Pieter Laurens Mol, „A Row of Willows near Vinkeveen Foto: Galerie Parrotta

Er will nicht die Realität abbilden, sondern Ideen. Eine Begegnung mit dem Künstler Pieter Laurens Mol in der Galerie Parrotta in Stuttgart.

Stuttgart - „Oh Gott“, dachte Pieter Laurens Mol, als er in der Dunkelkammer seines Fotostudios Filmstreifen fallen ließ. Die Ungeschicklichkeit blieb nicht folgenlos – das Material war zerkratzt. Nicht die Realität abzubilden, sondern eine Idee sichtbar zu machen war schon damals das Konzept des Niederländers. Mol macht sich selbst im weißen Overall zum Protagonisten einer Großfotografie, adaptierte die Figur des stürzenden Ikarus, der beim Fallen Spuren hinterlässt.

Und dann sitzt Pieter Laurens Mol fast 40 Jahre später in der Galerie Parrotta Contemporary Art in Stuttgart vor dieser 3,05 mal 2,08 Meter großen Schwarz-Weiß-Fotografie mit dem selbstironischen Titel „Einmal schnell mit mir selbst den Boden fegen“ und erzählt im Gespräch mit Werner Meyer, Direktor der Kunsthalle Göppingen, vom Zufall als Ideengeber und seinen unverzichtbaren Wurzeln in der niederländischen Kunst – alles „very important“ für den 69-Jährigen. Dass er auf die Kratzspuren aus dem Jahr 1975 nicht verzichten mochte, kommentiert Mol auch als „meine japanische Seite, meine Zen-Seite“. Japanische Fotografen hatten auf frühen fotografischen Arbeiten den Regen zum Beispiel nachträglich auf die Fotos gekratzt.

Für sich entdeckt hat Sandro Parrotta den Niederländer in der Stuttgarter Sammlung Rolf H. Krauss. Zweimal war Mol bei Parrotta in den vergangenen Jahren in thematischen Gruppenausstellungen zu sehen. Mit 30 Werken ist der 1946 in Breda Geborene nun in einer Einzelausstellung präsent.

Unterwegs in Malerei, Zeichnung und Skulpturen

Fallen, Verlust, Suche sind metaphorische Begriffe, mit denen sich Mol in all den Jahrzehnten seiner Arbeit auseinandersetzt. Konzeptionelle Überlegungen waren es, die der frühe Mol in den 1960er und 1970er Jahren in Medien wie Malerei, Skulptur, Zeichnung, Film, Foto und Installation umsetzte. „Die Instrumente der Kommunikation in dieser Zeit waren sehr expansiv und durch die Politik bestimmt“, sagt Mol und hält die geballten Fäuste leicht gegeneinander.

In einem 16-Millimeter-Filmstreifen aus dem Jahr 1973 (Titel: „Scultura Italiana“) positioniert sich der Künstler auf dem Markusplatz in Venedig. Mit Architektur, Touristen und Tauben im Hintergrund befasst sich der junge Mann ruhig und gelassen mit dem geschlechtsspezifischen Objekt, das sich in seiner Jeans befindet. 1973 eine Provokation, heute ein Beitrag zum gesunden Lachen. Mol, der sich der kombinatorischen Methode der Surrealisten bedient, bekennt: „Ich male mit der Kamera, Fotografie ist so viel mehr.“

Welcher Zufallsmoment (und falls überhaupt einer) hinter dem tragikomischen Fall auf der Farbfotografie „Blue Defeat“ steckt, hat Mol in Stuttgart nicht verraten. Mit einem Breitpinsel in der linken Hand, der mit blauer Farbe die Falllinie auf einer Wand zieht, ist im Moment des Kameraauslösens der Künstler von einem Holzpodest gestürzt. Die Füße auf dem Gerüst festgeklemmt, liegt der Kopf auf steinigem Boden. Bequem sieht das nicht aus. Mol sagt: „Ich bin nicht an einer Kunst interessiert, die sich als Plattform der Inszenierung eigener künstlerischer Subjektivität versteht.“ Er wolle Vertrautes und Alltägliches betrachten und wiedererwecken.

Seine Arbeit als Künstler versteht er so: „Ich fühle mich manchmal wie ein Dompteur, der mit den Elementen umgehen muss, die für ihn selbst verschwommen und ungreifbar sind. Meine Aufgabe besteht im Zähmen des Materials.“

Die menschliche Figur ist fast verschwunden

Alle seine Werke seien „Aussagen meines Geistes“. Wunderbar vertraute Assoziationen weckt sein Werk „Stervende Zonnebloem“. Die Arbeit kann als Hommage an Vincent van Gogh gelten. Neben den abgestorbenen Blütenkranz hat Mol einen Kerzenhalter an die Wand installiert. „Ich mag die niederländische Historie“, sagt er.

Seit den 1990er Jahren ist die menschliche Figur fast ganz aus seinen Arbeiten verschwunden. Ironie und Melancholie bleiben. Titel wie „Das Frans Hals Receykling Unternehmen“ (1988) oder „De Jonge Mozart“ (2007) – eine Büste des Komponisten schmückt ein zum Hütchen gefaltetes Notenblatt – stehen neben Landschaften („Six Willows in a Row“) und Stillleben („Anatonomy Lesson – Sand in the Machine“).

Wie schnell doch ein Mensch fallen kann, scheitern kann. Pieter Laurens Mol zeigt ein simples Beispiel. Er rückt sein Wasserglas zum Rand des Tischchens und kommentiert den Beinahe-Fall mit einem Geräusch. Balance zu halten, sagt er, sei nicht leicht.

Die Ausstellung „Forty-Five Feathers fallen on a Field“ ist noch bis zum 9. April in der Galerie Parrotta (Augustenstraße 87, Di bis Fr 11 bis 18, Sa 11 bis 16 Uhr) zu sehen. www.parrotta.de