Selten wurde einem profanen Aufzug so viel Ehre zuteil. Die Stadt hat am Dienstag ihre Paternoster im Rathaus wieder in Gang gesetzt. Vor dem mit einer grünen Plastikgirlande aus imitierten Tannennadeln umkränzten Umlauf-Aufzug im Foyer bildeten sich Schlangen.

Stuttgart - Rund acht Wochen hat die Rettung der Paternoster gedauert. Bundesministerin Andrea Nahles hatte die beliebten alten Aufzüge mit ihrer Betriebssicherheitsverordnung bundesweit zum 1. Juni aufs Altenteil geschoben, dabei aber nicht mit dem Proteststurm gerechnet, der ihr aus allen Richtungen der Republik ins Gesicht blies. „Wir freuen uns diebisch, dass es uns bis hoch zur Bundeskanzlerin gelungen ist deutlich zu machen, dass wir die Risiken des Lebens selbst einschätzen können“, sagte Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) am Dienstag beim Knopfdruck zur Inbetriebnahme im Rathaus.

Nicht nur die Stadtverwaltung, auch das für die Arbeitssicherheit zuständige Umweltministerium von Franz Untersteller (Grüne) hatte sich in Berlin ins Zeug gelegt, um die Verordnung von Nahles in Rekordzeit zu korrigieren. Dank eindeutiger Hinweise am Aufzug und einer zweisprachigen Betriebsanweisung darf auch künftig jeder Besucher den Paternoster nutzen. Nahles wollte das nur noch eingewiesenen Beschäftigten gestatten.

Der Paternoster erklimmt die Stockwerke mit Ökostrom

Wenn der Boden der offenen Aufzugskabine in Sicht komme „einen Fuß rein, dann den andren nachziehen, beim Aussteigen einen raus, den anderen wieder nachziehen", erläuterte Wölfle den Besuchern der Paternoster-Party die sichere Nutzung. „Es war vorher nicht gefährlich und das ist es jetzt auch nicht, genießen Sie die Aussicht während der Fahrt“, kommentierte der Bürgermeister die zurückgenommene Überregulierung vor einer großen Besuchertraube. Er schätze „diese Form von freier Fahrt für freie Bürger ganz besonders“, so Wölfle. Der Paternoster erklimme die Stockwerke übrigens mit Ökostrom, sagte der Bürgermeister.

Zwei der drei Paternoster im Rathaus sind bereits seit 1956 in Betrieb. „Sie sind kein Spielzeug“, so Umweltminister Franz Untersteller, „aber wenn man sich an die Betriebsanweisung hält, dann ist das ein sicheres Transportmittel“. Zur Wiederinbetriebnahme, dem eine Reparatur vorausging, verteilte die Stadt Paternoster-Führerscheine und Buttons, während der Fahrt erklangen Fahrstuhlmelodien wie „Upside Down“ und „Love in elevator“.

Die Umlaufaufzüge werden künftig wieder während der üblichen Öffnungszeiten des Rathauses, also werktags von 8 bis 16 Uhr, in Betrieb sein. Neben der Betriebsanweisung wurde auch die Steuerung geändert. Der rot hinterleuchtete Halteknopf findet sich jetzt nicht mehr, sondern ein grellroter Notaus-Knopf. Der alte Halteknopf sei vor allem von asiatischen Besuchern öfter gedrückt worden, weil sie geglaubt hätten, der offene Aufzug lasse sich wie ein geschlossener damit anfordern und anhalten und dann in der hölzernen Kabine wieder in Gang setzten, so Wölfle. Dem ist aber nicht so. Wer Wert auf Tempo legt sollte übrigens nicht den Paternoster im Foyer, sondern den im Rathaus-Altbau nutzen. Er fährt fast zwei Sekunden schneller von Stockwerk zu Stockwerk.