Ausländische Autobahnbetreiber und ihre Inkassobüros können Halteranfragen beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg stellen. Foto: dpa/Carsten Rehder

Immer wieder bekommen deutsche Autofahrer ganz besondere Urlaubspost aus Italien. Sie sollen auf der Autobahn keine Maut gezahlt haben. Viele halten das Schreiben zunächst für eine Betrugsmasche.

Stuttgart - Es war ein schöner Ausflug zu einer Hochzeit in der Toskana, damals, im Juni 2019. Unbeschwert mit dem Auto in den Süden, ohne Corona-Beschränkungen. Das klingt inzwischen fast schon wie aus einer anderen Welt. Und genauso liest sich auch der Brief, den die Halterin des dafür verwendeten Autos jetzt aus ihrem Briefkasten gefischt hat. Eine Firma namens Nivi aus Florenz schreibt da im Betreff: „Nicht bezahlte Mautgebühren – Artikel 176 der italienischen Straßenverkehrsordnung“.

Bei Nivi handelt es sich um ein Inkassobüro. Es fordert 24,27 Euro innerhalb von 30 Tagen. Der Verstoß: Auf Höhe Mailand sollen damals, vor fast eineinhalb Jahren, Mautgebühren in Höhe von 1,70 Euro nicht bezahlt worden sein. Der Rest der Summe sind Feststellungs- und Eintreibungskosten. Entfallen kann die Zahlung, wenn man nachweist, dass man die Summe doch bezahlt hat. „Nach so langer Zeit ist das unmöglich“, sagt das betroffene Paar aus der Nähe von Stuttgart. Man habe alles mit Kreditkarte bezahlt, könne jetzt aber auf den Abrechnungen nicht mehr genau nachvollziehen, was für welchen Streckenabschnitt abgebucht worden sei. Und man fragt sich: „Ist diese Zahlungsaufforderung überhaupt seriös?“

So geht es so manchem deutschen Autofahrer, denn das Schreiben wird häufig verschickt. Und es ist tatsächlich keine Masche von Betrügern. Denn die Autobahnbetreiber im Ausland können die Überwachung der Straßenabschnitte und die Vertretung ihrer Interessen an andere Unternehmen übertragen. Und die wenden sich mit ihrem Anliegen an das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg. „Die Firma Nivi Credit als Bevollmächtigte legt mit einem schriftlichen Auskunftsersuchen dar, dass die Halterdaten zur Befriedigung von Rechtsansprüchen im Zuge des unberechtigten Befahrens mautpflichtiger Straßen benötigt werden“, sagt KBA-Sprecher Stephan Immen. Angefragt werde mit dem betreffenden amtlichen Kennzeichen und dem Ereignistag. Die Autokennzeichen der Fahrzeuge werden an den Mautstellen normalerweise per Foto oder Video festgehalten.

Auskunft aus Flensburg

Das KBA prüft die Auskunftsberechtigung und leitet dann die Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister weiter. Die Voraussetzungen dafür sind nicht allzu hoch. „Anfrageberechtigt ist jeder, der einen Rechtsanspruch geltend machen, sichern, vollstrecken, befriedigen oder abwehren will“, so Immen. Das können Privatpersonen genauso sein wie Behörden. „Die Auskunft kann auch an Empfänger im Ausland übermittelt werden“, sagt Immen.

Wie oft solche Anfragen aus dem Ausland oder gar von Nivi in Florenz erfolgen, hält das KBA nicht gesondert fest. Klar ist nur, dass die Zahl der Anfragen insgesamt steigt. Im Jahr 2019 sind rund 267 Millionen Auskünfte aus dem Fahrzeugregister erteilt worden. Im Jahr zuvor sind es noch 242 Millionen gewesen.

Aber wie kann es überhaupt sein, dass angeblich Mautgebühren in Italien nicht beglichen worden sind? Schließlich öffnen sich dort auf den Autobahnen die Schranken nur nach Zahlung. Experten weisen darauf hin, dass insbesondere bei elektronischer Bezahlung Fehler möglich sind. Dann wird unter Umständen die Maut nicht abgebucht und trotzdem die Durchfahrt gewährt. Auch bei Streiks des Mautpersonals sind die Schranken offen, die Maut muss in solchen Fällen aber nachentrichtet werden.

Zahlen oder nicht zahlen?

Doch muss man wirklich auf die Zahlungsaufforderung reagieren? Fachjuristen äußern sich da zurückhaltend. Ein großes Risiko bei Nichtzahlung sehen sie nicht. Zwar könnte die Forderung mit einem europäischen Zahlungsbefehl geltend gemacht werden, letztendlich müsste sich der Autobahnbetreiber aber an das zuständige Gericht wenden und es – für eine geringe Forderung – auf einen Prozess ankommen lassen.

Das Paar aus der Nähe von Stuttgart grübelt jetzt ebenfalls, wie es am besten reagieren soll. „Wir sind am Überlegen, ob wir das Geld nicht einfach überweisen, auch wenn das unserem Gerechtigkeitsempfinden gegen den Strich laufen würde“, sagt es. Schließlich wisse man ganz unabhängig von eventuellen weiteren Eintreibungsversuchen ja nicht, was bei der nächsten Fahrt nach Italien passiere, wenn man nicht bezahle. „Als Autofahrer hat man letztendlich keine Chance, der Sache zu entkommen.“ Selbst, wenn man die Vorwürfe samt Rechnung als Abzocke empfindet.