Das künftige Otto-Quartier mit der Wohnbebauung (grün) und den Gewerbeflächen (rosa). Die Gebäude aus der Gründerzeit bleiben stehen. Besonders markant ist das ehemalige Kessel- und Turbinenhaus (altrosa) Foto: CG Gruppe

Das Konzept für die Nachnutzung des Otto-Areals in Wendlingen steht. Auf dem circa zehn Hektar großen Gelände soll bis 2025 ein urbanes Quartier mit Gewerbe und Wohnungen entstehen. Die prägenden Industriegebäude werden integriert

Wendlingen - Ein zentrales Entwicklungsvorhaben in der Stadt Wendlingen nimmt Formen an. Auf dem Otto-Areal ist ein „innenstadtnahes, urbanes Quartier mit hochwertigen Arbeitsplätzen und Wohnungen in attraktiven, teils denkmalgeschützten Gebäuden“ geplant. So definiert das Unternehmen CG Gruppe, die 80 Prozent des historischen Industrie-Areals von der HOS-Gruppe (HOS steht für Heinrich Otto & Söhne) gekauft hat, den Charakter des künftigen Stadtquartiers.

Gewerbe, Handel und Wohnen in einem Quartier

Auf diesen acht Hektar sollen rund 330 Wohneinheiten für etwa 800 Menschen entstehen – möglichst schon bis 2025. Apartments, Business-WGs und Mehrgenerationenhäuser sind vorgesehen. Laut dem Wendlinger Bürgermeister Steffen Weigel fallen 15 Prozent der Wohnungen in die Kategorie sozialer Wohnungsbau. Das Vorhaben folgt den Zielen, welche die Stadt vor zwei Jahren in ihrem „Masterplan kommunale Wohnungspolitik“ formuliert hat.

Der meiste Platz auf dem Gelände wird aber für Gewerbe reserviert. Produktion, Handel und Handwerk sollen sich hier ansiedeln. Das Konzept sieht eine Verbindung von Produktion, Wohnen und Kultur vor. Ein zentraler Quartiersplatz mit Grünzonen, Cafés, Spielplätzen und einem freien Zugang zum Neckar sollen eine hohe Aufenthaltsqualität garantieren. Zudem ist ein Drei-Sterne-Plus-Hotel mit etwa 180 Betten geplant. Auf dem HOS-Areal steht ein historisches Ensemble aus denkmalgeschützten Industriegebäuden. Das Wasserturbinenhaus von 1886 bleibt ebenso erhalten wie die Weberei und das Kesselhaus. Der nach englischem Vorbild errichtete dreigeschossige Spinnereibau mit den markanten Ecktürmen und Jugendstildetails im Innern soll künftig als Quartierszentrum und Veranstaltungsort dienen. Das Otto-Quartier ist für eine Aufnahme in das Netz der Internationalen Bauausstellung (IBA’27) vorgesehen.

Bestandsgebäude werden in das neue Viertel integriert

Ein behutsamer Umgang und eine umsichtige Einbindung des architektonischen Erbes in das städtebauliche Entwicklungskonzept ist für die HOS-Gruppe ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Investors gewesen, betont der HOS-Geschäftsführer Dirk Otto. Das im Jahr 1816 gegründete Familienunternehmen Heinrich Otto & Söhne besteht bereits in siebter Generation.

„Wir fühlen uns den Werten unserer Familientradition verpflichtet“, sagt Dirk Otto. Die in 200 Jahren entstandene Identität des Areals solle gewahrt und in die Zukunft transportiert werden. Unter anderem sei Nachhaltigkeit ein wichtiger Teil der Otto-Identität, sagt der Geschäftsführer. Diesem Umstand trägt der Investor mit einem Energiekonzept Rechnung, das den Ort zum ersten „Zero Energy/Zero Emission District“ in Deutschland machen soll. „Dafür wird die thermische Energie des Neckars, eine Wasserkraftanlage, Plusenergiebauweise kombiniert mit Fotovoltaik zum Einsatz kommen. Energieüberschüsse werden in das externe Netz eingespeist, sodass eine negative CO2-Bilanz möglich ist“, teilt die Immobilienentwicklungsgesellschaft CG mit.

Ausstellung über 200 Jahre Industriegeschichte

Im Besitz der HOS-Gruppe verbleiben circa 18 000 Quadratmeter. Diese Fläche des HOS-Areals wird das Familienunternehmen in eigener Regie mit Neubauten versehen. Die Firma plant, den Hauptsitz ihrer Verwaltung in Wendlingen weiter zu stärken und somit auch die Verbundenheit mit der eigenen Historie zu unterstreichen. Einen umfassenden Überblick über die textile Vergangenheit nicht nur Wendlingens hatte vor drei Jahren aus Anlass des 200-jährigen Bestehens der Firma eine Doppelausstellung über die Firma Otto im Stadtmuseum und in der Galerie der Stadt Wendlingen gegeben.

Die Wurzeln der einstigen Textildynastie reichen in das Jahr 1815 zurück. Damals setzte der aus einer Stuttgarter Kaufmannsfamilie stammende Immanuel Friedrich Otto den ersten Spatenstich für eine Baumwollspinnerei in Nürtingen. Im Wendlinger Stadtteil Unterboihingen nahmen die Ottos dann 1861 eine neue Spinnerei in Betrieb. Zwölf Jahre später teilte der Firmenchef Heinrich Otto das Unternehmen. Das Werk in Unterboihingen ging an Heinrich Ottos Sohn Robert, und der Nürtinger Betrieb an den Schwiegersohn Albert Melchior. Heute ist die HOS-Gruppe in den Geschäftsfeldern Textil, regenerative Energien und Immobilien unternehmerisch tätig.