Beim Einkauf im Internet ist der Kunde transparent. Handel und Banken überlegen derzeit, wie sie davon profitieren könnten. Foto: dpa

Wer im Internet surft, hinterlässt Spuren – und damit Informationen darüber, wie zahlungskräftig der Nutzer wahrscheinlich ist. Forscher glauben, dass solche Hinweise künftig die Preise mitbestimmen werden – mit weitreichenden Folgen.

Frankfurt -

Frankfurt - Im Urlaub hat es fast jeder schon einmal erlebt: Das ungute Gefühl, der Taxifahrer könnte dem deutschen Touristen doch mehr abverlangt haben als den üblichen Tarif. Was aber, wenn die Ausrichtung von Preisen an der vermuteten Zahlungskraft zum System würde? Die Digitalisierung eröffnet dafür neue Möglichkeiten: Bei der Suche nach Produkten im Internet und beim Bezahlen hinterlassen Kunden Daten, die Rückschlüsse auf ihre Vorlieben und finanziellen Möglichkeiten zulassen.

Aus dem stationären Handel kennt man das von Treuekarten: Auf Basis der darauf gespeicherten Daten können einzelnen Kundengruppen besondere Rabatte angeboten werden. Ein Tauschgeschäft, auf das sich viele Kunden einlassen. Doch seit einigen Jahren häufen sich Hinweise auf Benachteiligung von Käufern, die sich dessen kaum bewusst sein konnten: So fand der WDR 2015 erhebliche Preisunterschiede je nachdem, ob Produkte über den stationären Computer oder via Handy-App bestellt wurden. Auch gab es wiederholt Berichte über höhere Preise für Nutzer von Apple-Endgeräten, die wegen der hohen Anschaffungskosten als besonders zahlungskräftig gelten.

„Ich bin sicher, dass es ab und zu derartige Experimente gibt, halte es aber für sehr unklug“, sagt Werner Reinartz, Professor für Handel und Kundenmanagement an der Universität Köln. „Das kommt zurück wie ein Bumerang, denn Kunden empfinden so etwas als sehr unangenehm.“ Für eine breite Anwendung personalisierter Preise in Deutschland gebe es bislang aber „kaum belastbare Evidenz“, stellen Reinartz und Forscher der Uni Düsseldorf in einer Ende 2017 veröffentlichten Untersuchung fest.

Ein häufig zitiertes Beispiel stammt aus einem Gutachten für den Sachverständigenrat für Verbraucherfragen von 2016. Demnach musste ein Testkunde, der zuvor im Internet nach Luxusartikeln gesucht hatte, für eine Pauschalreise mehr bezahlen als eine neutrale Vergleichsperson. Doch für den Preisunterschied von 34 Euro könne es andere Gründe geben als das Surfverhalten, sagt heute selbst einer der Autoren der Studie, Professor Michael Schleusener: „Solche Reisen werden aus unterschiedlichen Komponenten wie Flug und Hotelbuchung zusammengestellt, für die es wiederum verschiedene Preiskontingente gibt.“

Dass Preise im Tagesverlauf variieren, ist in der Tourismusbranche nichts Neues – und Verbrauchern seit jeher von der Tankstelle bekannt. „Dort hat man gelernt, damit umzugehen und eben lieber abends als morgens zu tanken“, sagt Professor Reinartz. „Trotzdem ärgert es die Kunden.“ Gleichzeitig erwarteten Verbraucher aber von jedem Unternehmen, dass es bei Preissenkungen von Wettbewerbern nachziehe – insofern sei die sogenannte dynamische Preissetzung durchaus auch im Kundeninteresse.

Mit dem Online-Handel wurde diese Methode allerdings auf zahlreiche Produkte ausgeweitet. Ein Extrembeispiel findet sich in einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Brandenburg, die Anfang des Jahres einen Monat lang 16 deutsche Online-Händler beobachtete: Zalando änderte in diesem Zeitraum den Preis einer Daunenjacke 23 Mal über eine Spanne von 130 bis 200 Euro.

Über vergleichsweise aussagekräftige Daten ihrer Kunden verfügen Banken. „Personalisierte Preise für Finanzdienstleistungen werden kommen“, glaubt Professor Volker Brühl, Leiter des Center for Financial Studies an der Universität Frankfurt. Während bei der Kreditvergabe seit jeher die Zahlungskraft des Kunden über den Zins und damit die Kosten entscheidet, erwartet Brühl künftig auch maßgeschneiderte Preise für Fonds und andere Wertpapiere: „Wenn ein Kunde wenig Erfahrung in der Geldanlage hat und schlecht informiert scheint, könnte der Ausgabeaufschlag für den Fonds durchaus ein bisschen höher ausfallen.“In Deutschland wisse er zwar bislang von keiner Bank mit derartigen Plänen – in den USA feilten aber schon mehrere Geldhäuser an entsprechenden Konzepten, sagt Brühl.