Dieses Computerbild zeigt eine Illustration von Planet IX und der weit entfernten Sonne. Ist er für das Massensterben der Dinosaurier verantwortlich? Foto: dpa

Im Januar erst wurde er der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Und jetzt soll Planet IX für Massensterben in der Erdgeschichte verantwortlich sein. Das behauptet der US-Astrophysiker Daniel Whitmire.

Stuttgart - Gerade mal zwei Monate ist es her, dass die Astronomen Michael Brown und Konstantin Batygin vom California Institute of Technology (einer Eliteuniversität in Pasadena im Los Angeles County, US-Bundesstaat Kalifornien) die Weltall-Fans mit aufsehenerregenden Hinweisen auf „Planet Nine“ – „Planet Neun“ enthusiasmierten. Und jetzt bahnt sich schon die nächste spannende Entdeckung an. Ist der ominöse Gasplanet X (nach der griechischen Göttin des Schicksals Tyche genannt) mit Planet IX identisch? Und ist er für die Massensterben in der Erdgeschichte verantwortlich? Diese These vertritt der Astrophysiker und Mathematiker Daniel Whitmire von der amerikanischen University of Arkansas in Fayetteville im renommierten Fachblatt „Monthly Notices oft he Royal Astronomical Society“.

Planet X = Planet IX?

Whitmires These lautet wie folgt: Erstmals 1985 fand der Forscher aufgrund von Berechnungen heraus, dass ein mysteriöser Planet die Sonne in zwanzigmal so großer Entfernung wie Neptun – dem äußersten Planteten unseres Sonnensystems – umkreist. Bei diesem Planeten könnte es sich um Planet IX handeln, den Brown und Batygin im Januar 2016 nachgewiesen haben. Da Whitmires damals von diesem Planeten IX noch nichts wusste, nannte er ihn Planet X (der Zwergplanet Pluto wurde damals noch als Planet klassifiziert).

Das Entscheidende ist nun die Schlussfolgerung, die Whitmire zieht. Er erklärt, dass Himmelskörper IX bzw. X alle 27 Millionen Jahre den Kuipergürtel passiert und dabei Kometen in Richtung Sonne und Erde schiebt. Die Kometenschauer würden die Sonne verdunkeln und auf die Erde wie ein gewaltiger Steinhagel niedergehen. Das Bombardement würde Gesteinsbrocken von ungeheurer Größe enthalten. So soll einer dieser mehrere Kilometer dicken Brocken laut Whitmire am Ende der Kreidezeit vor etwa 65 Millionen Jahren auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan niedergegangen sein und für den sogenannten Chicxulub-Impakt verantwortlich sein.

Der Chicxulub-Impakt

Der Krater – benannt nach dem Dorf Chicxulub – ist ein etwa 180 Kilometer großer und 65 Millionen Jahre alter Einschlagkrater im Untergrund im Norden der Halbinsel Yucatán in Mexiko. Die globalen Folgen des Einschlages und die darauf folgende mehrjährige Abkühlung und Dunkelheit auf dem gesamten Planeten soll für das Massensterben der Dinosaurier verantwortlich gewesen sein.

Die Kreidezeit dauerte von 145 bis 66 Millionen Jahren. Voraus ging ihr das Erdzeitalter des Jura, es folgte das Paläogen. Es war die Hochzeit der Dinosaurier, die während der Kreide immer riesenhaftere Dimensionen annahmen. Der Katastrophe vor 65 Millionen Jahren gingen fünf Massensterben voraus – das Schlimmste vor circa 252 Millionen Jahren an der Grenze vom Perm zur Trias. Innerhalb von 200 000 Jahren starben 95 Prozent allen Leben in den Meeren und 65 Prozent der landlebenden Tiere und Pflanzenarten.

Planet IX und die acht Planeten

Zwergplanet im Kuipergürtel

Astronomen zählen acht Planeten zu unserem Sonnensystem: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Bis 2006 gehörte noch ein neunter Planet dazu: Pluto. Aber der ist inzwischen zum Zwergplaneten herabgestuft worden. Planet Neun gehört – so er dann existiert – wie Pluto zur Gruppe der Zwergplaneten. Er soll zehnmal so schwer sein wie die Erde, behaupten Michael Brown und Konstantin Batygin. (Zur Info: die Erde wiegt 5,977 Trilliarden Tonnen.) Mit ihren Teleskopen haben sie Nummer Neun noch nicht gesehen. Ihre Hypothesen beruhen ausschließlich auf Berechnungen und Computermodellen. Aber: „Planet Neun“ erfülle alle Kriterien eines echten Planeten, erklärt Brown.

Demnach umkreist „Planet Neun“ die Sonne in durchschnittlich zwanzig Mal so großer Entfernung wie Neptun, der von den acht bekannten Planeten mit 4,5 Milliarden Kilometern am weitesten von der Sonne entfernt ist (Erde: 150 Millionen Kilometer). Das würde sich mit den Aussagen von Whitmire zu Planet X decken. Planet Neun wäre also rund 180 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt (Erde: 150 Millionen Kilometer). Kein Wunder, dass er so wenig Licht reflektiert und sich selbst stärksten Teleskopen wie dem Hubble-Teleskop im Weltraum entzieht.

Bomardement aus dem Kuipergürtel

Nach der Entdeckung von Eris 2005 bezeichnete die US-Weltraumbehörde NASA – genauso wie Whitmire – den Zwergplaneten, der sich im Kuipergürtel befindet und einen ähnlichen Durchmesser wie Pluto hat, noch als „zehnten Planeten“. Der Kuipergürtel ist ein gewaltiger Ring aus eisigem Geröll rund um Neptun. Der „Kuiper Belt“ (englisch für Kuipergürtel) ist nach dem niederländischen Astronomen Gerard Kuiper benannt. 1951 stellte er die Hypothese auf, dass einige Kometen aus dieser Region stammen könnten.

Schätzungen zufolge enthält der Kuipergürtel mehr als 70 000 Objekte mit über 100 Kilometer Durchmesser sowie zahlreiche kleinere Objekte. Die meisten von ihnen sind mit einem Durchmesser von zehn bis 50 Kilometern eher winzig. Mit einem Durchmesser von 2370 Kilometern gilt Pluto als größter Zwergplanet im Kuipergürtel. Um die Sonne einmal zu umrunden, brauchen sie mehrere hundert Jahre – im Fall von Planet IX wahrscheinlich sogar 10 000 bis 20 000 Jahre.

Massensterben in der Erdgeschichte

Eine Milliarde Hiroshima-Bomben auf Yucatan

Die Wissenschaftler sind sich heute einig, dass eine kosmische Katastrophe sämtliche Dinosaurier und rund 70 Prozent aller Tierarten in der Kreidezeit auslöschte. Ein Meteorit mit einem Durchmesser von 15 Kilometern und einem Gewicht von 3000 Milliarden Tonnen raste mit einer Geschwindigkeit von 20 Kilometern in der Sekunde auf die Erde zu. Auf der Halbinsel Yucatán im heutigen Mexiko schlug er ein.

Mit der Energie von einer Milliarden Hiroshima-Atombomben schlug er auf und grub sich 30 Kilometer tief ins Gestein. Der Krater, den er hinterließ, hatte einen Durchmesser von 200 Kilometer. Im Umkreis von 1500 Kilometern tötete die Hitzewelle augenblicklich jedes Leben. Erdbeben mit einer Stärke von 12 oder 13 erschütterten den Globus. Tsunamis rasten über Meere und Kontinente und hinterließen Zerstörung und Tod.

Doch das Schlimmste kam erst noch: Gewaltige Menschen an Ruß und Staub gelangten in die Atmosphäre, der Himmel verdunkelte sich. Der kosmische Gesteinsbrocken hatte eine Erdschicht mit viel Sulfat und Carbonat getroffen. Schlagartig wurden zwischen 100 bis 500 Milliarden Tonnen Schwefel wurden in die in die Atmosphäre geschleudert. Die daraus entstandenen Schwefelsäuretröpfchen ließen das Sonnenlicht nicht mehr durchdringen, so dass die Temperaturen um zehn Prozent fielen.

Mit dem Meteoriten kam die Dunkelheit und der Tod

Die jahrelange Abkühlung und Dunkelheit vernichtete sämtliche Wälder, das Plankton in den Weltmeeren verschwand. Und damit auch die Pflanzenfresser, die ohne Nahrung verhungerten, wenn sie nicht schon durch die unmittelbaren Folgen des Meteoriteneinschlags sofort getötet worden waren. Als die Nahrungskette zusammenbrach, verschwanden auch die Fleischfresser – und mit ihnen der Tyrannosaurus Rex, der gewaltigste Räuber, der je auf dem Land gelebt hat.

Die Meteoriten-Theorie existiert seit den frühen 1980er Jahren. Damals fanden Forscher im 200 Kilometer Chicxulub-Krater im Golf von Mexico eine hohe Konzentration von Iridium, einem auf der Erde äußerst seltenen Metall, das vor allem auf Asteroiden und Meteoriten vorkommt.

Nach einer anderen Theorie soll das Massensterben am Ende der Kreidezeit durch eine sich über einige Hunderttausende Jahre hinziehende Ausbruchswelle eines Supervulkans in der Dekkan-Trapp, einer mehr als 500 000 Quadratkilometer großen durch Vulkanismus geprägten Region in Westindien, ausgelöst worden sein. Was auch immer den globalen Tod auslöste, die Ära der Dinosaurier war für immer Geschichte.

Droht das nächste Massensterben?

Paläontologische Befunde der vergangenen Jahre bestätigen, dass es tatsächlich eine Periodik in den Erdzeitaltern gibt, die auf regelmäßige Aussterbewellen schließen lassen. Allerdings ist nicht klar, ob diese Wellen in das Zeitschema Whitemires passen, der von einem maximalen Intervall von 27 Millionen Jahren zwischen den einzelnen „Weltuntergängen“ ausgeht.

Sollten Whitmires Hypothesen zutreffen, könnte der Menschheit in einigen Millionen Jahren das Aussterben drohen. Der Chicxulub-Impakt – oder auch KT-Impakt (übersetzt Kreide-Tertiär-Einschlag) – vor 65 Millionen Jahren dürfte nicht der letzte gewesen sein. Das letzte Massensterben fand vor rund 50000 bis 12000 Jahren statt. Es hatte allerdings nichts mit Kometen, Asteroiden oder Meteroren zu tun.

Seit dem Ende des oberen Pleistozän starb ein Großteil der Fauna in Amerika, Eurasiens und Australien aus. Zwar betraf dieses Massenaussterben weit weniger Tierarten als beim KT-Impakt. Dafür aber wurden besonders beliebte Spezies dahingerafft – darunter das Mammut, das Wollnashorn und der Säbelzahntiger.