Verkleidung oder Klischee? Indianerkostüme im Einzelhandel Foto: Lichtgut/Leif Piechowski/Lichtgut/Leif Piechowski

„Political Correctness“ im Fasching? Manche meinen, die Narrenzeit solle vor allem Spaß machen - da könne man auch mal wegschauen. Andere plädieren für Respekt und kritisieren rassistische Kostüme. Wo ist die Grenze?

Bonn - Ein rot geschminkter Indianer, der Chinese hat ein gelbes Gesicht, pechschwarz ist der Afrikaner angemalt. Es ist Kostüm-Zeit! Quer durchs Land sind die Narren unterwegs. Die Debatte über rassistische Kostüme im Karneval ist wieder aufgeflammt. Der Sichtweise der einen Seite - „Ist doch nur Spaß!“ - setzt die andere dagegen: „Nicht auf Kosten anderer!“

„Schluss mit lustig“, sagt Kulturwissenschaftlerin Noa K. Ha. Sie sieht ethnisierende Kostüme als rassistisch an. „Warum meinen wir, dass es eine gute und lustige Verkleidung ist, sich ein stereotypisiertes Kostüm der vermeintlich nichteuropäischen Anderen überzuziehen - und sich nicht zu fragen, was dieser Akt der Verkleidung mit Kolonialismus und Rassismus zu tun haben könnte“, schreibt die Nachwuchsforschungsgruppenleiterin des Zentrum für Integrationsstudien der TU Dresden in der Zeitung „Politik & Kultur“ des Deutschen Kulturrates. Sie wolle „das rassistische Gepäck aus dem Karnevalskoffer“ holen.

Kinder sollen Spaß haben

Ulrich Brobeil vom Deutschen Verband der Spielwarenindustrie vertritt da eine andere Meinung. Es gehe darum, dass Kinder Spaß haben, dass sie etwas lernen und dass ihre Wünsche erfüllt werden. „Sie schauen zum Beispiel die Serie ‚Yakari’ im Kinderkanal und wollen dann selbst in die Rolle schlüpfen“, erklärt er in einem Beitrag der Kinderzeitschrift „Dein Spiegel“. Er vergleicht das mit Verkleidungen als „Eiskönigin“ oder „Star Wars“-Figur. Wer sich als Indianer anzieht, würde sich vielleicht auch näher mit dem Thema beschäftigen, Bücher lesen und „dann mehr über die Kultur und die Situation der Indianer in Nordamerika erfahren“.

Das Kostüm schere die vielen verschiedenen Kulturen der indigenen Völker über einen Kamm, widerspricht Ha. „Das ist beleidigend.“ Wer sich verkleidet, solle sich immer fragen: „Wie würde sich die Person, die ich mit diesem Kostüm meine, dabei fühlen“, regt sie an.

Laut Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti gibt es aus der Tradition heraus keine korrekten oder inkorrekten Kostüme. Vom christlichen Ursprung des Karnevals her „verkleidete man sich als Feinde der Christen: Teufel, Hexen, Dämonen“. „Man schlüpfte auf Probe in die Rolle der Gegenseite. Fastnacht ist der Gegenpol zur Fastenzeit“, sagt er im Gespräch mit der Katholische Nachrichten-Agentur (KNA).

Der christliche Bezug fehlt heute

Der Blick habe sich heute aber verändert, man schlüpfe generell in eine fremde Rolle. „Dabei nehmen wenige Rücksicht auf die Belange der Kostüm-Vorbilder. So wird die Nonne, der Mönch, der Bischof oder gar der Papst ins Lächerliche gezogen und als Narr dargestellt“, kritisiert Becker-Huberti. Es gehe nunmehr um das reine Vergnügen, der christliche Bezug fehle. „Es sollte aber dringend der Respekt gegenüber den anderen bewahrt werden, das fehlt in der heutigen Zeit. Ob Indianer-, Afrikaner - oder Nonnen-Kostüm“, so der Theologe.

Die Kulturanthropologin Gabriele Dafft beobachtet indes eine Veränderung im Umgang mit Kostümierungen. „Karneval hält der Gesellschaft den Spiegel vor - und ich finde es gut, dass hier eine Sensibilisierung für Alltagsrassismus stattfindet“, sagte sie in einem Interview der KNA. Es gehe nicht darum, einzelne Kostüme zu verbieten, so die Forscherin des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn weiter.

Klischees aus der Kolonialzeit

Der Kontext spiele eine wichtige Rolle bei Verkleidungen, betont Dafft. „Helfen kann ein Gedankenspiel: Wenn ich mich als Schwarzer verkleide und in der Bahn neben tatsächlichen Schwarzen stehe - wie fühle ich mich dann, wie fühlt sich das Gegenüber?“ Eine solche Situation könne unangenehm sein, wenn etwa bestimmte Klischees aus der Kolonialzeit aufgegriffen würden.

Expertin Ha weiß, dass ihre Kritik den Spaß verderben kann. Sie sei jedoch davon überzeugt, „dass wir in der Lage sind, Kostüme an Karneval zu tragen, die nicht rassistisch sind, sondern solche Kostüme tragen können, die dem Leben mit Humor, Respekt und Toleranz begegnen - sei es als Spazierstock, Lachmöwe oder Musikkassette.“