Polizei in Chemnitz: Hegen zu viele Beamte Sympathien für die Rechten? Foto: dpa

Die Vorwürfe gegen Polizei und Justiz in Sachsen beschädigen den Rechtsstaat, befürchtet auch der Deutsche Beamtenbund – weshalb er sich von Rechtsextremismus und Fremdenhass im öffentlichen Dienst so klar abgrenzt wie nie zuvor.

Berlin - Die Vorwürfe gegen die sächsische Polizei treiben auch den Deutschen Beamtenbund (DBB) auf die Barrikaden. Sein Vorsitzender Ulrich Silberbach sieht dadurch das Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Institutionen untergraben. Unter den 4,6 Millionen Beschäftigten hätten sich immer wieder auch Menschen mit extremen Gesinnungen eingeschlichen – insbesondere „bei einigen Polizisten haben wir eine Neigung zum rechten Rand“, sagte er unserer Zeitung. Wer aber nicht der freiheitlich-demokratischen Grund- und Werteordnung dienen wolle, „möge seine Sachen packen und verschwinden“.

Zwar sei die Polizei – durch Personalabbau und indem sie politisch allein gelassen worden sei – über Jahre vor die Wand gefahren worden. Dies entlade sich bei den Beamten. „Wenn nun braune Propheten diesen Frust bedienen und sich als Heilsbringer aufführen, gibt es auch in der Polizei Menschen, die darauf hereinfallen“, sagt Silberbach. Man müsse den Kollegen ohne Umschweife deutlich machen: „Wer sich davon verleiten lässt, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen.“

Sehnsucht nach dem „starken Staat“

So klar hat sich noch nie ein DBB-Vorsitzender von Rechtspopulismus in den eigenen Reihen abgegrenzt. „Da müssen wir uns als öffentlicher Dienst und als Beamtenbund anders aufstellen“, mahnt er. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sei „sehr glücklich“ darüber. Offen ist, ob auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) unter dem Dach des DBB, Rainer Wendt, glücklich darüber ist. Diesem wird immer wieder vorgeworfen, die rechtspopulistische Stimmung in den Reihen der Polizei noch zu schüren. Zumindest darf man den neuen Vorstoß auch als Signal an Wendt werten, Maß zu halten.

Der Beamtenbund stellte am Donnerstag auch seine neue Jahresumfrage mit dem Forschungsinstitut Forsa vor. Demnach wächst in der Bevölkerung die Sehnsucht nach einem „starken Staat, der die Bürger vor ausufernden Entwicklungen schützt“: 79 Prozent halten ihn für erforderlich – je älter die Befragten und je niedriger der Schulabschluss, desto höher ist die Zustimmung zu dieser Aussage. Dies dürfe man nicht auf innere Sicherheit verkürzen, sagt Silberbach. Vielmehr „merken die Menschen: der öffentliche Dienst trägt dazu bei, dass der Einzelne bei uns noch einen besonderen Schutz hat“. Alte Klischees über den „faulen Beamten“ seien erledigt. Es gebe mittlerweile eine Grundhaltung, wonach „das Berufsbeamtentum ein Stabilitätsanker der globalisierten Gesellschaft ist und das Land vor chaotischen Verhältnissen bewahrt“.

„Sexuelle Belästigung nicht mehr vertuschen“

Erstmals wurde nach Diskriminierung gefragt. Demzufolge haben insgesamt 26 Prozent aller befragten Frauen sexuelle Belästigung in ihrem Arbeitsumfeld schon selbst erlebt – weitere 19 Prozent bei Kolleginnen und zwei Prozent bei Kundinnen. Unter den Tarifbeschäftigten des Staatsdienstes gaben dies 20 Prozent, unter den Beamten 15 Prozent an. „Auch im öffentlichen Dienst sind die Zahlen viel zu hoch“, sagt Silberbach, der sich für eine offene Debatte über eine diskriminierungs- und sexismusfreie Verwaltungskultur einsetzt. Die #MeToo-Debatte und die Gesetzesverschärfung mit Blick auf sexuelle Belästigung hätten das Bewusstsein geschärft, es müsse aber noch mehr geschehen. Was lediglich im Hinterzimmer diskutiert werde, führe eher zur Vertuschung. „Wir müssen stärker in den Dialog kommen“, betont er. Und wer diskriminiere, müsse „an den Pranger gestellt“ werden.

Allerdings sollten auch die Gewerkschaften ihre Hausaufgaben machen: „Wir haben ein Problem bei den Personal- und Betriebsräten.“ Die Personalvertreter müssten durch Schulungen für das Thema sensibilisiert werden – sie dürften es nicht mit der Behördenleitung unter den Teppich kehren. Von den Arbeitgebern fordert Silberbach mehr Mediation für Konfliktfälle. Das könne nicht jede Dienststelle, aber eine Behördenzentrale anbieten – genug Geld dafür sei vorhanden. „Die Mediatoren kann man auf dem Markt kaufen, es müssen keine Festangestellten sein." Die Personalvertretungen reichten als Anlaufstelle für solche Fälle offenbar nicht aus, weil die Instrumente noch nicht scharf genug seien. „Ein Personalrat kann das im Rahmen der Kooperation mit der Behördenleitung ansprechen, aber hier muss es mehr Druck geben“, sagte Silberbach.

Fast jeder zweite Mann fühlt sich altersbedingt benachteiligt

52 Prozent aller abhängig beschäftigten Frauen gaben an, am Arbeitsplatz schon einmal wegen ihres Geschlechts diskriminiert oder benachteiligt worden zu sein. Hingegen fühlten sich mit 47 Prozent knapp die Hälfte aller Männer aufgrund ihres Alters schon benachteiligt oder diskriminiert – dem stehen 38 Prozent aller Frauen gegenüber. Häufigste Auswirkung der erfahrenen Diskriminierung war, eine Stelle nicht bekommen zu haben. 55 Prozent aller Betroffenen machten eine entsprechende Angabe. Aber auch bei der Verteilung von Aufgaben (30 Prozent) oder bei Gehaltserhöhungen (21 Prozent) und Beförderungen (15 Prozent) fühlten sich viele Beschäftigte benachteiligt.

Der Beamtenbund fordert auch eine Reform des Antidiskriminierungsgesetzes und die Zulassung von Verbandsklagen, damit das Opfer von Belästigung und Diskriminierung nicht persönlich klagen muss. Er hoffe, so der Vorsitzende, dafür auch die Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) gewinnen zu können.