Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck ist mit Drogen erwischt worden – offenbar handelte es sich um Crystal Meth. Foto: dpa

Erneut wird ein Politiker des Drogenbesitzes überführt. Kein Grund, hämisch zu werden. Tatsächlich gehören Drogen zum Alltag der Gesellschaft, schreibt Berlin-Korrespondent Norbert Wallet.

Berlin - „Wenn jemand am Boden liegt, sollte man nicht auch noch draufschlagen.“ Wolfgang Bosbach hat das gesagt, der Innenpolitiker der CDU, über seinen Fachkollegen Volker Beck von den Grünen. Die beiden haben sich in der Sache oft leidenschaftlich bekämpft. Menschlich haben sie sich durchaus geschätzt. Nun, da Becks politische Karriere einen vielleicht endgültigen Knick erfährt, weil er in Berlin mit Drogen erwischt worden ist, geht Bosbach zurückhaltender mit Beck um als manch andere, zum Beispiel als viele seiner Parteifreunde, den grünen Ministerpräsidenten eingeschlossen. Das Internet fällt ohnehin mit Häme über Beck her. Das hat wohl mehr mit der unverhohlenen Freude darüber zu tun, einen Prominenten stürzen zu sehen als mit ernster Empörung über den Drogenfund.

Denn dass erneut – nach dem Fall Hartmann – ein einigermaßen herausgehobener Politiker des Drogenbesitzes überführt wird, ist keineswegs ein Hinweis darauf, wie abgehoben und eigengesetzlich die politische Welt funktioniert. Tatsächlich gehören Drogen zum Alltag der Gesellschaft. Und zwar nicht nur der gesellschaftlich akzeptierte Alkohol oder das in vielen Milieus zumindest tolerierte Cannabis. Auch Pillen und Substanzen, die es leichter erscheinen lassen mit Leistungsanforderungen fertig zu werden, sind auf dem Vormarsch: Versuchungen für Studenten im Examensstress wie für Manager auf der Jagd nach dem nächsten Geschäftsabschluss, dem Showstar vor dem nächsten Auftritt – oder dem Politiker vor der abendlichen Talkrunde.

Haben Politiker eine Vorbildfunktion?

Und doch: Ist die Politik nicht dennoch etwas anderes? Haben Politiker nicht eine Vorbildfunktion? Das ist schnell und leicht gesagt. Wer in der Öffentlichkeit steht, trägt Verantwortung für sein Handeln und Reden. Schon klar. Aber in der Rede von der Vorbildfunktion schwingt oft genug eine Art monarchistischer Reflex mit, die Sehnsucht nach dem Ideal eines unbefleckten Quasi-Heiligen, der über den Wirrnissen des Alltags mit all seinen Halbschatten und Zweideutigkeiten steht. Wieso aber sollte der Gewählte besser sein als die Wählenden? Das Ideal in einem demokratischen Gemeinwesen ist nicht der makellose Führer, sondern ein Parlament, das einen Querschnitt der Gesellschaft darstellt. Dann darf es nicht wundern, wenn die Abgeordneten denselben Versuchungen ausgesetzt sind und dieselben Schwächen zeigen wie jeder andere eben auch.

Nur hat die Sache zwei Seiten. So wie es einerseits unangemessen ist, Politiker in die Rolle von Unfehlbaren zu drängen, um sie dann umso spektakulärer zu verdammen, so abwegig ist es andererseits, wenn sich Politiker als Moralapostel gerieren, die Zeigefinger schwingend den rechten Weg der Tugend predigen. Der Politiker, der den Erzieher gibt, ist genauso unerträglich wie der Bürger, der sich einen Monarchen ersehnt.

Volker Beck war von dieser Versuchung nicht unangefochten. Vielleicht erklärt das einen Teil der Wucht, mit der er zumindest im Netz verurteilt oder bespöttelt wird. Irritierend ist hier übrigens die persönliche Erklärung, die er noch am Mittwochabend abgegeben hatte. Darin steht der bemerkenswerte Satz: „Ich habe immer eine liberale Drogenpolitik vertreten.“ Was soll das im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Polizei denn heißen? Als Politiker ist Beck Teil der Gesetzgebung. Aber das heißt nicht, dass die Gesetze für ihn nicht gelten – oder nur insofern, wie er mit ihnen übereinstimmt. Nur weil er eine liberale Drogenpolitik vertritt, bleibt der Besitz von 0,6 Gramm Crystal Meth, so er denn nachgewiesen ist, ein Gesetzesverstoß. In dem Satz schwingt ein unangenehmer Unterton mit. Dennoch. Wer Suchtstoffe braucht, ist krank. Da sollte man den Ton dämpfen.