Regionale Polizeipräsidien sind die Spitzenbehörden für innere Sicherheit im Land – hier eine Hinweistafel in Offenburg. Foto: dpa

Im grün-schwarzen Streit über Polizeireform zeichnet sich ein Kompromiss ab – Der Konflikt in der CDU-Fraktion schwelt aber weiter.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann selbst hat den Kompromissvorschlag gemacht: Danach soll es künftig in Baden-Württemberg 13 statt zwölf Polizeipräsidien geben. Tuttlingen soll als Standort wegfallen, Konstanz bliebe erhalten. Neue Präsidien würde es in Ravensburg und Pforzheim geben. Ob diese Brücke trägt, muss sich allerdings erst noch zeigen. Denn in der CDU-Landtagsfraktion hat der Streit tiefe Gräben aufgerissen.

Über die Frage, ob Tuttlingen sein Polizeipräsidium erhält oder eine solche Behörde nicht besser in Konstanz steht, zerbricht sich der Normalbürger ohnehin nicht den Kopf. Solange die Revierbeamten gut arbeiten, ist die Polizeistruktur eine Sache für Insider. Und doch streitet die grün-schwarze Koalition nun schon seit Monaten über den Plan, die 2014 neu geordnete Führungsstruktur an einigen Stellen nachzubessern. Dass dies so lange dauert, liegt vor allem an der Südwest-CDU: Denn führende Vertreter haben sich derart ineinander verkeilt, dass besonnene Parteifreunde einen gewaltigen Imageschaden befürchten.

Es geht dabei um mehr als um Behörden, ja, es geht auch um mehr als Wahlkreisinteressen, weil etwa ein Polizeipräsidium dem Ego von Wahlkreisabgeordneten schmeichelt. Das Thema hat sich vielmehr zu einem Schauplatz entwickelt, auf dem CDU-Granden alte Rechnungen begleichen. Eigentlich hätte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart längst ein Machtwort sprechen müssen, finden viele in der Fraktion: „Doch er lässt alles laufen, zeigt keine Führung“, klagt ein junger Abgeordneter. Just in der christdemokratischen Kernkompetenz innere Sicherheit gebe die CDU ein zerrissenes Bild ab, während die Grünen sich bei der Polizeireform längst festgelegt hätten und so als Stabilitätsanker erschienen.

In der Tat hat sich die Grünen-Fraktion (ebenfalls nach langen internen Auseinandersetzungen) schon in der vergangenen Woche darauf geeinigt, die Polizeireform so nachzubessern, dass es bei zwölf regionalen Polizeipräsidien bleiben soll. Allenfalls könnte man sich auf dreizehn verständigen – wie jetzt vorgeschlagen. 14 Präsidien jedoch, wie es vielen in der CDU vorschwebt, werden als viel zu teuer erachtet. Doch der Dreh- und Angelpunkt heißt Tuttlingen. Dort gibt es zwar seit 2014 ein Präsidium, doch eine vom Innenministerium eingesetzte Expertenkommission hat schlagende Argumente dafür geliefert, dieses nach Konstanz zu verlegen.

Wer hat mehr Power?

Für ebendieses Tuttlingen legt sich Justizminister Guido Wolf, der dort seinen Landtagswahlkreis hat, mächtig ins Zeug. Ja, nicht wenige in der Fraktion sagen, dass der Spitzenkandidat aus dem Jahr 2016, der weder Fraktionschef noch Wirtschaftsminister werden durfte, sondern mit der Justizministerstelle „abgefunden“ wurde, nun ein Instrument gefunden hat, um zu zeigen, wer das Sagen hat. Jetzt wolle man doch mal sehen, wer mehr Power hat, soll der Tuttlinger in kleinem Kreis gesagt haben.

In der Tat hat der frühere Fraktionschef und Landtagspräsident in der Südwest-CDU trotz seiner krachenden Wahlniederlage immer noch zahlreiche Anhänger. Auch in der Fraktion stehen einige hinter ihm – zumindest so viele, dass an diesem Dienstag, wenn die CDU sich endlich auf eine einheitliche Haltung in der Polizeireform festlegen will, am Ende das Votum für Tuttlingen stehen könnte.

„Das machen die Grünen doch niemals mit, am Ende wird es dann gar keine Veränderung geben“, fürchtet ein CDU-Mann. Das aber wäre ein Armutszeugneis für die Law-and-order-Partei, vor allem aber für Innenminister Thomas Strobl. Der hält sich zwar offiziell aus Fraktionsdingen raus, weil er weiß, dass er dort ohnehin nicht wohl gelitten ist.

Um es sich mit niemandem zu verscherzen, hat er lediglich angedeutet, dass er am liebsten das (teure) 14-er-Modell hätte, denn das habe ja schließlich die von ihm eingesetzte Expertenkommission empfohlen. Nicht wenige vermuten aber, es sei gerade im Interesse von Wolf und vielleicht auch von Reinhart, wenn Strobl die Polizeireform in den Sand setzt. Steht Tuttlingen also für den Prügel, den die Fraktion Strobl zwischen die Beine wirft?

Wie gefährlich dieses Thema ist, zeigt der Brief, den der südbadische CDU-Bundestagsabgeordnete und Berliner Landesgruppenchef Andreas Jung am Montag an die CDU-Landtagsfraktion geschrieben hat. Gemeinsam mit dem Konstanzer CDU-Chef Willi Streit warnt er davor, das Polizeipräsidium in Konstanz aufzulösen. Neben sachlichen Argumenten wie die Kosten führt Jung auch eine moralische Komponente an: Eine Auflösung des Präsidiums Konstanz wäre ein „Vertrauensbruch“, da bisher alle CDU-Vertreter die gegenteilige Position vertreten hätten.