung in Leonberg. Foto: Ulrike Amler

Er ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und vertritt seit vielen Jahren die Interessen von Pferdesportlern in Baden-Württemberg und in Deutschland. Im Interview spricht Gerhard Ziegler über Ackergäule, Vollblüter und Reitsport bis ins hohe Alter.

Ditzingen/Leonberg - Wenn zwei- und vierbeinige Spitzensportler sich auf einem Turnierplatz einfinden, ist Gerhard Ziegler aus Ditzingen meist mitten unter ihnen. Er vertritt seit 13 Jahren als Präsident des Pferdesportverbandes Baden-Württemberg Reitsportinteressen.

Herr Ziegler, wann sind Sie selbst das letzte Mal auf dem Pferd gesessen?

Das war am Sonntag. Ich bin nach wie vor begeisterter Reiter und am Wochenende reite ich meist auf meinem Holsteiner Cäsar.

Sie satteln als unlängst wiedergewählter Präsident des Pferdesportverbandes Baden-Württemberg einen Holsteiner?

Ich komme selber aus dem Springsport und da waren Hannoveraner und Holsteiner viele Jahre führend. Die beiden Verbände haben auch schon früh die Zucht vom Arbeitspferd zum Sportpferd umgestellt. Heute gibt es diese Leistungsunterschiede und unterschiedlichen Begabungen der Pferde zwischen den Zuchtverbänden nicht mehr. Es gibt ein deutsches Sportpferd.

Wird das nächste Pferd ein Württemberger?

Das kann ich mir durchaus vorstellen. Die Württemberger haben hervorragende Pferde. Sehen Sie sich Sam von Michael Jung an, der wurde mehrfacher Olympiasieger. Er ist ein Württemberger Pferd, hat aber auch Trakehnerblut. Das Reinheitsgebot gibt es heute so in der Pferdezucht nicht mehr.

Wie haben Sie zum Reitsport gefunden?

Ich stamme aus einem landwirtschaftlichen Betrieb in Leonberg, und bei uns gab es immer Arbeitspferde. Mein erstes eigenes Pferd war eine Oldenburgerstute namens Lenzia. Vom Typ war sie ein Arbeits- und Reitpferd, in etwa so wie die Altwürttemberger heute.

Wer war Ihr reiterliches Vorbild?

Ich habe mich schon immer im Springsport wohlgefühlt, und Alwin Schockemöhle war zu meiner Jugendzeit ein großes Vorbild. Den haben wir alle nachgeahmt und das durchweg schlecht. Er war damals einer der wenigen Reiter der Welt, die ein Pferd rund über den Rücken reiten konnten und so zu einem herausragenden Sprungverlauf gebracht haben. Der konnte es einfach. Die Pferde waren aber auch vom Wesen und Gebäude her anders. Heute sind die Pferde mit einem hohen Vollblutanteil viel rittiger und nicht zu vergleichen. Meteor war da im Vergleich ein Ackergaul, der springen konnte. (Anm. d. Red. : Meteor war Ackergaul in Holstein, bevor er in den 1950er Jahren unter Fritz Tiedemann an Nationenpreisen und Olympischen Spielen erfolgreich teilnahm).

Sind die Pferde heute Selbstläufer?

Das nicht, aber sie sind vom Springvermögen und der Sensibilität eine ganz andere Klasse. Das erfordert viel feinere Reiter. Ich bin mir nicht sicher, ob die großen Reiter von früher ihre Pferde auch heute noch so erfolgreich durch den Parcours lenken würden.

Gibt es für Reitsportler eine Altersgrenze?

Grundsätzlich nein. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, die Reiterei schon aufzugeben, wenn Cäsar, der jetzt 19 Jahre alt ist, mal in den Ruhestand geht. Es müsste kein ganz junges Pferd mehr sein, aber ich würde mich sicher noch mal nach einem Fünf- oder Sechsjährigen umschauen. Ich will ja selbst auch fit bleiben. In meinem Freundeskreis gibt es auch Achtzigjährige, die Freude am Reiten haben. Das geht dann halt in gemütlicherem Tempo.

Reiten Sie selbst noch sportlich ambitioniert oder doch lieber am langen Zügel in den Sonnenuntergang?

Ich sehe mich als sportlichen Freizeitreiter. Das Springen hat mir meine Familie mittlerweile aber untersagt. Mit 67 Jahren fällt man nicht mehr so elastisch. Da tut es schon mehr weh als in jungen Jahren. Mit zunehmendem Alter reitet auch der Kopf oft mit, anstatt sich auf das Bauchgefühl und die Erfahrung zu verlassen. Im Sommer gehe ich jetzt auch gerne ins Gelände, ansonsten reite ich mein Pferd dressurmäßig.

Eine Pferdezucht im Ruhestand wäre nichts für Sie gewesen?

Ich habe keinen eigenen Hof und nicht die erforderliche Zeit. Außerdem sage ich immer, man soll wenige Dinge machen, aber die richtig. So von allem ein bisschen und nichts gescheit, das ist nicht mein Ding.

Ist „keine Zeit“ heute symptomatisch für den aktiven Ruhestand?

Neben meiner beruflichen Tätigkeit, bin ich als Präsident der Deutschen Wirtschaftsprüferkammer regelmäßig, mindestens einmal in der Woche, in Berlin, um Belange meines Berufsstandes zu vertreten und mit Politikern zu sprechen. In Berlin sitzt unsere Kammer, und da gibt es viel Gremienarbeit. Unser Hauptthema ist die Überregulierung aus Brüssel. Deshalb bin ich auch dort regelmäßig. Das ist zusammen genommen schon fast ein Halbtagsjob.

Treffen Sie in Berlin Politiker, die reiten, so wie die Mitglieder der Parlamentsgruppe Pferd?

Klar, auch davon kenne ich viele. Man sieht an den Mitgliedern der Parlamentsgruppe Pferd, dass der Reitsport über das gesamte politische und gesellschaftliche Spektrum hinweg gerne ausgeübt wird. Ich wundere mich dann schon, weshalb die Presse das Pferdefaible von Andrea Nahles so aufgeblasen hat, die in der Eifel einen kleinen Bauernhof und ein oder zwei Friesen besitzt.

Treffen Sie Ursula von der Leyen in Sachen Pferd dann demnächst in Brüssel?

Da bin ich mir nicht sicher, aber sie ist ja selbst Reiterin und sehr pferdebegeistert. Sie hat jahrelang ihre Töchter auf das Reitturnier im badischen Nußloch begleitet. Dort hat sie sich die Zeit für deren Turnierbetreuung und Pferdepflege genommen, wie andere Eltern auch. Ich war dann immer für die Betreuung von Verbandsseite verantwortlich und habe das sehr gern gemacht.

Demnach ist der Reitsport nicht nur ein Sport der Oberschicht?

Im Deutschland haben wir circa 750 000 Vereinsmitglieder, davon sind über 90 Prozent Freizeitreiter. Acht Prozent sind sportliche Reiter, die einen Reitausweis besitzen. Im Sportbereich sind tatsächlich aber nur etwa fünf Prozent aller Reiter aktiv und die stehen im öffentlichen Interesse.

Der Leonberger Pferdemarkt ist untrennbar mit dem Namen Ziegler verbunden.

Schon mein Vater hat den Pferdemarkt in seiner heutigen Form entscheidend mitentwickelt. Aus dem früheren Rossmarkt ist heute ein Volksfest geworden. Als mein Vater 1970 plötzlich starb, war ich gerade 18 Jahre alt und erbte die Aufgaben irgendwie mit.

Dort moderieren Sie an mehreren Tagen unermüdlich, kurzweilig und fachkundig die Prämierungen, Fachseminare und Schauveranstaltungen.

So viel wie ich alleine am Pferdemarktdienstag rede, hat mein Vater in dieser Funktion zu seiner Zeit jedenfalls nicht geredet.

Ist die nächste Generation der Familie Ziegler auch schon am Start?

Meine Söhne Christian und Sebastian richten bei den Pferde- und Kutschenprämierungen und den Händlerpferden auch mit.

Sehnen Sie sich bei all Ihren Aufgaben, die sie mit so viel Engagement angehen, auch gelegentlich nach Ruhestand?

Sicher gibt es Phasen, wo man sich auch nach Ruhe sehnt. Diese nehme ich mir dann im Kreise meiner Familie, aber auch auf dem Pferderücken.