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Charlie Brown und seine Freunde werden 60. Die „Peanuts“ sind Antihelden der Vorstadt.

Minneapolis - Es ist das Jahr 1954, als Charlie Brown und Lucie an ihrer Comic-Klagemauer stehen und Charlie klagt: "Ich wünschte, jemand würde zu mir kommen und sagen: Charlie Brown, ich bin dein Freund." Und darauf Lucy: "Warum wünscht du dir nicht gleich Flügel?"

Fürwahr, es ist keine nette Welt, in der Charlie Brown sein Comicleben führt, obwohl die Vorstadtkulisse mit Sportplatz, Hundehütte und Klavier so bodenständig wirkt. Doch dem vom Pech verfolgten Jungen, dem heute vor 60 Jahren Charles Monroe Schulz mit ein paar Strichen das offizielle "Peanuts"-Leben schenkte, zieht Lucy ständig den Boden unter den Füßen weg. Prompt fällt er auf die Nase - und steht wieder auf. Charlie mag etwas dumm sein, aber er ist ein Kämpfer.

Kleines wird groß

Schulz, 1922 in Minneapolis geboren, erlebt genügend, was er für die "Peanuts" zeichnen kann: kleine Demütigungen etwa oder die große - leider unerwiderte - Liebe. 1943 wird er für die Armee eingezogen. Nach seiner Rückkehr sagt er über die erfahrene Einsamkeit: "Unter diesem Gefühl hatte dann vor allem der arme Charlie Brown zu leiden." 1946 druckt seine Heimatzeitung in Minnesota erstmals Comics von ihm: "Li'l Folks". Einer dieser "kleinen Leute" ist ein gewisser Charlie Brown. Ein netter, gutmütiger Kerl, der aber immer verliert. Doch diese "Geschichte großen amerikanischen Misserfolgs", wie Schulz es selbst nennt, hat Potenzial. Am 2. Oktober 1950 bekommen Charlie und seine Freunde einen eigenen Comicstrip - die "Peanuts".

Das Kunststück von Schulz: Mit spärlichen Federstrichen lässt er viel Platz für den Witz und schafft einen Stil, der in Dutzenden Ländern weltweit sofort erkannt wird. Kleines wird groß, einfaches plötzlich vielschichtig. Und nichts ist pädagoisch-eindeutig wie in vielen Kinderzeichnungen seiner Zeit. Linus braucht seine Schmusedecke, tötet aber damit auch Fliegen.

Lakonisch, traurig, heiter

"Es ist kein Zufall, dass die meisten großen Comic-Charaktere in einem ruhigen Stil gezeichnet sind", sagt Schulz über seine eigene Handschrift. "Nur so kann eine Figur mal tieftraurig sein und dann wieder rasend komisch."

Es ist eine lakonische, traurige, erheiternde, wehmütige Welt, in der die Kinder leben. Charlie, Linus und Lucy, der intellektuelle Schroeder oder der coole Beagle Snoopy, der am liebsten auf dem Dach seiner Hundehütte liegt und von dort auch mal die Luftkämpfe des Ersten Weltkriegs nachträglich ausfechtet. Sie haben Verlustängste und merken nicht, wer gerade in sie verliebt ist, weil sie selbst unglücklich verliebt sind. Wenn sie brutal sind, hat das nicht unbedingt einen tieferen Grund. Eigentlich leben sie das Leben von Erwachsenen, die Erwachsenen kommen aber nicht vor. Und wenn, dann als Sprechblase.

Lucy spielt manchmal die Erwachsene. Wenn die anderen sich gelegentlich einfach so quälen, macht sie das mit Bedacht: Eröffnet zum Beispiel als Psychotherapeutin eine Bude, die nur für Charlie Brown da zu sein scheint. Sie ist der heimliche "Peanuts"Star, ein kleines, kindliches Monster, das aber auch mal nett sein oder sich verlieben kann. Ihrer Welt entkommt aber auch sie nicht. So alt sie sind, die Peanuts sind in all der Zeit nicht größer geworden.

Mit dem Tod von Schulz endet die Arbeit

Schulz zeichnete jeden Strip selbst. Er verfügt, dass nach seinem Tod niemand seine Arbeit fortsetzen soll. Er stirbt am 12. Februar 2000. Am 13. Februar 2000 erscheint ein Bild mit den "Peanuts"-Charakteren und ein paar vorbereiteten Abschiedszeilen von Schulz ("Lieber Freund"). Dann ist Schluss.

Charlie, das Stehaufkind, behauptet sich aber immer noch. In Neuauflagen der Comics, im Gedächtnis der Leser, tragisch und komisch zugleich: Ob seine neue Uhr auch gehe, fragt ihn Peppermint Patty: "Nicht wirklich", sagt Charlie. "Die Zeiger stehen immer auf halb drei. Aber um halb drei ist sie so gut wie jede andere Uhr auf der Welt."