Gesünder ist es für die Schüler der Zollbergrealschule in Esslingen, wenn sie sich im Freien aufhalten. Foto:  

Die Stadtverwaltung Esslingen kämpft mit der giftigen PCB-Belastung an der Zollberg-Realschule. Die Klassenzimmer sollen in 70 Container verlagert werden, bis die Schule kernsaniert oder neu gebaut ist. Dabei ist auch brisant, wie das Problem überhaupt ans Licht kam.

Esslingen - Zur Zeit ist Land unter in der Esslinger Bauverwaltung. In großer Eile sucht die Stadt Baucontainer für die Schüler der Zollberg-Realschule und nach einem Architekten, der das PCB-belastete Hauptgebäude saniert.

Die Hektik ist teilweise selbst verschuldet, weil die Stadt die Warnungen eines Mannes ignorierte, der allerdings in der Verwaltung den Ruf hat, ein Quertreiber zu sein. Wer ist der Mann, der den Stein ins Rollen brachte? Jörg Sanzenbacher, 52, ist dreifacher Vater und freiberuflicher Grafiker. Er hat die Esslinger Verwaltung und das Städtische Gebäudemanagement (SGE) mehrmals aufgefordert, die Zollberg-Realschule und andere Gebäude auf Giftstoffe zu untersuchen. Betroffen ist er, weil er ein Kind auf der Realschule hat. Auf die Problematik von gefährlichen Baustoffen aufmerksam geworden ist er, als er selbst einen Altbau sanierte.

Die Vorgeschichte:

Im Jahr 2016 bat er die Stadt, Feinstaub-Sensoren in der Zollberg-Realschule einzubauen. Der Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht antwortete ihm damals eher ausweichend: „Es gibt in Schulen immer wieder Unruhe durch kontaminierte Baustoffe, wegen Elektrosmog . . . die Liste ließe sich beliebig verlängern. Halbwissen und Gerüchte führen dann zu großen Problemen im Handling solcher Diskussionen, deshalb würden wir ungern ein neues Feld für Irritationen aufmachen.“

Darauf antwortete Sanzenbacher: „Aus baujahr- und bautechnischen Gründen sind in Esslingen manche Schulgebäude grundsätzlich von Schadstoffen betroffen, wie zum Beispiel PCB und Asbest.“

Darauf erhielt er keine Antwort mehr. Als er im vergangenen Jahr zufällig sah, dass an die Zollberg-Realschule Feuertreppen geschraubt wurden, und zwar mitten in die belasteten Dehnfugen hinein, entsann er sich wieder des Schriftwechsels aus dem Jahr 2016 und legte nach: „Ich bitte Sie inständig, sich mit Nachdruck und Engagement um die Schadstoffsanierung der Esslinger Schulgebäude zu kümmern“, schrieb er an Wilfried Wallbrecht. Die Antwort fiel ziemlich ungnädig aus: „Sie haben mir erklärt, dass ich das Problem ignoriere. Das hat mich veranlasst, möglichst wenig mit Ihnen zu tun haben zu wollen.“

Doch ließ sich das Problem nicht ignorieren, vor allem, weil Sanzenbacher nicht aufgab und sich an den inzwischen neuen Leiter der SGE, Oliver Wannek, wandte. Die SGE veranlasste eine Messung – mit dem bekannten katastrophalen Ergebnis einer PCB-Belastung, die teilweise um das Zehnfache über dem Grenzwert liegt. PCB gilt als krebserregend, weswegen es weltweit verboten ist.

Die Stadt brauchte vier Monate, um zu reagieren

Obwohl das Ergebnis der Messung bereits im vergangenen Dezember vorlag, brauchte die Stadt vier Monate, um zu reagieren und auch erst, nachdem Sanzenbacher weiteren Druck aufgebaut hatte. Wilfried Wallbrecht hat sich bereits öffentlich dafür entschuldigt, dass er die E-Mail von 2016, in der es allerdings primär um Feinstaub gegangen war, zunächst nicht ernst genommen hatte.

Um seine Reaktion zu verstehen, muss man wissen, dass es eine Vorgeschichte gibt. Jörg Sanzenbacher war zu dem Zeitpunkt kein Unbekannter bei der Stadtverwaltung. Das Verhältnis muss ziemlich zerrüttet gewesen sein. Sanzenbacher hatte über verschiedene politische Kanäle eine Feinstaub-Messstation in der Grabbrunnenstraße gefordert, die auch eingerichtet wurde. Der Schulleiterin Brigitte Krömer-Schmeisser hatte er, als er noch Elternvertreter der Zollberg-Realschule war, in einer internen Angelegenheit mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gedroht.

Wilfried Wallbrecht, der nach eigenen Angaben täglich etwa 200 Emails abarbeiten muss, sagt aber auch, dass der Ton der Bürger in den letzten fünf Jahren ziemlich ruppig geworden sei, selbst wenn es um Kleinigkeiten gehe.

Zweite Messung noch katastrophaler

Weitere Zeit verging, in der die Stadt zunächst ein zweites Gutachten einforderte, dessen Ergebnis am 26. März vorlag. Diese zweite Messung korrigierte tatsächlich die erste Messung, aber ins noch Negativere. Hatte die erste eine Belastung von 3205 Nanogramm pro Kubikmeter gemessen, kam die zweite zum Ergebnis von 3614 Nanogramm pro Kubikmeter. Erlaubt sind allerdings nur 300 Nanogramm. Und selbst als ein Raum mustersaniert wurde und die Luft viermal ausgetauscht wurde, war der Grenzwert noch fünffach überschritten.

Die Meinung der Experten ist klar: Die belasteten Klassenräume müssen entweder saniert oder abgerissen werden. Das PCB war im Laufe der Jahrzehnte in die ganze Inneneinrichtung gedrungen. Selbst in den Stühlen gibt es eine Belastung, die deutlich höher ist, als der Grenzwert erlaubt. Das heißt, die Schüler sitzen gerade auf Sondermüll.

Im jüngsten Verwaltungsausschuss am Montag wurde über das Ausmaß der PCB-Belastung diskutiert. Die Verwaltung versucht nun, 70 Container für den Unterricht zu besorgen. Nach Pfingsten sollen sie in zwei Etagen neben der Zollberg-Realschule stehen. Die Kosten sind noch nicht bekannt, weil die Stadt erst Angebote einholen muss.

Jörg Sanzenbacher indessen gibt seine Protesthaltung nicht auf. Er glaubt nicht, dass die Stadt rechtzeitig Container herbeischaffen kann und fordert einen Umzug in die teilweise leer stehende Adalbert-Stifter-Schule in der Pliensauvorstadt. Allerdings ist die Schule wegen der Sperrung der Zollbergstraße etwa vier Autokilometer entfernt. Für den Umzug hat Sanzenbacher eine Elterninitiative gegründet. Als das Thema am Mittwoch noch einmal im Sozialausschuss diskutiert wurde, demonstrierten die Eltern und übergaben rund 30 Unterschriften.

Keine riesigen Investitionen

„Es geht uns nicht gut“, sagt die Rektorin Brigitte Krömer-Schmeisser, „wenn wir wissen, dass wir jahrzehntelang in kontaminierten Räumen unterrichtet haben. Wichtig ist, dass jetzt schnell gehandelt wird und dass wir ernst genommen werden.“ Die Containerlösung hält sie für die Beste und weiß auch das Schulamt auf ihrer Seite. Sie sieht zwar auch, dass es organisatorisch irgendwie gehen würde, Klassen zu verlagern und einen Buspendelverkehr einzurichten, der Schüler und Lehrer in die Adalbert-Stifter-Schule bringt. Dazu müsste sie aber die Lehrer-Deputate neu aufteilen, manchen Lehrern einen fachfremden Unterricht zumuten und den Stundenplan neu zuschneiden – und das alles kurz vor dem Schuljahresende. Das würde die Qualität des Unterrichts verschlechtern.

Gerade läuft die Bauverwaltung auf Hochtouren. Wilfried Wallbrecht hat zwei Mann damit beschäftigt, etwa 900 Bauaktenordner durchzuwühlen, um herauszufinden, welche öffentlichen Gebäude mit PCB belastet sein könnten und welche bereits saniert wurden, was meist schon in den 1980er und 1990er Jahren geschehen ist, als die Gefährlichkeit von PCB bekannt wurde. Ob die Schule auf dem Zollberg abgerissen oder neu gebaut wird, ist jetzt eine Kostenfrage. Weil allerdings nur der Hauptbau betroffen ist, rechnet Wallbrecht nicht mit riesigen Investitionen. Der Baubürgermeister glaubt auch nicht, dass die seit Jahren diskutierte Schulplanung dadurch durcheinander kommt.