Das Jugendamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald hat versucht, das Opfer in Sicherheit zu bringen. Doch die Familienrichter waren anderer Meinung. Foto: dpa

Warum hat das Freiburger Familiengericht einen neunjährigen Buben trotz Hinweisen auf seine Gefährdung zurück in seine Familie geschickt? Offenbar glaubte man, auch mit strengen Auflagen das Kind schützen zu können.

Freiburg - Der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hat eine genaue Untersuchung des Missbrauchsfalls eines neunjährigen Buben im Raum Freiburg angekündigt. Allerdings müssten dabei nicht nur die Sozialbehörden in den Fokus rücken. Schließlich habe das zuständige Jugendamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald durchaus auf die Missstände hingewiesen und den Jungen vorübergehend in Obhut genommen. Allerdings wurde es dann von den Familiengerichten zurückgerufen. „Deshalb müssen wir nun auch mit den Kollegen der anderen Ministerien, also auch des Justizministeriums, überprüfen, wo hier etwas schiefgelaufen ist“, sagte Manne Lucha.

Auch ein Sprecher des baden-württembergischen Landesjustizministers Guido Wolf (CDU) sagte eine Prüfung zu. „Wir werden schauen, ob es gesetzlichen Handlungsbedarf gibt.“ Einzelne Urteile wolle man aber nicht kommentieren. Das Jugendamt Breisgau-Hochschwarzwald war im März des vergangenen Jahres darauf hingewiesen worden, dass bei der Mutter des Neunjährigen ein einschlägig vorbestrafter Mann eingezogen sei. Dem 37-Jährigen war vom Landgericht der Umgang mit Minderjährigen untersagt worden. Das Jugendamt, das die Familie bereits seit vielen Jahren betreute, hat den Buben daraufhin in staatliche Obhut genommen.

Doch schon einen Monat später war der Bub wieder bei seiner Mutter. Das Familiengericht am Freiburger Amtsgericht ordnete an, den Neunjährigen in die Familie zurückzugeben. Zuvor hatte es in der mündlichen Verhandlung sowohl die Mutter als auch das Jugendamt gehört, nicht aber das Kind selbst. Der Freiburger Familiensenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe hat diese Entscheidung im Juli bestätigt. Anhaltspunkte auf konkrete Missbrauchstaten hätten damals nicht vorgelegen, erklärte eine Sprecherin des OLG. Zudem habe man zwar in dem Mann, nicht aber in der bis dahin nicht vorbestraften Mutter eine Gefahr für das Kind gesehen. Alle Beteiligten seien davon ausgegangen, dass sie im Interesse ihres Sohnes handle. Vor diesem Hintergrund habe es das Gericht für möglich gehalten, die Sicherheit des Kindes auch durch strenge Auflagen zu garantieren. So sei verfügt worden, dass der 37-Jährige die Wohnung der Familie nicht mehr betreten dürfe.

Auch gemeinsame Aktivitäten mit dem Kind, privat oder in der Öffentlichkeit, wurden untersagt. Zudem wurde der Mutter aufgetragen, eine psychiatrische Therapie zu besuchen und eine Erziehungshilfe zu beantragen. Auf dieser Grundlage habe der zuständige Senat eine Rückkehr des Kindes in die Familie für möglich und sinnvoll gehalten. Auch das Jugendamt war mit diesen Auflagen offenbar einverstanden. Denn die nächste Instanz wurde nicht von der Behörde, sondern von der 47-jährigen Mutter angerufen. Dabei wandte sie sich gegen die Auflagen. Das Oberlandesgericht hob daraufhin die Forderung nach einer Psychotherapie und einer Erziehungshilfe auf, wiederholte aber die Auflagen bezüglich des Freundes der Frau. Er sollte sich auf jeden Fall fernhalten. Laut Gericht sollte die Frau diese Auflagen überwachen. Das Jugendamt wurde damit nicht beauftragt, wie das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald am Abend mitteilte.

Die 47-Jährige habe dies so akzeptiert, erklärte die OLG-Sprecherin. Gleichzeitig wurde der Lebensgefährte vom Amtsgericht in Freiburg zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Einzug bei der Frau sei ein Verstoß gegen seine gerichtlichen Auflagen. Doch der Mann ging in Berufung, das Urteil wurde nicht rechtskräftig, und die Taten gingen weiter. Erst im September deckte die Polizei nach einem anonymen Hinweis den Pädophilenring auf. Der Bub wurde endgültig vom Jugendamt in staatliche Obhut übernommen.

Die Mutter ist nicht vorbestraft

Die 47-jährige Mutter soll den Buben gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten seit dem Jahr 2015 sexuell missbraucht und anderen Männern im Internet gegen Geld für Vergewaltigungen angeboten haben. Neben den beiden Hauptverdächtigen sitzen noch sechs weitere Männer in Haft – überwiegend sind es Freier. Der erste Prozess könnte bereits im Frühjahr stattfinden. Die erste Anklage liege bereits vor, sagte ein Sprecher des Landgerichts Freiburg. Um welchen Tatverdächtigen es sich dabei handelt, wollten das Gericht und die Staatsanwaltschaft nicht sagen. Bisher sei geplant, gegen jeden Tatverdächtigen einen Prozess zu führen.

Nur Hinweise auf abstrakte Gefährdung