SPD-Landeschef Nils Schmid (re.) ließ sich bierselig erwischen mit generalsekretärin Katja Mast und Bndesjustizminister Heiko Maas Foto: dpa

Deftige Sprüche und scharfe Attacken: Beim politischen Aschermittwoch im Südwesten haben die Parteien wieder richtig ausgeteilt. Nur Ministerpräsident Kretschmann hielt sich zurück.

Fellbach/Biberach - Politik und Wildnis sind fast dasselbe. Das weiß jeder, der Alphatiere dabei beobachtet, wie sie im Haifischbecken ihre Rivalen wegbeißen und anschließend Krokodilstränen vergießen. Doch auch die Wissenschaft der politischen Biologie entdeckt immer wieder Neues. So etwa, wie ein CDU-Politiker namens Guido Wolf in der Fellbacher Alten Kelter 2000 ältere, vernünftige Menschen zu einem kollektiven Wolfsgeheul animiert.

Der Spitzenkandidat der Südwest-CDU steht an diesem Aschermittwoch erstmals vor seinem „Wolfsrudel“, wie er es nennt, um es zum Jagen anzustacheln mit Blick auf die nächste Landtagswahl. Dabei hat er so gar nichts Animalisches an sich in seinem dunklen Anzug und der gedeckten Krawatte. Doch Wolf spielt gern mit dieser Tiermetapher – und die Menge spielt mit. „Ouuu“, antwortet es ihm aus tausend Kehlen, als er über die großen Themenfelder streift und Duftmarken setzt.

Kultusminister nennt Wolf einen Märchenerzähler

Der Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann ist für ihn eine „personifizierte Feststellbremse“, weil er nur Fußgänger und Radler, nicht aber den Autoverkehr fördere. Den Kultusminister nennt Wolf einen Märchenerzähler, der die Realschulen nicht wirklich stärke, sondern nur die Gemeinschaftsschulen – und seine eigenen Kinder auf Privatschulen schicke. Und als der Name des Grünen-Fraktionsvize Uli Sckerl fällt, da bedarf es gar keiner weiteren Erläuterung für ein ohrenbetäubendes „Ouuu“.

Ja, der Kandidat beherrscht die Klaviatur des Einpeitschens, wenngleich der Aschermittwoch ja noch kein Wahlkampfauftakt sein soll, wie er Journalisten gegenüber betont. Erst im nächsten Jahr will er den eröffnen und über ein Moratorium demnächst mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann reden. Am Fastnachtsdienstag beim Riedlinger Froschkuttelessen, wo beide einträchtig Polonaise tanzten, gab es dazu bereits Absprachen: „Wir sind als Narren anständig miteinander umgegangen.“

Das heiße aber nicht, dass er Rot-Grün in aller Ruhe regieren lasse, betont er und liefert prompt die bestellten Aschermittwochssprüche. „Japan war schon immer das Land des Lächelns, Baden-Württemberg ist das Land des Schwächelns“, bekennt er seine Vorliebe für Gereimtes. Es sei deshalb Zeit für die CDU zu regieren, denn die habe sich entstaubt, durchgefegt, erneuert.

Hang der Grünen zu Vorschriften persifliert

Dem CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl bleibt derweil, obwohl er sein Bierglas mit auf die Bühne nimmt, lediglich das Vorprogramm. Dabei haben auch seine Sprüche Unterhaltungswert – wenn er etwa über den Hang der Grünen zu Vorschriften persifliert: „Früher war das Symbol des Obrigkeitsstaats die preußische Pickelhaube, heute ist es die Sonnenblume der Grünen.“

Auf mögliche Wolf-Attacken sind die Grünen, die in Biberach ihren 20. politischen Aschermittwoch feiern, bestens vorbereitet. Schon 2012 sei der „Wolf-Leitfaden“ verabschiedet worden, sagt Alexander Bonde, Minister für den ländlichen Raum, und zitiert genüsslich aus der Handlungsempfehlung, wie mit auffälligen Wölfen umzugehen sei. Kritisch werde es erst, wenn sich der Wolf Menschen mehrfach nähere und sich anscheinend für sie interessiere.

Kretschmann überlässt Bonde die Rolle des Haudraufs, die diesem sichtlich Vergnügen bereitet. Der Aschermittwoch sei schließlich „der einzige Tag, an dem man der CDU mal auf gleichem Niveau begegnen darf“, sagt Bonde und landet schnell beim „Heimatdichter aus Tuttlingen“. Allerdings nütze auch der schönste Reim nichts, „wenn der Dichter nichts zu sagen hat“. Wolf habe vieles versprochen und wenig gehalten, überhaupt gebe es bei ihm immer zwei Meinungen. „Die von jetzt und die von vor fünf Minuten.“ Den 800 Gästen gefällt’s.

Jetzt habt ihr’s lustig gehabt, jetzt wird’s ernst

Dann spricht Kretschmann. „Jetzt habt ihr’s lustig gehabt, jetzt wird’s ernst“, sagt er, zur Feier des Tages in dunkelgrauem Janker und weinrotem Hemd. Er wirbt für Europa, das eine Wirtschaftsgemeinschaft sei, aber erst noch zur Wertegemeinschaft werden müsse, und warnt vor Pauschalurteilen gegen den Islam.

Er verteidigt das Asylrecht und erklärt, warum Flüchtlinge, die vor der Armut geflohen sind, abgeschoben werden. Er fordert eine Außenpolitik, die die Fluchtursachen in Serbien, im Kosovo und anderen Staaten bekämpft – „das Schicksal dieser Menschen darf uns nicht egal sein“.

Er lobt die Beschäftigten im Land und die Rentner, die sich in großer Zahl ehrenamtlich engagieren, und empfiehlt sich am Ende zur Wiederwahl. Er könne schließlich zwischen „richtigem und falschem Jammern“ unterscheiden – Letzteres komme vor allem von der CDU, die an allem und jedem nur herummäkle, es aber an großen Gegenentwürfen fehlen lasse.

Der Dienstwagen, den er von seinem CDU-Vorgänger Stefan Mappus übernommen hat, habe noch 340 Gramm Kohlendioxid je Kilometer abgegeben, sein ganz neuer – ebenfalls ein Daimler – liege bei 65 Gramm. Inzwischen lobten auch Wirtschaftsbosse im Südwesten die strengeren Vorgaben für den Klimaschutz, weil ihre High-Tech-Produkte gefragt seien.

"Vor dem Märchenonkel Guido müssen wir uns nicht fürchten"

Auch die SPD, die in Ludwigsburg zur Abrechnung geladen hatte, nimmt Wolf ins Visier. „Vor dem Märchenonkel Guido, diesem bösen Wackel-Wolf, müssen wir uns nicht fürchten. Schließlich sind wir Rotkäppchen ja mit jedem Wolf fertig geworden “, beruhigt SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Doch der Wolf sei gar nicht echt, der färbe sich ja die Haare, lästert er und präsentiert auf der Bühne ältere und aktuelle Fotos des CDU-Spitzenkandidaten.

SPD-Landeschef Nils Schmid erklärt, Baden-Württemberg brauche keinen „PeGuido“. Wolf hatte sich kürzlich im Landtag von der Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) distanziert, der Islam gehöre zu Deutschland.

Unterdessen bringen sich in Karlsruhe die Liberalen gegen Grün-Rot in Stellung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirke auf viele „wie ein älterer Hund, der tut nichts, wenn man ihm im Wald begegnet“, spottet Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Landeschef Michael Theurer wettert gegen die „Verbots- und Verzichtsideologie der Grünen“. Gebraucht werde eine Partei, die dem Markt mehr vertraue als dem Staat.