Mit Werbe-Humor und Superhelden-Klischee versucht die Stadt, Fachpersonal zu locken. Foto: Stadt Herrenberg

Die Stadt Herrenberg versucht, mit Geld und Humor Personal für die Kinderbetreuung anzuwerben. Das Problem ist ein bundesweites und wird sich verschärfen.

Herrenberg - Die Stadt duzt ihre künftigen Mitarbeiter schon mal. „Du bringst eine heldenhafte Freude an der Arbeit mit“. Oder „Du beherrschst sämtliche Abwehrtechniken gegen Kleisterkleberattacken“. So lesen sich die Anforderungen in einer Serie von Stellenanzeigen, mit denen die Stadt Erzieherinnen sucht. Der humoristische Text spielt mit dem Superhelden-Klischee, frei nach dem selbst erdachten Leitsatz: Supergirl war eine Erzieherin. Die Motive hängen auch auf Plakatwänden und werden als Postkarten verteilt.

Dieser Humor soll gegen einen Notstand helfen. Im Februar hatte das Sozialamt gleichsam eine Kapitulationserklärung verschickt: Weil Fachkräfte fehlen, wurden die Betreuungszeiten von Kindergärten gekappt. Dies entsprach längst dem Alltag. Eltern hatten sich monatelang damit herumplagen müssen, dass sie im Zweifel erst einen Tag zuvor erfuhren, wenn wegen eines Krankheitsfalls die Betreuungszeit früher endete als vereinbart. Dementsprechend türmten sich die Beschwerden vor allem berufstätiger Mütter.

Die Werbeoffensive zeitigt erste Erfolge

Die Werbeoffensive zeitigt erste Erfolge, allerdings nicht die gedruckte, sondern die im Internet. Die Stadt hat auf Facebook und Instagram ihre Supererzieher samt Kurzvideo veröffentlicht. „Wir haben für unsere Superkräfte-Aktion etliche Likes und auf das Video Bewerbungen bekommen“, sagt Anja Sobkowiak, die Leiterin des Personalamts. Vorerst noch ohne messbaren Erfolg: „Die Bewerbungsgespräche laufen gerade.“

Die Stadt muss im Moment 22 von 260 Arbeitsplätzen in den Betreuungshäusern besetzen. Hinzu kommt, dass 14 Erzieherinnen wegen Schwangerschaft nicht arbeiten können. Die Superhelden-Anzeigen sind nur ein Teil eines Konzepts gegen den Mangel. Der einfachste Anreiz für das Personal ist Geld – nicht nur für neue Mitarbeiter. Beschäftigte der Stadt bekommen bis zu 500 Euro Prämie, wenn es ihnen gelingt, Fachpersonal zu vermitteln.

Die vorhandenen Kräfte bekommen Zulagen

Die vorhandenen Kräfte bekommen eine Zulage ausbezahlt, wenn sie sich für Arbeit in Ganztageseinrichtungen entscheiden. In der jüngeren Vergangenheit hatten sich Betreuerinnen zunehmend in Häuser mit kürzeren Öffnungszeiten versetzen lassen. Eine Prämie von 200 Euro monatlich für Vollzeitkräfte soll die längere Arbeitszeit attraktiver erscheinen lassen. Weitere Vergünstigungen kommen hinzu.

Schließlich sollen noch zusätzliche Stellen für ungelerntes Personal geschaffen werden, das die Fachkräfte lediglich im Sinne der elterlichen Aufsichtspflicht unterstützen darf. Auch dies ist längst gängige Praxis. Bisher hatte die Stadt Aushilfen mit Ehrenamtspauschalen bezahlt. Insgesamt ist das Personal-Werbepaket auf knapp 400 000 Euro jährlich kalkuliert.

Die Statistik widerlegt, dass Herrenberg als Arbeitgeber unbeliebt ist

Dass Herrenberg als Arbeitgeber bei den Pädagogen generell unbeliebt ist, widerlegt die Statistik. Im Verlauf eines knappen Jahres standen 62 Kündigungen 72 Einstellungen gegenüber. Vielmehr grassiert auch bei der Kinderbetreuung ein Fachkräftemangel. In der jüngeren Vergangenheit hatte deshalb bundesweit fast wöchentlich ein Kindergarten schließen müssen. Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fehlen aktuell rund 100 000 Erzieherinnen. Bis 2025 werde die Lücke auf 300 000 Kräfte wachsen. Dies schlicht, weil die Städte verpflichtet sind, die Zahl der Plätze zu erhöhen. Hinzu kommt, dass immer höhere Ansprüche an die frühkindliche Bildung immer mehr Zeit beanspruchen.

In Herrenberg war die Entwicklung auf der Tagesordnung niedergeschrieben. Als Punkt eins beriet der Gemeinderat die Betreuungsplätze. 100 von ihnen sind allein im vergangenen Jahr neu geschaffen worden. 110 weitere werden folgen. Als Punkt zwei folgte das Personal-Werbepaket.