Der Hörfunkmoderator Matthias Holtmann (1. v. links), sein Neurologe Klaus Schreiber und die Moderatorin der Veranstaltung, Stefanie Anhalt. Foto: Thomas Kienzle

Frank Elstners Erkrankung bringt das Thema wieder auf: Wie funktioniert ein Leben mit Parkinson? Experten und der erkrankte SWR-Radiomoderator Matthias Holtmann haben 2017 darauf eine Antwort gegeben.

Stuttgart - Beschönigen tut Matthias Holtmann nichts: „Diese Krankheit ist ein großer Mist!“ Seit annähernd zehn Jahren weiß der 67-jährige Hörfunkmoderator vom SWR, dass er an Morbus Parkinson erkrankt ist. Und seit der Diagnose versucht er jeden Tag aufs Neue, mit ihr klarzukommen. Das gelingt ihm wohl ganz gut, wie man bei seinen öffentlichen Auftritten sehen kann – zuletzt am Dienstag bei einem kleinen Abend-Talk, zu dem die AOK Baden-Württemberg, der Hausärzteverband und der Medi-Verbund Baden-Württemberg eingeladen haben. Die Leute dürften ruhig sehen, dass er eine Krankheit habe. „Vieles geht nicht mehr so wie früher.“ Etwa, dass er sein Glas Wasser lieber mit dem Strohhalm trinkt, um nichts zu verschütten. Der Blickkontakt zum Publikum fällt ihm aufgrund der gebeugten Haltung schwer, zu der ihn die Krankheit zwingt. Und ja, die Mimik des sonst so schlagfertigen Moderators ist starrer geworden.

Parkinson stigmatisiert die Betroffenen noch immer

Es sind die typischen Auswirkungen der neurologischen Krankheit, die sich bei jedem der 250 000 Bundesbürgern finden, die an Morbus Parkinson erkrankt sind. Wahrscheinlich sind es weitaus mehr: Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer um ein Drittel höher ist als die tatsächlich bekannten Diagnosen. Denn die als „Schüttellähmung“ bekannte Krankheit ist nichts, mit der man gern öffentlich umgeht: „Sie stigmatisiert noch immer“, sagt der Stuttgarter Neurologe Klaus Schreiber, der Holtmann seit der Diagnosestellung betreut.

Auch Matthias Holtmann wurde bereits des Öfteren aufgrund seiner unsicheren Bewegungen für betrunken gehalten. Oder er wurde in Restaurants von der Bedienung ignoriert. Stattdessen wurde die Begleitung nach Holtmanns Essenswünschen befragt. „Die Leute halten einen für bekloppt.“

Die Auslöser der Krankheit sind weitgehend unbekannt

Wissenschaftler sind eifrig dabei, die Krankheit besser zu verstehen. So ist bekannt, dass bestimmte Medikamente Parkinson begünstigen können, ebenso Gehirnverletzungen – wie es bei der Boxerlegende Muhammad Ali der Fall war. Doch bei 75 Prozent der Patienten sind die Auslöser der Krankheit weitgehend unklar, bei rund fünf Prozent finden sich genetische Ursachen.

Parkinson ist zwar nicht heilbar, aber auch nicht unmittelbar tödlich. Mittlerweile haben Erkrankte eine nahezu normale Lebenserwartung. Auch die zugrundeliegendenden Mechanismen sind weitgehend geklärt: Das Gehirn von Betroffenen produziert zu geringe Mengen des Botenstoffs Dopamin. Der ist aber wichtig, da er in etliche biochemische und physiologische Prozesse des Körpers eingreift. Herrscht ein Dopamin-Mangel, kommt es unter anderem zu den typischen Bewegungsstörungen. Neben den motorischen Beeinträchtigungen können aber im Verlauf der Krankheit auch weitere Begleitsymptome auftreten wie beispielsweise Schlafstörungen, Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt sowie Schmerzen.

Nicht nur Medikamente, sondern auch viel Sport helfen Betroffenen

Längst gibt es Dutzende Medikamente, die den Botenstoff-Mangel ausgleichen. Die wirksamste medikamentöse Hilfe bieten das Levodopa, kurz L-Dopa genannt, und die Dopamin-Antagonisten: Beide lindern vor allem die motorischen Symptome. Mit dieser Therapie sollten Betroffene möglichst schnell behandelt werden, sagt der Neurologe Klaus Schreiber. „Man verliert sonst wertvolle Lebensqualität.“

Zu der Therapie gehören aber nicht nur Medikamente: Ebenso wichtig ist inzwischen eine psychologische Betreuung, um Ängste zu nehmen und Zuversicht zu vermitteln. Zudem sollten sich Parkinson-Erkrankte möglichst viel bewegen: Ebenso sollten Kraft sowie die Beweglichkeit trainiert werden. Holtmann etwa hat wieder mit dem Boxen angefangen.

Eine Operation kann schwere motorische Störungen lindern

Vielen Betroffenen, die immer stärker mit den motorischen Störungen zu kämpfen haben, lassen sich auch operieren: So wird an einigen Kliniken im Land – etwa den Unikliniken Tübingen und Freiburg, aber auch am Stuttgarter Klinikum, eine Tiefe Hirnstimulation angeboten. Dabei werden Betroffenen zwei Elektroden implantiert. Ein programmierbarer Impulsgeber unter dem Schlüsselbein sendet elektrische Impulse ins Gehirn. Er reguliert damit jene Hirnregion, die die Bewegungsstörungen verursacht.

In Stuttgart wurde das Verfahren im Jahr 2016 von dem Neurochirurgen Guido Nikkhah eingeführt, der zuvor in Hannover und in Freiburg nach der Methode operiert hat. „Man sollte sich bewusst sein, dass es keine Heilmethode ist“, sagt Nikkhah, der nun in der chirurgischen Klinik in Stuttgart arbeitet. Aber es unterdrückt das Zittern und unterstützt die Beweglichkeit so gut, dass Patienten sagen, sie fühlen sich, als würde ihre Uhr um acht Jahre zurückgedreht werden, so der Neurochirurg. Ein weiterer Vorteil: Die Patienten brauchen weniger Medikamente, was auch bedeutet, dass sie weniger unter deren Nebenwirkungen leiden. Allerdings ist natürlich auch ein chirurgischer Eingriff nicht ohne Risiko. „Auch unterschätzen die Patienten, dass es anschließend einige Zeit braucht, bis man Medikamente und Stimulation soweit aufeinander abgestimmt hat, dass die motorischen Störungen gelindert wurden“, sagt Nikkhah.

Auch Matthias Holtmann hat schon an eine solche Operation gedacht – und dies erst einmal für sich verworfen. „Wenn’s ans Schneiden geht, bin ich der totale Schisser.“