„Holdrio again!“ Otto Waalkes wird 70 Foto: dpa

Er hat den Ottifanten geschaffen, den Humor revolutioniert und den Schniedelwutz erfunden: Am Sonntag feiert Otto Waalkes seinen 70. Geburtstag und beschenkt die Freunde gehobenener Blödelei mit seiner Autobiografie.

Stuttgart - Jüngst ist seine Autobiographie „Kleinhirn an alle“ erschienen. Auf einer der 400 Seiten schildert der Künstler: „Nach vier Jahren an der Staatlichen Akademie in Stuttgart bestand ich die Prüfungen, absolvierte kurz darauf das Staatsexamen und durfte mich nun Kunsterzieher nennen.“ Danach liest man: „Meine erste Anstellung bekam ich am Hölderlin-Gymnasium in Nürtingen, wo mir ein frecher Schlaks namens Harald Schmidt unangenehm auffiel, der gerade sein Abitur ablegte. In Kunst bekam er von mir ein ‚mangelhaft‘.“ Wie bitte? Otto Waalkes als junger Mann im Schwabenland? Als Lehrer Harald Schmidts?

Quatsch, alles Quatsch! Die Flunkerei ist halt sein Wesenskern. „Ja, auch so hätte mein Leben nach der Schule verlaufen können“, schreibt der witzigste Ostfriese der Welt ein paar Zeilen weiter unten, ehe er einräumt: „In meinem Fall war Stuttgart wohl nicht vorgesehen, und ich kann nicht leugnen, dass ich der Vorsehung recht dankbar dafür bin.“ Soso, soso.

Dass sein Leben nach der Schule anders verlaufen ist, weiß vermutlich jeder Mensch im deutschlachenden Raum. Erste Erfolge feierte er bereits als Vierjähriger. Der kleine Ottje konnte schon lesen, und so setzte man ihn in den Eckkneipen seines Heimatorts auf den Tresen, wo er zur Belustigung der Gäste Schlagzeilen der Bild-Zeitung vorlas. Rechtzeitig zu seinem 70. Geburtstag an diesem Sonntag hat die Stadt Emden nun angekündigt, den zum Otto gereiften Ottje zum Ehrenbürger zu ernennen. Ein Museum, das „Otto Huus“, haben sie ihm längst hingestellt. Einen besseren Werbeträger kann sich eine Stadt ja auch nicht wünschen.

Doch stimmt das mit der 70 überhaupt? Zuzutrauen ist Otto ja alles. Auf Twitter, auch da ist er aktiv, verkündete er neulich: „Die vom ZDF behaupten, dass ich in einer Woche 70 werde. Kann gar nicht sein. Ich hab mich als Jugendlicher doch mal 10 Jahre älter gemacht, um schmutzige Filme sehen zu dürfen. Aber bei meiner Ehe hab ich mich ja wieder 10 Jahre jünger gemacht… stimmt, kommt doch hin. Mist.“

Mülltonnendeckel im Gesicht

Wie so viele Kinder seiner Zeit von den Beatles inspiriert und von antiautoritären Strömungen mitgerissen, trumpfte Otto im Teenageralter zunächst als freilich langhaariger Frontmann der Band „The Rustlers“ auf. Obzwar im Friesenland bekannt, ging die Truppe auseinander. Otto avancierte zum Solisten.

Wobei: So richtig allein ist Otto Waalkes auf der Bühne und im Fernsehen ja nie. Ob jung oder alt – mindestens einen seiner zahlreichen Begleiter kennt jeder: Die Ottifanten, Susi Sorglos, Harry Hirsch, Hänsel und Gretel, Zwerg Bubi, Faultier Sid. Alles Bewohner des Ottiversums. Die in puncto Aberwitz nur von einem übertroffen werden: von ihrem Schöpfer mit dem skurrilen Gang, mit der irrsinnigen „ehehehe“-Lache, mit dem an Frosch Kermit gemahnenden „Aahaaaa!“, mit dem spinnerten „Holladahiitii!“ Wie wird man so?

„Ich hatte einfach das Glück, immer zur rechten Zeit den richtigen Leuten zu gefallen“, glaubt der Komiker beim Blick auf seine Karriere. Doch so einfach will man’s ihm nicht machen. Ein bisschen Lobhudelei muss, Glück allein kann’s nicht sein. Vielmehr wohl Können und Begabung in allen für Komik entscheidenden Bereichen: Mimik, Tempo, Timing (was auch immer das genau ist), Schauspiel, Stimmvariation, Musikalität und natürlich das nötige Aussehen: „Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich im Profil aussehe wie der klassische Hohensteiner Kasperpuppenkopf.“ Die schiefe Nase verdankt er einem Jungen, der ihm einen Mülltonnendeckel ins Gesicht geschleudert hat. War damals noch aus Metall. Der Deckel, nicht das Gesicht.

Aber gut: Bleiben wir beim Glück. Bei den Begegnungen mit den „richtigen Leuten“. Mit Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen und seinem Allzeitmanager Hans-Otto-Mertens, der Otto 1971 entdeckte, lebte er in den 70ern in der legendären Villa Kunterbunt in Hamburg. Figuren wie Lindenbergs Rudi Ratlos und Waalkes‘ Harry Hirsch wurden hier geboren.

Das Glück ist ihm Holdrio

Die glücklichste, schicksalhafteste Begegnung aber sollte die mit Robert Gernhardt, Pit Knorr und Bernd Eilert sein. Das damals in Frankfurt beheimatete Autorentrio der Neuen Frankfurter Schule, das die Satirezeitschrift „Pardon“ und später „Titanic“ mit genialem Nonsense vollschrieb, nutzte die Chance, Ottos geistreich-sinnlose Scherze einem großen Publikum zugänglich zu machen. Otto selbst war von der Arbeit seiner künftigen Gag-Schreiber schon vor dem ersten Treffen angetan: Er hatte ein Gedicht Gernhardts vorgetragen, ohne den Urheber zu nennen. Eine göttliche Fügung, die schließlich zur lebenslangen Zusammenarbeit führte: „Lieber Gott, nimm es hin, dass ich was Besond’res bin / Und gib ruhig einmal zu, dass ich klüger bin als Du / Preise künftig meinen Namen, denn sonst setzt es etwas /Amen.“

Und Gott nahm es hin. Der Name wurde zur Marke. Das erste Album von 1973 hieß „Otto“. Platin. Das zweite: „Otto (die Zweite)“. Das dritte: „Oh, Otto“. Wieder Platin. Gleichzeitig reüssierte er mit der „Otto Show“ im Fernsehen. 1985 schließlich „Otto – der Film“. Der erfolgreichste deutsche Kinofilm des letzten Jahrhunderts. Und aktuell: „Otto – die Ausstellung“ im Frankfurter Caricatura Museum für Komische Kunst. Noch bis zum 12. August kann man dort bestaunen, dass Otto Waalkes nicht nur vom Glück verfolgt, sondern zudem ein talentierter Bildender Künstler ist. Ach ja: Laut Otto ist übrigens auch der im Duden zu findende „Schniedelwutz“ seine Wortschöpfung.

Nur einmal verließ ihn Fortuna. Er hatte sich zu sehr auf die Arbeit fokussiert. Seine erste Ehe mit Manou Ebelt ging Anfang der 90er zu Bruch. Otto war Mitte 40 und am Boden zerstört. Trennungsschmerz, Midlife-Crisis, Sinnkrise. Sein persönlicher Tiefpunkt. Retrospektiv betrachtet kann er aber wieder von Glück reden: Ein solches sei es für den zweifach geschiedenen Komiker gewesen, dass er mit „so schönen Frauen wie Manou und Eva“ (Hassmann, d. Red.) überhaupt zusammen sein durfte: „Allein dafür hat es sich doch gelohnt, berühmt zu werden.“

Dass das Glück ihm noch immer holdrio ist, davon konnte man sich bis zuletzt auch bei seiner Live-Show „Holdrio again!“ überzeugen. Nach wie vor gelingt es ihm, Kleine und Große zum Lachen zu bringen. Otto Waalkes hatte eben nicht nur Glück, er hat auch vielen seiner Zuschauer Glück beschert. Soll man ihm zum Geburtstag also noch mehr davon wünschen? Es möge ihn zumindest nicht verlassen!