Stolz sitzen die Besitzer vor dem riesigen painting placement in ihrem Schlafzimmer in Stuttgart. Foto: painting placement/Hannes Trüjen

Der Künstler Hannes Trüjen bietet Kunst für jedermann: Zum Mitnehmen und Anbringen daheim.

Stuttgart - Michelangelo würde heute die Malerei der Sixtinischen Kapelle als Aufkleber anbringen. Diese These stellt zumindest der Künstler Hannes Trüjen auf, der genau das bietet: Malerei zum Aufkleben oder um den Namen zu verwenden, den er dafür gewählt hat: „painting placement“.

Der 42-Jährige hat die Kunst von der Leinwand befreit, um zu testen, wie sie an anderen Plätzen aussieht. Gerne demonstriert er spontan, wie das funktioniert: Trüjen greift zu einem der fertigen „painting placements“, die sich im Keller seines Ateliers in der Nordbahnhofstraße stapeln. Es ist ein dunkelbrauner Pinselstrich, etwas größer als ein DIN-A4-Blatt. Er zieht das Silikonpapier an der Unterseite der Malerei ab und klebt den braunen Pinselstrich kurzerhand auf einen herumstehenden Umzugskarton. Andrücken, dann noch die Deckfolie abziehen (sie schützt die Malerei, solange sie gelagert ist). „Zack. Das war’s“, stellt der Künstler fest. „Man kann übrigens auch über Kanten kleben, das ist eine der Besonderheiten“, erklärt er noch und zeigt auf den Karton, auf dem jetzt ein dicker, brauner Pinselstrich prangt – über eine Ecke hinweg.

Im Keller liegen und hängen noch einige weitere Exemplare. Die kleineren gibt es ab 100 Euro, drei bis vier Meter große Werke kosten zwischen 500 und 1000 Euro. Die größten der sogenannten all over sind acht bis zehn Meter lang. Die riesen Malerei-Sticker kommen bisher vor allem bei Krankenhäusern gut an, für die Trüjen ganze Innenraumgestaltungs-Konzepte entwirft. Er hat zum Beispiel mehrere Räume für das Robert-Bosch Krankenhaus in Stuttgart gestaltet. Wo private Käufer die Werke hinkleben, ist ihnen freigestellt. Der Künstler bittet sie nur um ein Foto für seine Dokumentation. Er hat schon kuriose Bilder bekommen: Im Kühlschrank oder auf dem Auto haben seine Malereien ein Zuhause gefunden. Häufig landen sie aber tatsächlich an der Wand. Besonders viele Werke seien in Schlafzimmern, berichtet der Maler. Vielleicht, um dem Raum eine persönliche Note zu verleihen. Die Fläche sollte trocken und staubfrei sein und einen festen Untergrund bilden, ansonsten sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

„Ein van Gogh im Museum wirkt anders als auf dem Flohmarkt“

Wo die Sticker kleben, interessiert Trüjen sehr. Wirklich vollendet ist das Kunstwerk für ihn nämlich erst dann, wenn es „seinen Ort gefunden hat“, wie er sagt. „Es geht darum, wo wir Kunst verorten. Welchen Platz hat sie in unserer Gesellschaft – und welchen Platz hat der Künstler in ihr?“ Je nachdem, wo wir ein Kunstwerk sehen, nehmen wir es anders wahr. „Ein van Gogh im Museum wirkt anders als auf dem Flohmarkt“, verdeutlicht er seinen Gedanken. Das zeigt auch der Name, den Trüjen seiner Kunst gegeben hat: Er interessiert sich für die Platzierung (englisch: placement) der Malerei (englisch: painting).

Fragen wie diese sind für den Künstler elementar. Es geht ihm außerdem darum, die Menschen aktiv einzubeziehen. Kommunikation und Interaktion, darauf legt er bei seinen Malerei-Aufklebern Wert. Ein „painting placement“ ist leicht anzuwendende „Do-it-yourself-Kunst“ für jedermann. Gleichzeitig betont Trüjen: „Es ist keine pflegeleichte Kunst“. Die Kunden müssen sich überlegen, wo sie die Malerei anbringen, und selbst aktiv werden, indem sie die Kunstwerke aufkleben. Dabei ist Vorsicht geboten – die Stücke lassen sich nicht einfach so wieder entfernen. Im Gegensatz zu handelsüblichen Wandstickern, die Sprüche, Blumen oder Tiermotive bieten und sich meistens hinterher wieder gut vom Untergrund entfernen lassen, ist ein painting placement dauerhaft. Um es zu lösen, muss man es zerstören. Für den Künstler gehört das dazu: „ Kunst hat ihren Ort und auch eine gewisse Vergänglichkeit.“

Die Idee der transferierbaren Malerei kam Trüjen während seines Studiums der freien Malerei an der Stuttgarter Kunstakademie. Mittlerweile sind die painting placements seit fast zehn Jahren sein Schwerpunkt. Meistens malt er auf dem Boden in einem gefliesten Kellerraum unter dem Atelier. Farbspritzer auf den grauen Kacheln zeugen von früheren Werken. Damit sich das Motiv hinterher gut löst, verwendet er eine spezielle Folie als Untergrund. Darauf trägt er eine oder mehrere Acryl-Farben auf. Zum Beispiel einen dicken Pinselstrich oder Farbkleckse, die an Jackson-Pollocks Action-Paintings erinnern. Es sind solche Urgesten der Malerei, die Trüjen immer wieder variiert, um „naive Malereien in einen größeren Kontext zu stellen“. Nach dem Trocknen kommt ein Haftkleber auf das Stück, damit es hinterher überall gut hält. Danach wird das Kunstwerk mit einer Folie abgedeckt – und wartet auf seinen Platz in der Welt.

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