Im vergangenen Jahr flossen von Firmen und Verbänden insgesamt 1,5 Millionen Euro an Parteien Foto: Fotolia

Die baden-württembergische Wirtschaft spendet kräftig an Parteien. Doch insgesamt beobachten Experten eine zunehmende Zurückhaltung. Die meisten Firmen stecken ihr Geld lieber ins weniger transparente Sponsoring von politischen Veranstaltungen.

Stuttgart - Der Trend in der Wirtschaft geht weg von den Spendierhosen. Zumindest, wenn es um die für alle einsehbaren Spenden von über 50 000 Euro an politische Parteien geht. Experten halten die Möglichkeit der Einflussnahme der Wirtschaft über Parteispenden für eher gering. Und sehen auch keine wirkliche Alternative zur Finanzierung von Parteien.

„Generell ist die Spendenbereitschaft der Unternehmen und Wirtschaftsverbände zurückgegangen“, sagt Josef Schmid, Professor für Politikwissenschaft an der Universität in Tübingen. Als Grund nennt er einerseits die negative Wahrnehmung von Spenden in der Öffentlichkeit und die Tatsache, dass 2014 ein politische ruhiges Jahr war. Ähnlich ruhig war es 2003 – ein Jahr nachdem die Pflicht zur zeitnahen Veröffentlichung aller Spenden über 50 000 Euro eingeführt wurde. Trotzdem war das Spendenaufkommen aus der Wirtschaft damals mit 2,1 Millionen Euro höher als im vergangenen Jahr (1,5 Millionen Euro.)

Grundsätzlichen seien die Parteispenden aus der Wirtschaft ein heikles Thema, sagt Schmid. „Bei den meisten Menschen tendiert die Möglichkeit, mal eben zwei Millionen Euro spenden zu können, gegen null“, sagt er. „Wer spenden kann, sind die Vermögenden“, so Schmid. „Und das sind eben zumeist die Arbeitgeber.“ Somit bestünde die Gefahr, dass sich die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft auch hier abbilde. Das gleiche gelte bei der regional unterschiedlichen Spendenaufkommen. 2014 kamen allein 585 000 Euro aller Spenden der Wirtschaft von der baden-württembergischen Verbänden und Unternehmen. Gleichzeitig hält Schmid allerdings die Möglichkeit zur politischen Einflussnahme über Parteispenden für gering. „Die großen Unternehmen und Verbände betreiben hier eher politische Landschaftspflege.“ In die gleiche Kerbe schlägt Michael Koß, Politikexperte bei Transparency International. „Das Unternehmen über die Spenden tatsächlich politische Entscheidungen beeinflussen können, halte ich für unwahrscheinlich“, sagt er.

Beispiel Südwestmetall erhitzte die Gemüter

Wie schnell die Gemüter hochkochen, wenn es um Parteispenden aus der Wirtschaft geht, hat zuletzt das Beispiel Südwestmetall gezeigt. Die Arbeitgebervereinigung hat den Grünen im vergangenen Jahr mehr Geld gegeben hat als die Jahre zuvor. 2014 erhielt die Umweltpartei 100 000 Euro – nach 60 000 Euro in den Vorjahren. Die Höhe richte sich nach dem Einsatz für die soziale Marktwirtschaft, so der Verband. Den vergleichsweise geringe Beitrag für die SPD wurden mit dem Einsatz der Sozialdemokraten für die „Rente mit 63 und den Bildungsurlaub“ begründet. Damit brachte der Verband den Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) gegen sich auf. „Südwestmetall demaskiert sich mit diesen Äußerungen selbst“, sagte Nikolaus Landgraf, DGB-Chef in Baden-Württemberg.

„Es zeugt von einem seltsamen Demokratieverständnis, mit Spenden politische Entscheidungen frei gewählter Parlamente im Arbeitgebersinne beeinflussen zu wollen“, so Landgraf. Erfahrungen wie diese führten dazu, dass Unternehmen und Verbände Parteispenden zunehmen in Frage stellen, sagt Koß. „Jedes Unternehmen und jeder Verband überlegt sich inzwischen drei Mal, ob sich die Spende wirklich lohnt, wenn sie einem am Ende um die Ohren gehauen werden kann.“ So hat beispielsweise der Versicherungskonzern Allianz seine Spendenpraxis Anfang des Jahres umgestellt – und die jährliche Spende in Höhe jeweils 30 000 Euro für die Union, SPD, die Grünen und die FPD eingestellt. Und zwar zu Gunsten der Förderung von gesellschaftlichem Engagement und den politischen Nachwuchsorganisationen. Auch Verbände wie der Baden-Württembergische Maschinenbauverband VDMA verzichten auf Parteispenden. „Wir investieren die Beiträge unserer Mitglieder in die Verbandsarbeit“, sagt Dietrich Birk, Chef des baden-württembergischen VDMA, unserer Zeitung. Zudem fördere der Verband Projekte über eine Stiftung. „Da bleibt kein Spielraum für Parteispenden.“

Handelsverband fordert schnellere Veröffentlichung

Auch der baden-württembergische Handelsverband ist zurückhaltend. „Wir spenden traditionell gar nichts“, sagte Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Verbands, unserer Zeitung. „Damit vermeiden wir jede Diskussion.“ Koß hält das System der Parteifinanzierung in Deutschland für akzeptabel. „Das ist ein bunter Mix“, sagt er. „Spenden aus der Wirtschaft machen mittlerweile unter fünf Prozent der Einnahmen der Parteien aus.“ Seine Organisation fordert jedoch, dass Spenden bereits ab einer Höhne von 10 000 Euro innerhalb eines kurzen Zeitraums veröffentlich werden sollten. „Zudem wäre eine Deckelung auf 50 000 Euro pro Spende wünschenswert.“ Er geht davon aus, dass die Wirtschaft künftig zunehmend dazu über geht, als Sponsor von politischen Veranstaltungen aufzutreten statt zu spenden. „Als Sponsor sind die Offenlegungspflichten wesentlich lockerer.“

Josef Schmid von der Universität Tübingen sieht unterdessen wenig Alternative zu Parteispenden. „Parteien haben einen erheblichen Finanzbedarf“, sagt er. „Wenn wir keine komplett staatlichen finanzierten Parteien haben wollen, bliebe nur noch die Möglichkeit die Mitglieder stärker zur Kasse zu bitten.“ Angesichts der Politikverdrossenheit und der ohnehin überschaubaren Bereitschaft, sich in Parteien zu engagieren, hält er diese aber für nicht umsetzbar. Der Arbeitgeberverband Südwestmetall will unterdessen weiterhin Geld an Parteien geben. „Wir sehen uns nicht dazu veranlasst, unsere Spendenpraxis zu ändern“, sagte Stefan Wolf, Vorsitzender des Verbands, unserer Zeitung. „Wir pflegen bei diesem Thema seit Jahren maximale Transparenz.“ Die Kritik an Parteispenden habe dazu geführt, dass der Spendenanteil an der Parteienfinanzierung in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen sei. „Insbesondere Firmen trauen sich wegen möglicher öffentlicher Kritik nicht mehr, als Einzelspender aufzutreten.“