SPD-Chefin Andrea Nahles will eine 15 Jahre währende Debatte in der SPD über Hartz IV beenden. Foto: dpa

Mit ihren Plänen für einen radikalen Umbau des Sozialstaats bringt die Partei den Koalitionspartner in Berlin gegen sich auf. Nicht weniger Kritik kommt aus der Wirtschaft, die sich vor allem gegen eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I wendet.

Stuttgart - Die SPD will am Sonntag und Montag auf ihrer Vorstandsklausur einen radikalen Kurswechsel beschließen. Ihr Konzept für einen „Sozialstaat 2025“ enthält weitreichende Reformvorschläge für die Arbeitsmarktpolitik und die Absicherung von Arbeitslosen. Juso-Chef Kevin Kühnert nannte die zuvor von Parteichefin Andrea Nahles skizzierten Pläne „Quantensprünge in unserem Sozialstaat, die nur zum Ziel haben, dass Leute wieder arbeiten können, die lange raus sind“. Die Sozialkassen wie die Arbeitslosenversicherung seien „randvoll“. Zudem fließe das Geld „sofort in den Kreislauf zurück“, widersprach er Kritik der Union an der mangelnden Finanzierbarkeit der Vorhaben.

Unter anderem plant die SPD ein „Bürgergeld“ anstelle von Hartz IV. Für die Überprüfung von Vermögen und Wohnungsgröße soll eine zweijährige Schonfrist gelten. Arbeitslosengeld I soll bis zu 33 Monate gezahlt werden. Und Sanktionen speziell für jüngere Arbeitslose werden reduziert. Das Konzept enthält aber noch viele weitere Elemente wie das Recht auf einen mobilen Home-office-Arbeitsplatz.

Arbeitgeber beharren auf Prinzip „Fordern und Fördern“

Am deutlichsten wendet sich die Wirtschaft gegen das Konzept. Für die Arbeitgeber Baden-Württemberg wies Geschäftsführer Stefan Küpper die Vorstellungen der SPD zurück. „Wir müssen weiter an der Grundidee der Hartz-Reformen und dem darin verankerten Prinzip des Forderns und Förderns festhalten“, sagte er unserer Zeitung. Nicht zuletzt dank dieser Reformen sei die Arbeitslosigkeit in Deutschland massiv gefallen. Das Hauptproblem sei der Fachkräftemangel und nicht mehr Massenarbeitslosigkeit – auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen nehme deutlich ab. „Die SPD-Forderung nach einer verlängerten Arbeitslosengeld-Bezugsdauer ist deshalb schlicht unverständlich“, rügte Küpper. „Anstatt falsche Anreize zu schaffen, dass Menschen länger in Arbeitslosigkeit bleiben, müssen wir die Mittel in aktivierende Maßnahmen stecken.“ Förderprogramme wie das baden-württembergische Langzeitarbeitslosen-Projekt ‚Passiv-Aktiv-Tausch‘ seien da der richtige Weg.

Rückendeckung vom CDU-Sozialflügel

Rückendeckung erhält die SPD vom Sozialflügel der CDU: Auch der stellvertretende CDA-Bundeschef Christian Bäumler spricht sich für eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitslose aus. „Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, darf nicht in Hartz-IV abstürzen“, sagte er unserer Zeitung. „Nach 30 Jahren sozialversicherungsplichtiger Beschäftigung muss länger Arbeitslosengeld als bisher gezahlt werden.“ Einer Abschaffung der Sanktionen beim Arbeitslosengeld-II-Bezug erteilte der CDA-Vize aus Konstanz eine Absage. „Wer nicht mit dem Jobcenter zusammenarbeitet, braucht eine klare Ansage.“ Derweil zeigten sich linke Politiker in SPD und Linkspartei enttäuscht – auch weil die Regelsätze in der Grundsicherung dem SPD-Eckpunktepapier zufolge nicht erhöht werden sollen.