Manuela Schmermund holte 2012 in London die Silbermedaille. Foto: dpa

Paralympics-Schützin Manuela Schmermund hat in Rio viel vor. Ihre Vorbereitung auf die Spiele war allerdings kompliziert. Unterstützung erhält sie von ihrem Twitter-Fanclub.

Rio de Janeiro - Eigentlich wollte Manuela Schmermund mit größtmöglicher Gelassenheit an ihre nun schon fünften Paralympics rangehen. „Ich habe eigentlich keinen Bock mehr, mich mehr als nötig aufzuregen“, sagt die 44-Jährige im Interview mit dem SID: „Aber meine Ultras setzen mich ganz schön unter Druck.“

Bei Twitter, wo die Hessin selbst sehr aktiv ist, hat sich unter den Namen „Inferno Schmermund“ eine Fan-Initiative gegründet. In #WirfürSchmermi gibt es sogar einen eigenen Hashtag. „Ich habe keine Ahnung, wer dahintersteckt“, sagt Schmermund: „Aber ich finde es total süß.“

Gleich im allerersten Wettbewerb der Spiele in Rio de Janeiro erwarten die „Ultras“ am Donnerstag (8.30 Uhr Ortszeit/13.30 MESZ) eine Medaille im Luftgewehr stehend. „Eigentlich sind die 3x20 Kleinkaliber meine starke Disziplin“, erklärt Schmermund: „Aber die Medaillen habe ich irgendwie immer mit dem Luftgewehr gewonnen.“ 2004 in Athen war es sogar die goldene, 2008 und 2012 jeweils Silber. Und was kommt nun? „Müssen muss ich nicht. Haben hätte ich schon gerne“, sagt sie.

Doch ihre Vorbereitung war kompliziert. Ab Dezember 2014 fiel sie ein Jahr aus, Anfang August kam noch eine Schultereckgelenksentzündung hinzu. „Das Finale wäre schon gut“, sagt Schmermund deshalb: „Aber da kann dann alles passieren.“ Zum Glück habe sie „ein gewisses Talent, im richtigen Moment abzudrücken. Ich habe das Schießen verinnerlicht wie Radfahren.“ Auch sei sie „eine echte Rampensau“. Dafür sei sie „zu emotional für gute Nerven. Wichtig ist, dass mir kein Klops passiert.“

Hilfe kam erst nach einer Stunde

Im Rollstuhl sitzt Schmermund seit einem Auto-Unfall 1992. „Wie es genau passiert ist, weiß ich nicht“, erzählt sie: „Was ich heute beim Autofahren merke, ist, dass mir unbehaglich wird, wenn mir in einer Linkskurve ein Auto entgegenkommt. Ich nehme an, dass es so passiert ist. Das Auto ist ausgebrochen, einmal habe ich es noch gerettet, dann bin ich in eine kleine Mauer. Sie stand bis zur Mittelkonsole im Auto.“ Das Problem: Niemand kümmerte sich um sie. „Es hat eine Stunde gedauert, bis jemand den Notruf abgesetzt hat. Dabei sind genug Autos vorbeigekommen“, sagt sie: „Den Querschnitt habe ich auch erst durch den Blutverlust bekommen. Nach sieben Tagen.“

Um sich mit der neuen Situation zu arrangieren, brauchte sie einige Zeit. „Der Unfall war drei Monate vor dem Ausbildungsende. Ich habe die Ausbildung fertig gemacht, ein Haus gebaut. Mein Lebenspartner hat mich als Folge des Unfalls verlassen. Da gab es viel zu sortieren“, sagt sie: „So gingen dann sechs Jahre ins Land.“ Über einen Bekannten fand sie zurück zum Schießen, wo sie vorher schon zum Gaukader zählte. Sie überzeugte schnell mit Leistung. Und mit Charakter. So ist die Athletin, die sechseinhalb Jahre beim Deutschen Fußball-Bund im Bereich Soziales und Nachhaltigkeit arbeitete. Nun kümmert sie sich im hessischen Sozialministerium um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskommission, seit fünf Jahren ist sie Gesamtathletensprecherin des Deutschen Behindertensportverbandes. „Man kann mich sozialromantisch nennen oder naiv“, sagt Schmermund: „Aber bei Ungerechtigkeiten kann ich meine Schnute nicht halten. Das ist Fluch und Segen zugleich.“ Es brachte ihr manchmal Ärger ein, vor allem aber Respekt. Und inzwischen auch einen eigenen Fanclub.