Julia und ihre Chefs: Claus Endreß (links) und Friedrich Schiek vor ihrem Automaten in Kirchheim am Neckar Foto: factum

Zwei Unternehmer wagen das Experiment in Kirchheim am Neckar: Hier sollen Kunden aus einem Pizzaautomaten zu jeder Tages- und Nachtzeit frisch gebackene Pizza ziehen können.

Kirchheim/Neckar - Mit einem metallischen Surren hebt Julia die Pizza Salami an und legt sie in einem Pappkarton ab. Dann schiebt sie den Karton durch einen Schlitz, sodass der hungrige Kunde sie mitnehmen kann. Das ist soweit noch nichts Besonderes: Die Deutschen essen jedes Jahr knapp 800 Millionen Pizzen. Doch Julia ist keine italienische Pizzabäckerin, sondern ein tonnenschwerer, 60 000 Euro teurer Back-Automat in Kirchheim am Neckar, aus dem man sich für sechs bis acht Euro eine gebackene Pizza ziehen kann. Tag und Nacht.

„Als ich das gesehen habe, war ich zuerst auch skeptisch“, sagt Claus Endreß. Der 51-jährige Unternehmer ist der Besitzer von Julia. Zum ersten Mal hat er einen solchen Automaten im vergangenen Jahr während eines Frankreich-Urlaubs gesehen. Der gelernte Koch ließ sich vom Betreiber, einem Restaurant-Besitzer, zeigen, wie das Konzept funktioniert, „und seitdem war ich davon fasziniert“.

Automaten mit Tiefkühlpizzen gab es bereits

Zusammen mit seinem Geschäftspartner Friedrich Schiek bestellte er zwei Automaten bei der französischen Firma, die auf Lebensmittelautomaten spezialisiert ist. Umsatz 2018: 3,3 Millionen Euro. Das Hauptgeschäft läuft in Frankreich, aber mittlerweile wird auch kräftig in europäische Nachbarländer expandiert: Belgien, die Niederlande, England. Und nun auch Deutschland. Laut Endreß und Schiek sind die Automaten, die sie aufgestellt haben, die ersten in Deutschland. Es gab zwar bereits vor knapp zehn Jahren die ersten Pizza-Automaten, beispielsweise in Stuttgart, aber hier handelte es sich um Tiefkühlpizzen, die dann im Automaten erwärmt wurden. Bei Endreß und Schiek und ihrer Firma My Pizzabutler sind die Pizzen frisch.

Aber warum ausgerechnet Ilsfeld im Kreis Heilbronn und Kirchheim am Neckar im Kreis Ludwigsburg – zwei vergleichbar kleine Kommunen? „Der Standort ist das A und O“, sagt Endreß. In Kirchheim steht der Automat auf dem Parkplatz eines Camping-Ausrüsters, gegenüber steht ein großer Supermarkt. Die B 27 mit bis zu 20 000 Autos täglich führt hier entlang. Autofahrer, die hier an der Ampel stehen, sehen den Automaten. Nachts ist er beleuchtet.

Eine Expansion nach Ludwigsburg ist geplant

Seit knapp vier Wochen stehen die Automaten nun. Im Schnitt werden täglich je 40 Pizzen gekauft – teilweise zu den ungewöhnlichsten Zeiten. „Zwischen 18 Uhr und 4 Uhr morgens ist unsere Hauptverkaufszeit“, sagt Schiek. Bis zu 15 verschiedene Varianten haben die beiden im Angebot. In seiner Pizzaküche in Pfaffenhofen bei Güglingen (Kreis Heilbronn) backt Endreß den Teig vor und belegt die Pizzen anschließend. Dann werden sie gekühlt und im Karton in die Automaten befüllt. Auf Knopfdruck wird die Pizza dann aus dem konstant vier Grad kalten Kühlbereich in den Ofen weitergeleitet. Nach drei Minuten ist alles fertig. Heraus kommt eine Pizza, die geschmacklich nicht mit einer Holzofenpizza im Restaurant mithalten kann, aber auf jeden Fall besser schmeckt als eine Tiefkühlpizza. Kleine Macken hat der Automat noch. So ist aktuell nur Bargeldzahlung möglich. Und schneiden muss man die Pizza auch selbst. „Wenn man die Pizza vorher schneidet, trocknet sie aus“, sagt Schiek.

Was die Hygiene angeht, wollen die zwei Männer besonders vorsichtig sein: Maximal 36 Stunden dürfen die Pizzen im Kühlfach liegen, ehe sie weg müssen. Und da der Automat eine „Smart Machine“ ist, sprich alle Aktionen digital aufzeichnet, soll der Wirtschaftskontrolldienst bei einer Überprüfung auch alles lückenlos einsehen können.

Für Endreß und Schiek ist mit den zwei Automaten der Ofen noch lange nicht aus: Vier weitere haben sie in Frankreich bestellt. Die sollen unter anderem nach Ludwigsburg und Stuttgart kommen. Bedenken, dass sie den traditionellen Pizzabäckern und Lieferdiensten die Kundschaft wegnehmen, haben sie nicht: „Wir decken hier eine Nische ab. Hier kann man herkommen, wenn die anderen bereits dicht haben“, sagt Endreß.