Auf der Wiese vor dem Bismarckturm ist Schlemmen mit Blick auf die Stadt Programm. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Bismarckturm der Landeshauptstadt ist öffentlich, zu Fuß und mit dem Rad gut zu erreichen. Er thront inmitten großer Villen. Für Genießer genau das richtige Ziel für ein stilvolles Picknick mit Weitblick.

Stuttgart - Unser Ziel ist eine Anhöhe mit weitem Blick. Davon gibt es in Stuttgart einige, aber nur wenige mit einem 360-Grad-Panorama: den Bismarckturm. Wer will, kann dessen 92 Stufen erklimmen (nur am Wochenende) und kommt noch höher hinaus. Die Belohnung: ein Rundblick von der Zollernalb zum Kappelberg bis hinaus ins Strohgäu. Überaus reizvoll sind freilich auch die Villen der Stuttgarter High Society, die sich unter alte Baumriesen ducken. Am Fuß des Turms gibt es Mäuerchen zum Sitzen und Grasflächen zum Ausbreiten der Decke, aber auch Tische und Bänke zum Rasten. Leider fehlen sanitäre Anlagen, die nächste öffentliche Toilette ist beim Killesbergpark.

Was soll in den Picknickkorb? „Nichts, was schwer im Magen liegt“, sagt Daniela Hippchen-Meiser wie aus der Pistole geschossen. Sie unterrichtet an der Stuttgarter Hedwig-Dohm-Schule Ernährungslehre und Chemie, daher weiß sie, was der Körper braucht auf einer Wanderung oder Fahrradtour. Die Fachfrau ist zum Glück gnädig: „Manche vertragen Linsen- oder Kartoffelsalat tadellos.“ Optimal aber sei eine Mischkost: Pflanzliches, Vollwertiges, Saisonales, Regionales. „Je bunter, desto besser die Versorgung mit Mineralstoffen, Vitaminen und Ballaststoffen.“ Da wir aber keine Rosskur machen, gilt: „Es muss schmecken, transportierbar sein und ansprechend aussehen.“

Tafeln mit Stil Wenn schon im Villengebiet, dann Picknick mit Stil. Der Trend geht zum Glas: Kuchen, Salate, Desserts in Weckgläsern. Die Anreise setzt der Eleganz freilich Grenzen: Ein Wanderer oder Radler, sagt Daniela Hippchen-Meiser, „sollte sich nicht mehr als zehn Kilogramm aufladen“. Die Alternative sind Plastikschüsseln, die es mit eingebautem Kühlfach gibt. Ein Thermorucksack, angereichert mit Eiswürfeln im Vakuum, hält selbst gebratene Frikadellen oder Quarkdips frisch, während Milchprodukte und Himbeeren durch das Gerüttel am Ende des Wegs eher geronnen oder zermatscht ankommen.

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Was empfiehlt die Expertin? Als Vorspeise empfiehlt uns die Ernährungslehrerin alle Variationen von Dips – aus Oliven, Avocado, Quark, Kichererbsen. Zum Eintunken eignet sich Rohkost je nach Geschmack. Zum Picken: Oliven in Quark-Öl-Teig gebacken oder Tomaten-Mozzarella-Sticks. Beate Jung, ebenfalls Lehrerin an dem beruflichen Gymnasium, legt Veganern Edamame ans Herz, unreif geerntete Sojabohnen, gewürzt mit Meersalz und Chiliflocken (der Hülsenfrucht tun eine Spur Knoblauch und ein Spritzer Zitronensaft übrigens auch ganz gut). Als erfrischende Hauptspeise würde sie eine kalte Gurkensuppe im Glas auftischen, als Eiweißbombe Linsensalat mit Vollkornbrot, außerdem herzhafte Hefeschneckennudeln, Frikadellen aus Getreide oder Sandwiches. Und zum Schluss? Melone, denn die braucht kein Gefäß.

Tafeln wie die Briten In Frankreich tauchte im 17. Jahrhundert erstmals der Begriff pique-nique auf als Bezeichnung für Leute, die im Gasthof (gemeinsam) speisten, aber ihren eigenen Wein mitbrachten. In England soll das Wort „picnic“ erstmals 1748 als Begriff für ein gemeinsames Essen unter freiem Himmel gebraucht worden sein. Bis heute stellt das Picnic in der britischen Oberschicht ein gesellschaftliches Ereignis dar.

Ein bisschen Luxus darf schon sein Wer fürs Picknick aufs Auto nicht verzichten kann, sollte es – stilvoll inmitten der herrschaftlichen Anwesen – im Rolls-Royce tun. Der Hersteller hat in diesem Jahr den teuersten rollenden Picknickkorb der Welt präsentiert. Es ist ein Cabriomodell namens Boat Tail mit einer maßgeschneiderten Picknickanlage im Heck: Porzellan, Gläser, Champagnerkühler, Stühlchen, Sonnenschirm. Laut Fachpresse kostet der Wagen zwischen 23 und 28 Millionen Dollar.

Wer hat das Zubehör erfunden? Auf John Montagu (1718–1792), dem vierten Earl of Sandwich, soll zurückzuführen sein, dass wir belegte Brote mit einer Hand halten können. Er war leidenschaftlicher Kartenspieler und hasste Unterbrechungen, weshalb sein Koch die gestapelte Stulle erfand. Der deutsche Glasbläser Reinhold Burger verkleidete Glasgefäße mit Metall und ließ sich die Thermosflasche patentieren. Der Amerikaner Earl Tupper erfand eine Frischhaltedose aus Polyethylen und legte damit den Grundstein für den gleichnamigen Konzern. Selbstredend ist der Picknickkorb in England erfunden worden, zu dessen Inhalt eine Picknickdecke gehört. Wer will sich schon von Ameisen anpinkeln lassen?

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Warum Bismarckturm?

Der Bismarckturm wurde einst zu Ehren Otto von Bismarcks gebaut. Eine Folge des Kults, der die Studentenschaft in ganz Deutschland erfasst hatte. In Stuttgart setzten die Studenten der Technischen Universität dem verstorbenen Reichskanzler 1904 ein 20 Meter hohes, massiges Monument. Bis 1914 wurde auf der Aussichtsplattform in einer großen Feuerschale das Sonnwendfeuer entfacht. Dieser Bombast fehlt heute niemandem mehr. Decke ausrollen und Schlemmen reicht völlig.

Rezeptideen fürs Picknick

Scharfe Sache
Zu einem feurigen Ananas-Dip braucht man 250 ml Ananassaft, 5 Esslöffel „Zigeunersoße“, 3 El Stärke, 1,2 Tl Curry, etwas Tabasco, Salz, Pfeffer. Alles verrühren, aufkochen und 5 pürierte Scheiben Ananas zugeben. Für Käserondelle aus 300 g Vollkornmehl, 75 g Haferflocken, 30 g Hefe, 1 Tl Honig, etwa ¼ l lauwarmes Wasser, etwas Öl und Salz einen Hefeteig kneten. Teig 3 mm dick auswellen und 8 cm große Plätzchen ausstechen. 2 Becher Crème fraîche, 200 g Frischkäse, 1 El Weißwein, ein Ei, Majoran, Curry und Kräutersalz vermischen und 300 g geriebenen Emmentaler, etwas Lauch und Knoblauch unterziehen. Masse auf die Plätzchen verteilen, mit Speckwürfeln bestreuen und bei 200 Grad etwa 20 Minuten backen.