Eine Frau, vier Männer: Nach dem Gesetz soll der Frauenanteil auch im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Wirtschaftslage steigen. Doch die Bundesregierung sperrt sich dagegen. Foto: dpa

Die Regierung hat sich verpflichtet, Beratergremien wie den Sachverständigenrat paritätisch mit Frauen zu besetzen. Doch in der Praxis dominieren die Männer.

Berlin - Die Politik verlangt von der Wirtschaft, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Doch wenn es um die eigene Frauenförderung geht, kneift die Regierung. Das dürfte sich demnächst bei einer Neubesetzung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung herausstellen. Bei den Fünf Weisen – so wird der Rat auch genannt – handelt es sich um ein traditionsreiches Gremium: Seit den sechziger Jahren geben die Ökonomen ihre wirtschaftspolitischen Empfehlungen ab. Die Jahresgutachten sollen Grundlagen für politische Entscheidungen liefern. Im Sachverständigenrat dominieren Männer. Einzige Frau in dem fünfköpfigen Gremium ist die Finanzmarktexpertin Isabel Schnabel. Im Februar läuft die Amtszeit des Ratsmitglieds Volker Wieland ab. Wieland ist als Experte für Geldpolitik unumstritten. Seine Kritik an der Niedrigzinspolitik der Europäischen Notenbank formuliert er eloquent und sachkundig. Sein Platz im Sachverständigenrat ist unstrittig. Die Verlängerung scheint sicher zu sein.

Über Zusammensetzung des Rats wird diskutiert

Dennoch beginnen in der geschäftsführenden Bundesregierung und im Bundestag Diskussionen über die Zusammensetzung des Rats. Anlass ist auch ein Gesetz der großen Koalition aus dem Jahr 2015, das die Besetzung von Gremien im Einflussbereichs des Bundes regelt. Dort heißt es: „Bei wesentlichen Gremien haben die Institutionen des Bundes darauf hinzuwirken, dass eine paritätische Vertretung von Frauen und Männern geschaffen oder erhalten wird.“ Von einer paritätischen Besetzung kann in vielen Bundesgremien jedoch keine Rede sein. Das gilt auch für den Sachverständigenrat. Dort beträgt der Frauenanteil gerade einmal ein Fünftel. Einerseits führte die Bundesregierung verpflichtende Frauenquoten für Aufsichtsräte von Unternehmen ein. Wenn es um eigenen Belange geht, legt die Regierung Pflichten lax aus. Nach dem Gesetz ist das federführende Wirtschaftsministerium gehalten, nach geeigneten weiblichen Kandidatinnen zu suchen. Doch der Gesetzestext lässt Spielraum.

Kerstin Andreae, Wirtschaftspolitikerin der Grünen-Bundestagsfraktion, pocht dennoch auf die Verbindlichkeit. Rechtlich müssten wichtige Gremien wie der Sachverständigenrat paritätisch besetzt werden, sagte Andreae unserer Zeitung. „Die Bundesregierung wäre gut beraten, ihr eigenes Gesetz ernst zu nehmen.“ Aus Sicht der Grünen-Abgeordneten müsse das nächste Mitglied im Rat eine Frau sein. Dies könne Impulse für die Wirtschaftspolitik in Deutschland bringen, meinte Andreae.

Die Grünen sehen Reformbedarf

Die Grünen sehen für die Fünf Weisen noch Bedarf zu weiteren Reformen. Aus deren Sicht sei der Rat zu stark auf Zahlen und Prognosen fixiert. Zum wahren Wohlstand gehörten zufriedene Bürger, fairer Zugang zu Bildung und saubere Luft. Der Sachverständigenrat wäre die richtige Stelle, um Debatten über die Qualität des Wohlstandszu führen.

Aus Sicht der Grünen müsse in den Expertisen des Rats der Klimaschutz eine stärkere Rolle spielen. Die Politikberater sollten aus grüner Sicht Konzepte zur ökologischen Modernisierung und Digitalisierung entwickeln. Mindestens ein Ratsmitglied müsse künftig über ausreichend Umweltexpertise verfügen, forderte Andreae. Bisher beschäftigt sich die Mehrzahl der Mitglieder mit Finanzpolitik.

Die Weichen für die Neubesetzung sind aber gestellt: Wieland kam auf Vorschlag der Arbeitgeber in den Rat. Arbeitgeber und Gewerkschaften dürfen je einen Ökonomen vorschlagen. Die Wirtschaft will an Wieland festhalten.