Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Foto: dpa

Politikwissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim rät zur Prüfung der Koalitionsoptionen im Land.

Stuttgart - Der Stuttgarter Politikwissenschaftler Frank Brettschneider empfiehlt den Grünen im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten, die Option einer schwarz-grünen Landesregierung zu prüfen.

Herr Brettschneider, wie kam es zum überraschenden Ergebnis im Wahlkreis Stuttgart I?
Der herausragende Bundestrend für die CDU hat auch Stefan Kaufmann in diesem Wahlkreis genützt. Es war aber auch seine Wahlkampfführung. Er kommt von hier und machte das deutlich. Sein Grünen-Rivale Cem Özdemir wurde kaum mit Stuttgart verbunden. Dessen Slogan „Für Stuttgart nach Berlin“ ist austauschbar und inhaltsleer.
Der Grünen-Bundespartei werden auch viele Fehler attestiert.
Die starken Grünen-Themen Umwelt und Energiewende waren nur marginal vertreten. Stattdessen wurde das Steuer-Thema vom Spitzenkandidaten Jürgen Trittin geprägt – und es war falsch. Auch kamen die Grünen, eigentlich eine Partei von Individualisten, als Bevormundungspartei rüber. Und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, als amtierender Bundesratspräsident eine Persönlichkeit von Gewicht, wurde im Wahlkampf der Bundes-Grünen versteckt. Gelegenheitswähler hatten übrigens kaum Grund, für die Grünen zu stimmen, denn das Ziel einer rot-grünen Regierung war seit längerem erkennbar aussichtslos. So viele Fehler auf einmal habe ich selten erlebt.
Warum hat nicht mal die rot-grüne Erststimmenkampagne in Stuttgart funktioniert?
Wähler lassen sich nicht gern verschieben. Vielleicht hätte der Wahlkampfpakt bei einer anderen Großwetterlage ein bisschen mehr bewirkt, so aber nicht.
Und der OB-Bonus, weil die Grünen das Stadtoberhaupt in Stuttgart stellen?
Bei Bundestagswahlen ist so etwas unbedeutend. Es wird eher eine Rolle spielen bei der Kommunalwahl im Mai kommenden Jahres.
Wie kommen die Grünen wieder aus dem Tief ?
Entscheidend wird sein, wie die Bundes-Grünen auf die schallende Ohrfeige bei der Bundestagswahl reagieren. In Baden-Württemberg sind sie pragmatisch und sprechen ein bürgerliches Klientel an. Bei der stärker links-orientierten Bundespartei gelten sie daher als Exoten. Obwohl sie Erfolg haben. Sie sollten vor der nächsten Landtagswahl in zweieinhalb Jahren auch klären, was ihre machtpolitischen Optionen sind. Dass CDU-Landeschef Thomas Strobl Angela Merkel die Sondierung einer schwarz-grünen Koalition empfohlen hat, verstehe ich auch als ein Signal von Strobl ins Land hinein, zu den baden-württembergischen Grünen.
Hat die CDU im Land nicht viel mehr Stimmen eingeheimst, als beim aktuellen Zustand der CDU-Landespolitik zu erwarten wäre?
Sie hat natürlich auch vom massiven Schub aus dem Bund profitiert. Das gute Ergebnis darf ihr trotzdem Mut machen. Die Frage ist, ob sie den Schub nachhaltig nutzen kann und ob sie eine dauerhafte Mobilisierung der Wähler bis zur Landtagswahl schafft.
Das Problem S 21 ist bei Wahlen abgehakt?
Für die Mehrheit der Wähler spielt das Thema keine entscheidende Rolle. Würde es im Bund zu schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen kommen, wäre Stuttgart 21 aber nicht abgehakt.