50 Minuten lang dauerte das Gespräch zwischen Papst Franziskus und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Foto: L'Osservatore Romano/AP

Erdogan ist der erste türkische Präsident, der nach fast 60 Jahren den Vatikan besucht. Feindseligkeiten sind zwar Geschichte - an konfliktreichen Themen mangelt es beim Treffen mit Franziskus aber nicht.

Rom - Nach seinem 24-Stunden-Besuch in Rom wird Recep Tayyip Erdogan vor allem eins sein: hungrig. Da der türkische Präsident sich der Presse verweigert und nicht eine Minute für Journalisten erübrigen möchte, ergötzen sich die italienischen Medien an den kuriosen Begleiterscheinungen seines Besuchs und schlachten diese genüsslich aus: So soll Erdogan den Wunsch geäußert haben, einen persönlichen Vorkoster in die Küche des Quirinals, des Sitz des italienischen Staatspräsidenten, schicken zu wollen. Dieser soll jedoch abgelehnt worden sein. „Das Essen wird sehr gut, und vor allem gesund und sicher sein“, so die Antwort an die Türken, wie die Zeitung „la Repubblica“ aus einer geheimen Quelle erfahren haben will.

Doch bevor es zum Mittagessen zu Präsident Sergio Mattarella ging, stand für Erdogan ein weitaus wichtigeres Treffen an. Am Montagmorgen war der türkische Präsident im Vatikan zur Papstaudienz geladen. Minuten vergehen bis die lange Kolonne aus dunklen Wagen die abgesperrte Via della Conciliazione passiert hat und im Inneren des Vatikans verschwunden ist. 50 Minuten gewährte Franziskus dem türkischen Präsidenten. Der Besuch im Vatikan dürfte vor allem der Imagepflege Erdogans dienen. Wegen der Repressionen, die sich in der Türkei nach dem Putschversuch von 2016 massiv verschärften, und des noch immer anhaltenden Ausnahmezustandes hat Erdogans Ruf in der demokratischen Welt stark gelitten. Mit dem Besuch in Rom präsentiert sich Erdogan als Mann des Dialogs. Allein die Anfrage für einen Besuch beim Vatikan ist bereits ein diplomatischer Fortschritt, schließlich bedeutet sie bereits eine Anerkennung der Position, die der Papst in der Welt hat. Auch in der politischen.

Erster Besuch seit fast 60 Jahren

Seit der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und dem Heiligen Stuhl im Jahr 1960 war dies der erste Besuch eines türkischen Staatsoberhauptes im Vatikan. Im Kontakt standen Papst Franziskus und Erdogan allerdings früher schon: Im November 2014 war Franziskus zu Gast in der Türkei und auch über das Telefon haben sich die beiden bereits ausgetauscht. Von Harmonie war das Verhältnis allerdings nicht geprägt: Bei einem Besuch in Eriwan 2016 bezeichnete Franziskus das blutige Vorgehen des Osmanischen Reiches gegen die Armenier vor mehr als hundert Jahren wiederholt als Völkermord, woraufhin ihm von Seiten der türkischen Regierung eine „Kreuzfahrermentalität“ vorgeworfen wurde.

Einig sind sich die beiden derzeit beim Thema Jerusalem, welches Erdogan im Vorfeld des Treffens als sein Hauptanliegen im Gespräch mit dem Papst bezeichnete. „Wir sind beide für die Verteidigung des Status quo und haben den Willen, ihn zu schützen“, so Erdogan. Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hatten Erdogan und Franziskus zweimal telefoniert. Er wolle Franziskus persönlich für dessen Reaktion auf den Vorstoß Trumps danken, so Erdgoan.

Das Hauptthema dürfte aber nicht der Grund für Erdogans Besuch sein. „Ich denke, dass der Besuch wirklich in erster Linie darstellen soll, dass der türkische Präsident seine Beziehungen zu Europa verbessern will“, sagte der Türkei-Experte Günter Seufert von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik in einem Interview mit „Vatican News“.

Festnahmen bei Protesten

Nach seinem Treffen mit dem Papst kam Erdogan mit Staatspräsident Sergio Mattarella und Ministerpräsident Paolo Gentiloni zusammen. Der Besuch Erdogans in Rom war der erste Auslandsbesuch des türkischen Präsidenten seit dem Beginn der Militäroffensive im syrischen Afrin. Erst vor zwei Wochen ist das türkische Militär mit verbündeten Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen die kurdische Miliz YPG, die die Türkei als Terrororganisation einstuft, in Nordwestsyrien vorgerückt. Vor der Engelsburg, unweit des Vatikans, veranstalte die kurdische Gemeinschaft in Italien ein Sit-In mit etwa 150 Teilnehmern. Dabei wurden zwei Menschen festgenommen. Diverse Menschenrechtsgruppen hatten im Vorfeld Briefe an Erdogans Gesprächspartner gerichtet, in denen sie diese auffordern, Erdogan an das Einhalten elementarer Regeln eines Rechtsstaates zu erinnern.