Wohl nur noch ein Auslaufmodell: das Schild der geschlossenen Notfallpraxis. Foto: Gottfried Stoppel

Die Notfallpraxis in Waiblingen schließt. Nun müssen Patienten aus Fellbach und Kernen künftig wohl nach Winnenden oder Schorndorf ausweichen.

Fellbach/Kernen - Bei der medizinischen Versorgung müssen sich Patienten aus Fellbach, Kernen oder dem Remstal auf einen weiteren Einschnitt einstellen. Nach dem heftig umstrittenen Standortwechsel des Rems-Murr-Klinikums nach Winnenden schließt nun offenbar auch die Notfall-praxis Waiblingen dauerhaft ihre Pforten.

Wer in den Abendstunden oder gar am Wochenende bei seinem Hausarzt vorverschlossener Tür steht, findet nach Lage der Dinge künftig auch in der Kreishauptstadt keine Anlaufstelle mehr. Im Gegenteil: Auf der Suche nach ärztlicher Hilfe müssen sich Patienten zumindest außerhalb der regulären Öffnungszeiten auf den Weg nach Schorndorf oder Winnenden machen – oder gleich auf das Angebot in Stuttgarter Einrichtungen umschwenken.

Der Notarzt ist von der Schließung nicht betroffen

Der ebenfalls in Waiblingen stationierte Notarzt ist von der geplanten Schließung der Notfallpraxis nicht betroffen. Um im Akutfall rasch vor Ort sein zu können, soll am bisherigen Standort nicht gerüttelt werden. Das geht aus einem Schreiben hervor, mit dem der Rems-Murr-Landrat Richard Sigel nicht nur seine Kreisräte, sondern auch den Waiblinger Rathauschef Andreas Hesky über den drohenden Verlust in Kenntnis setzt.

Sigel spricht in dem Brief von einer „überraschenden Entscheidung“, sieht aber durch das Aus für die Notfallpraxis nicht die Patientenversorgung im Rems-Murr-Kreis beeinträchtigt. „Die Geschäftsführung der Rems-Murr-Kliniken wurde von mir bereits darauf hingewiesen, die Zusammenarbeit mit den Notfallpraxen weiter zu optimieren, um weiterhin eine bestmögliche Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten“, beruhigt der Landrat.

Verantwortlich für die Schließungspläne ist allerdings nicht der Rems-Murr-Kreis, sondern ein 1998 für die bisher drei Notfallpraxen zwischen Spiegelberg und Kaisersbach eingerichteter Trägerverein. Vorsitzender ist der Allgemeinarzt Dr. Christian Schmidt. Er war für Rückfragen am Montag nicht erreichbar. Für die Schließung der Waiblinger Anlaufstelle spricht aus Sicht des Vereins offenbar der starke Rückgang der Patientenzahlen. Seit der Verlagerung der Klinik hat sich auch der Besucherstrom in der Waiblinger Notfallpraxis angeblich zu den Standorten in Schorndorf und Winnenden orientiert. Mit Blick auf diesen Trend will sich die Ärzteschaft lieber auf zwei erfolgreiche Filialen konzentrieren als in Waiblingen mit einer kaum besuchten dritten Praxis quasi am Publikum vorbei zu operieren.

Das Provisorium wird gut angenommen

Hintergrund der Überlegungen für eine dauerhafte Schließung ist die Tatsache, dass die Notfallpraxis im Moment ohnehin nicht geöffnet ist. Bei einem Brand in der Waiblinger Zentralklinik im April musste die Einrichtung bekanntlich evakuiert werden. Auch nach den Aufräumarbeiten blieben die Pforten geschlossen, weil der Notfalldienst seine Räumlichkeiten für die ausgebrannte Arztpraxis eines Kollegen zur Verfügung stellte – und Patienten deshalb bisher schon nach Winnenden und Schorndorf schickt.

Weil dieses Provisorium von den Patienten laut Christian Schmidt trotz der verlängerten Fahrtwege besser angenommen wird als gedacht, denkt der Trägerverein über eine dauerhafte Schließung nach. Mit eine Rolle spielt auch, dass der Vermieter der Räumlichkeiten davon ausgeht, dass es bis zu einem Abschluss der Renovierungsarbeiten ohnehin noch längere Zeit dauern wird.

Für den Rems-Murr-Kreis ist die Entwicklung nicht nur wegen des Einschnitts beim medizinischen Angebot ärgerlich. Allein in Waiblingen, Fellbach und Kernen leben knapp 120 000 Einwohner im Einzugsbereich der Waiblinger Notfallpraxis, die umliegenden Ortschaften im Remstal oder entlang der B 14 noch gar nicht mitgerechnet. Mit dem Brand wurde in Waiblingen auch nicht versichertes Inventar vernichtet, zu dem der Landkreis und die Stauferkommune bei der Anschaffung jeweils 12 000 Euro beigesteuert haben. Alles andere als glücklich sind auch die Kreisräte über die geplante Schließung. Als Erster auf die Landrats-Post reagiert hat der Fellbacher FW/FD-Fraktionschef Ulrich Lenk: „Ich bin ehrlich gesagt überhaupt nicht begeistert von dieser Entwicklung, weil die ärztlichen Notfallpraxen einst eingerichtet wurden, um eine lokale und patientennahe Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten“, erinnert er an die Historie. Aus Sicht des Lokalpolitikers wird mit dem Rückzug aus Waiblingen eine vor Jahren gegebene Zusage gebrochen: „Uns wurde versprochen, diesen bürgernahen Dienst auch in der Fläche dauerhaft aufrecht zu erhalten. Es gehört für mich zu den größten Enttäuschungen der Gesundheitspolitik, dass dieses Versprechen schon bald wieder gebrochen worden ist und viele Notfallpraxen mittlerweile dicht sind“, sagt der Schmidener.

Lange Jahre gab es auch in Fellbach beziehungsweise Schmiden derartige Hilfseinrichtungen – gern genutzt gerade von älteren Bürgern, die laut Lenk nicht mehr so mobil sind und deshalb lange Anfahrtswege scheuen. Auch liege es nicht im Interesse von wirklich auf einen Notarzt angewiesenen Akut-Patienten, dass jetzt noch mehr hilfesuchende Bürger sich an den Notarzt wenden und diesen dabei unter Umständen für lebensrettende Einsätze blockieren. Zu befürchten sei auch, dass sich der Schritt negativ auf die immer noch zeitweise überlastete Notaufnahme der Klinik in Winnenden auswirkt.