Zwangsstopp in der Stadt: Mit Schwerpunktkontrollen hat die Polizei Verkehrssünder gesucht. Foto: Lichtgut/ Jan Reich

Zu viel Alkohol, zu viel Tempo, zu viel Basteleien – auf Verkehrssünder aller Art hat die Stuttgarter Polizei mit einer Schwerpunktaktion Jagd gemacht. Eine Nacht mit erstaunlichen Entdeckungen.

Stuttgart - Irgendwie scheint der junge Besitzer des 250-PS-BMW noch gar nicht so richtig erfasst zu haben, was ihm nun blüht. Der Polizist spricht von Beschlagnahme des Fahrzeugs und von einer möglichen Anzeige wegen Steuerhinterziehung. Bei Bußgeldstelle und Finanzamt kann da schnell eine vierstellige Summe fällig werden. Wichtiger ist für den 22-Jährigen jedoch, dass er mit seinem Handy noch schnell die Felgen seines 3er BMW fotografiert. Als Versicherung, sollten die je vom Abschlepper zerkratzt werden.

Skurriler Alltag auf Stuttgarts Straßen. In der Nacht zum Sonntag hat die Stuttgarter Verkehrspolizei den Kampf gegen Verkehrssünden aller Art ausgerufen. Bis morgens um fünf wird gefahndet, geblitzt, geprüft. Vor allem im Bereich der Theodor-Heuss-Straße – die vermeintlich verkehrsberuhigte Partyzone. „Die Tiefer-Breiter-Lauter-Klientel ist nach wie vor da“, sagt Polizeihauptkommissar Thomas Hohn. Trotz kurzzeitiger Verdrängung durch Blitzer und nächtlicher Tempo-30-Regelung. Hohn muss es wissen: Keiner kennt Tuner und PS-Protzer besser als er.

Das Auto ist ein einziger Plakettenschwindel

Den BMW des 22-jährigen Stuttgarters hat Hohn an der Kontrollstelle am Rotebühlplatz wie ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt mit seiner Endoskop-Kamera durchsucht und stellt fest: „Das Motorengeräusch passt nicht zum Fahrzeug, und die gemessenen CO-Werte passen nicht zu den Katalysatoren.“ Wenn überhaupt welche verbaut sind. Feinstaubalarm? Umweltzone? Der BMW hat eine grüne Plakette der Schadstoffgruppe 4. Der Fahrzeugschein weist Euro 5 aus. „Ohne Katalysator ist das allenfalls Euro 2“, sagt Hohn, seit 1993 Tuningspezialist bei der Polizei. Betrug bei der Kfz-Steuer – das wird richtig teuer. Außerdem ist die Betriebserlaubnis erloschen, der BMW darf überhaupt nirgends fahren.

Für die beiden Einsatzleiter der nächtlichen Aktion, Armin Wagner und Mathias Müller, ist das alles nicht neu. Auch die Sache mit den Handyfotos nicht. „Hinterher werden oft vermeintliche Macken reklamiert“, sagt Müller, das sei „ein billiger Versuch, Rache zu üben.“

Mit 125 Sachen durch den Tunnel

Die Partyzone für PS-Protzer ist noch die Theo-Meile, die Partyzone für Raser scheint freilich eher auf dem Weg Richtung Bad Cannstatt zu liegen. Die Bundesstraße 14 und der Schwanenplatztunnel – eine unendliche Geschichte. Immer wieder spuckt die Röhre Geschosse auf vier Rädern aus, es gab Tote und Verletzte. Die Stadtverwaltung plant schon lange einen stationären Blitzer im Tunnel. „Der dürfte sich schon nach wenigen Tagen refinanzieren“, sagt ein Beamter der Motorradstaffel.

Der Starenkasten mit Schwarzblitz lässt allerdings noch auf sich warten. Aber auch Messungen mit der Laserpistole bringen in dieser Nacht reichlich Ausbeute. In anderthalb Stunden haben sieben Autofahrer mehr als 82 Kilometer pro Stunde auf dem Tacho – bei erlaubtem Tempo 50 bedeutet das zusätzlich Fahrverbot. „Schon nach kurzer Zeit sind es drei Fahrer mit mehr als 100 Kilometer pro Stunde gewesen“, sagt Einsatzleiter Wagner. Der traurige Spitzenreiter hat 125 „Sachen“ auf dem Tacho. Der Sünder aus Bad Cannstatt erfüllt alle Vorurteile: ein junger Fahrer, gerade mal 20, aber schon unterwegs mit einem Mercedes S-Klasse mit 360 PS. Er sei auf dem Weg nach Hause gewesen, sagt er. Künftig allerdings zu Fuß. Der Bußgeldkatalog sieht drei Monate Fahrverbot, zwei Punkte in Flensburg und 680 Euro Bußgeld vor.

Nicht alle Sünder sind einsichtig

Auf dem Nachhauseweg ist auch ein 29-Jähriger, der seine Pizzeria geschlossen hat und um 23.35 Uhr mit seinem E-Klasse-Mercedes in der Heilbronner Straße im Stuttgarter Norden stadteinwärts unterwegs ist. Indes viel zu schnell: Die Laserpistole der Polizei zeigt 86 Kilometer pro Stunde an. Dass er einen Monat pausieren muss, nimmt der 29-Jährige äußerlich gelassen hin – im Gegensatz zu einem Unbekannten, der 20 Minuten später von einer Streife auf dem Pragsattel in die Kontrollstelle rausgewinkt wird. Der Mercedes-Fahrer flüchtet mit Vollgas, ein Beamter muss zur Seite hechten, um nicht überfahren zu werden. Die Flucht wird wohl nicht viel nützen.

Nein, nicht alle Sünder sind einsichtig in dieser Nacht, in der die Polizei 17 Straftaten und 77 Ordnungswidrigkeiten aufdeckt. Um 2.10 Uhr etwa, als die Tuning-Spezialisten um Thomas Hohn am Rotebühlplatz neue Kundschaft zugeführt bekommen. Die Aufklärer der Motorradstaffel haben einen Honda-Fahrer bei einem mutmaßlichen Wettrennen dingfest gemacht und lotsen ihn zur Kontrollstelle. Bei der Überprüfung zeigt sich, dass der Wagen zwar eine Bordkamera hat, die zum Filmen von Wettrennen geeignet ist – ansonsten jedoch erhebliche technische Mängel aufweist. Als der 24-Jährige hört, dass sein Wagen beschlagnahmt und abgeschleppt wird, leistet er Widerstand: Nein, seinen Fahrzeugschlüssel rückt er nicht heraus! Beim Kampf um den Schlüssel haben die Polizisten aber eindeutig mehr PS.