Musikalisch wie äußerlich stilsicher: Paul Weller Foto: Universal Music

Der „Modfather“ Paul Weller verarbeitet auf seinem aktuellen Album „Fat Pop“ Einflüsse aus fünf Dekaden.

Stuttgart - Auf die Musik als Lebensbegleiterin ist Verlass, ohne sie wäre das Dasein nur halb so schön. Diese Auffassung, die viele teilen, steht im Zentrum von „Fat Pop“, dem Titelsong des aktuellen Albums von Paul Weller (62). Einflüsse aus fünf Dekaden Popmusik verschmelzen darauf zu einem universellen Sound, der ganz viele Ansprüche bedient.

„Fat Pop“ wartet mit einer lakonischen 80er-Grundstimmung auf, einem coolen Groove, Gitarren- und Synthesizer-Klängen, Handclaps, einer magischen Portion Jazz und Wellers unverkennbarer Männerstimme. In „Cosmic Fringes“ lässt er souverän Glamrock-Funken sprühen zu einem stark komprimierten Stampfbeat. „True“ ist eine Rock-’n’-Roll-Hymne mit schmatzenden Gitarrenriffs, griffiger Hookline und unterschwelligem Bläsersatz. Ein im Shuffle-Beat schwingendes Piano treibt die melancholische Hymne „Shades of Blue“ an, in der weibliche Chorsängerinnen das sonore Organ des Musikers umranken. Seine musikalischen Pole hat Paul Weller gleich zu Beginn seiner Karriere abgesteckt, zuerst mit dem Salon-Punkrock von The Jam („Going Underground“) und dann mit dem unterkühlten 80er-Soul von The Style Council („You’re the best Thing“).

Als in den 90ern der Britpop aufkam, huldigten Bands wie Oasis, Blur und Pulp Weller als Vorbild. Noel Gallagher von Oasis spielte Gastgitarre auf Wellers Dr.-John-Cover „I walk on gilded Splinters“, Weller steuerte zum Oasis-Hit „Champagne Supernova“ (1996) Gitarre und Gesang bei.

Die Grenzen früh abgesteckt

Zum „Modfather“ wurde Weller gar ernannt, zum Übervater einer distinguierten britischen Jugendbewegung der 60er Jahre. Mit Power-Pop, Parkas und Vespas grenzten die Mods sich von den Rockern ab, das später verfilmte Konzeptalbum „Quadrophenia“ (1973) von The Who handelt davon. Weller empfahl sich schon früh als idealer Gralshüter: Er ist musikalisch ebenso stilsicher wie im Hinblick auf sein stets makelloses Äußeres.

Analoges Klangbild

Funky gibt er sich im aktuellen Song „Testify“, eine 70er-Flöte setzt den Ton. In „The Pleasure“ treibt der Funk ein ausladend mit Streichern garniertes Arrangement an, in dem Weller sich dem souligen Crooning hingibt. Über einem rollenden Rock-Shuffle-Beat schwebt ein stimmungsvolles Spiel mit Dur und Moll in „Failed“, eine Punk-Rock-’n’-Roll-Gitarreneinlage erinnert an Wellers Wurzeln.

Sauber durchproduziert wirkt dieses Album, die unterschiedlichen Elemente verbinden sich zu einem stimmigen Gesamtsound. Dabei bleibt Paul Weller bei einem analogen Klangbild, er meidet Verfremdungen ebenso wie die steroide Aufgepumptheit mancher zeitgenössischer Produktionen. „Fat Pop“ ist kein in der der Gegenwart verortetes Album, sondern ein vollkommen zeitloses. Bis hin zum großen Orchester-Bombast in der Schlussnummer „Still glides the Stream“, die fürs Abendprogramm der großen Casinos in Las Vegas taugen würde.

Glorreiche Pop-Vergangenheit lebt

Paul Weller ist seit 1977 ohne größere Unterbrechungen präsent, er hat ein scharfes Profil und längst alle Grenzen gesprengt. Er ist er zu einer Art King of Britpop herangereift und kann mit seiner Musik viele trösten, die John Lennon, Marc Bolan und David Bowie vermissen. In Wellers Songs wird glorreiche Pop-Vergangenheit quicklebendig.

Das Album heißt korrekt übrigens „Fat Pop (Volume 1)“ – wenn das kein vielversprechender Cliffhanger ist.