Die deutschen Starter im Snowboardcross: Paul Berg (links) and Konstantin Schad Foto: dpa

Zu den Favoriten gehört Paul Berg nicht, wenn sich die Snowboardcrosser an diesem Montag ins Tal stürzen. Genau das sei sein Vorteil, meint der junge Mann aus Konstanz.

Sotschi - Es ist ja nicht so, dass Paul Berg etwas verloren gegangen wäre auf der Reise von Deutschland nach Russland. Sein Koffer ist gut angekommen, seine Snowboards auch, der Rest der Ausrüstung sowieso. So richtig komplett ist der Snowboardcrosser dennoch nicht bei den Olympischen Spielen von Sotschi – weil seine Schwester fehlt.

Nicht, dass der 22-Jährige ohne Familienanschluss nicht zurechtkommen würde, doch wenn es um den Sport geht, da musste er eben selten verzichten auf die zwei Jahre jüngere Luca. Gemeinsam haben sie mit dem Snowboarden angefangen, gemeinsam haben sie beim SC Konstanz trainiert, gemeinsam sind sie besser und besser geworden – und als es darum ging, den Schritt in Richtung Leistungssport zu vollziehen, haben sie das selbstredend auch gemeinsam gemacht. Vor dreieinhalb Jahren ging’s vom Bodensee aus ins Ski-Internat nach Oberstdorf. „Wir hatten also immer jemanden von der Familie dabei, der einem auch mal Rückhalt geben konnte, wenn es mal nicht so lief“, sagt Paul Berg und ergänzt: „Ich kenne das gar nicht anders.“ Nun, im Olympischen Dorf von Sotschi, muss er sich also umstellen. Wegen einer bitteren Vorgeschichte.

Vor einigen Wochen war das Berg-Duo nämlich noch davon ausgegangen, dass der erste Auftritt bei Olympia ein gemeinsamer wird. Paul hatte im kanadischen Lake Louise die nationale Norm (ein Top-8-Ergebnis) ebenso erfüllt wie seine Schwester. Die beiden feierten, die beiden freuten sich – und die Eltern buchten den Flug nach Sotschi. Doch einige Tage später war das Glücksgefühl auf einen Schlag verflogen. Um einen internationalen Quotenplatz für den olympischen Cross-Wettbewerb der Frauen sicher zu haben, fehlten Luca Berg wichtige Punkte. Im Jahr zuvor war sie schwer am Knie verletzt, das rächte sich nun. Am Ende hat es nicht gereicht. „Die Enttäuschung war groß“, sagt Paul Berg, „das ist fast schon tragisch, da sie ja am Regelwerk gescheitert ist.“ Kurz hat Luca Berg überlegt, ob sie dennoch nach Sotschi reisen soll, Paul hat „versucht, ihr Halt zu geben“. Als Zuschauerin bei Olympia zu sein, spart sich seine Schwester nun aber doch. Der 22-Jährige ist deshalb nicht weniger motiviert. Im Gegenteil.

Zwar betont er, mit der Qualifikation für die Spiele im Grunde sein Soll schon lange erfüllt zu haben. Wenn er aber auch sagt, dass alles was jetzt noch komme „eine Zugabe“ sei, dann spürt man auch: Diese Zugabe soll auch zu einem ordentlichen Ergebnis führen. Dass er zu den Außenseitern gehört, spielt ihm in die Karten. „Dass ich hier ohne jeglichen Druck an den Start gehen kann, ist vielleicht ein Vorteil“, sagt der Sportsoldat aus Konstanz, der in Sonthofen mit dem Ravensburger Skirennläufer Fabio Renz – er feierte kürzlich sein Weltcup-Debüt – in einer Sportler-WG wohnt. Zu den Namenlosen in seinem Sport gehört er aber nicht mehr.

Nachdem Paul Berg in dieser Saison regelmäßig in der Weltspitze mitmischte, bekam er für die X-Games Ende Januar eine Einladung. Bevor die Snowboardcrosser zum olympischen Programm gehörten, war diese Veranstaltung das Nonplusultra. Also nahm Paul Berg teil, „aber 110 Prozent habe ich da sicher nicht gegeben“. Denn: „In diesem Jahr ist Olympia das, was zählt.“ Und mit ein wenig Glück bringt er sogar Zählbares mit nach Haus.

Der Wunsch nach einer Medaille klingt derzeit zwar noch wie eine Utopie, und Konstantin Schad gilt als der aussichtsreichere deutsche Starter, Paul Berg aber weiß auch: „In unserem Sport kann immer alles passieren.“ Seine Schwester kann dann ein Lied davon singen. Wenn auch ein trauriges.