Die Liegestühle werden von den Passanten gern angenommen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Zahlreiche Besucher der Innenstadt nehmen am Samstag das Angebot zum Picknicken mitten in der City an. Sie lauschen Straßenmusikern, genießen Prosecco und tauschen sich mit Anwohnern aus.

Stuttgart - Wo anfangen mit der Picknick-Tour, wenn die City volle 29 Stationen bietet zwischen Mailänder Platz und Gerbervierterl? Das ganze Programm, von A bis Z, vom Alten Schauspielhaus bis zur Zeitung beim Hans-im-Glück-Brunnen! Vielleicht mal vom Rande her, von der Calwer Straße, wo die Straßenbahn auf Grün macht und das Carré mit den kanariengelben Sommerliegen markiert, mit der eingeprägten, hübsch suggestiven Parole des Tages: „Sommer, Sonne, Stuttgart City!“ Für Kinder ist das die perfekte Gummibärchen-Tankstelle, während Eltern zum Marketing-Dreiklang lieber ein paar Schritte weitergehen, wo der Start sich lässig anlässt mit was Prickelndem vom Feinverkoster: Prösterchen!

Sehr familiär ist das, was dem Straßenmusiker Benjamin Köhler gefällt. Er hatte bei seinem Einstieg am Milaneo gleich „verdammt vielen“ Früh-Picknickern aufgespielt und packt gerade den Gitarrenkoffer zur nächsten Station. Er liebt dieses Wanderleben: „Diese Momente, dieser Vibe, ein Teil der Atmosphäre zu sein und dann den Leuten eine kleine Pause vom Konsumstress zu verschaffen!“ Das schafft auch das Trio „Happy Street“ am Südeingang des Gerber. Der perfekte Kontrast zum Spektakel, das die Sackpfeifer mit ihren Messerartisten vom Mittelaltermarkt weiter unten machen. Flammend fleht Sängerin Linda die sexy Lady an, ihr den Liebsten nicht zu nehmen: Einfach nur, weil sie´s könnte. „Jolene, Jolene!“ Flammen, die auch nicht erlöschen, als der Himmel erst das Getröpfel, dann den Schauer schickt. Denn dann geht es einfach unterm großen Schirm der Gastronomie weiter, was die Gäste dort sehr goutieren.

Anlieger und Gäste kommen beim Picknick zusammen

„Jetzt hat Stuttgart ausgepicknickt!“, glaubt Karin Friedel aus Weilheim, die erst einen Krankenhausbesuch gemacht hat und nun „die schöne Atmosphäre“ genießen wollte. Ganz falsch liegt sie da nicht, auch nicht am Gerberplätzle, wo Platz und Sommerliegen zum Mittag voll besetzt waren, und wo auch die Anlieger die Gelegenheit genutzt hatten, Platz zu nehmen. Für sie war der Picknick-Event auch ein Tauffest für den taufrisch zurückeroberten Plätzles-Namen. Und für Kinder war der „rauschende Nesenbach“, aus Schläuchen gespeist, sowieso der Hit. Jetzt aber ist der Platz leicht matschig, die Liegen sind eingeklappt. „Ein paar Bäumle haben wir trotzdem beisammen!“, sagt Martina Reintaler tapfer. Zumal es auch Spenden gab für den Flohmarkt zugunsten der „Global Plant“-Aktion. Eine Sektflasche ploppt, die Plane über der Ware wird zum Segel, ein Dutzend Leute lauscht der brasilianischen Sängerin. Bald schon aber könnte der Nesenbach allein aus himmlischem Nachschub rauschen.

Im Rathaus auf der trockenen Seite

Auf der trockenen Seite sind die Picknicker im Rathaus. Das Zelt auf der Dachterrasse war sicherheitshalber verschlossen geblieben. Da hatten die Gäste es sich eben auf dem Kunstrasen vor dem Panoramafester gemütlich gemacht: „Hier war dauernd was los und nur gute Laune“, versichert die Security-Frau. Jetzt gerade ist eine ganz aufgekratzte Gruppe aus Gerlingen da: Junggesellinnen-Abschied! Nach einer kulinarischen Tour durch den Westen haben sie „im Regen auf dem Schlossplatz getanzt“, jetzt sind sie hier lustig: „Den Drehorgelmann da unten nehmen wir mit zum Karaoke!“ Da hat sich der Marktschreier für den guten Zweck auf dem Kleinen Schlossplatz schon ins Bier-Busle zurückgezogen. Arbeit ist aber noch im Dorotheen-Quartier angesagt, wo im Doppelzelt niemand nach dem Wetter fragt. Hier wird gerade eingedeckt fürs exquisite „White Dinner“. Ansonsten aber hat es sich ausgepicknickt am späten Nachmittag. Ist ja auch ein bisschen kühl geworden inzwischen.