Philippe Barbarin wurde zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Foto: AFP

Für die Opfer war die Enttäuschung groß, als die Anklage im Januar einen Freispruch im Fall Barbarin forderte - das Gericht hat nun anders entschieden. Für Beobachter ist das Urteil im Prozess wegen Vertuschung von Missbrauch historisch.

Lyon - Der einflussreiche Erzbischof von Lyon, Philippe Barbarin, ist wegen Vertuschung von Missbrauchsvorwürfen schuldig gesprochen worden. Ein Gericht in Lyon verurteilte den Kardinal am Donnerstag zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung, weil er Fälle sexueller Übergriffe auf Minderjährige nicht angezeigt habe. Barbarins Anwälte kündigten an, in Berufung zu gehen.

Das Urteil kommt überraschend, die Staatsanwaltschaft hatte keine Verurteilung gefordert - unter anderem, weil ein Teil der Tatbestände verjährt sei. Kardinal Barbarin und fünf weiteren Geistlichen wurde vorgeworfen, Missbrauchsvorwürfe gegen einen Priester nicht weiter verfolgt zu haben. Dieser soll in den 1980er Jahren gegen Dutzende Kinder übergriffig geworden sein.

Missbrauchsopfer sagen aus

Ein Opferverein hatte das Verfahren angestrengt, das im Januar begann. „Ich habe nie versucht, diese schrecklichen Taten zu verbergen, geschweige denn sie zu vertuschen“, hatte Barbarin zum Prozessauftag gesagt. Die Anwälte der Verteidigung sprachen von einem Schauprozess. Während des dreitägigen Verfahrens hatten auch Missbrauchsopfer ausgesagt. „Das ist historisch“, sagte Gino Hoel, Direktor der französischen Zeitschrift „Golias“, die sich mit religiösen Themen beschäftigt, dem Sender Franceinfo. „Wenn Kardinal Barbarin nicht zurücktritt, wäre das undenkbar.“

Der preisgekrönte Berlinale-Spielfilm „Grâce à Dieu“ (deutscher Titel: Gelobt sei Gott) von François Ozon setzt sich fiktiv mit den Vorkommnissen in Lyon auseinander. Das Urteil kommt nun kurz nach dem ersten Gipfel zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche im Vatikan und nur wenige Tage vor der beginnenden Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.